SZ-Serie: Bühne? Frei!:Gerahmtes Zuhause

SZ-Serie: Bühne? Frei!: Der Rahmenmacher Werner Murrer mit ein paar seiner Rahmen.

Der Rahmenmacher Werner Murrer mit ein paar seiner Rahmen.

(Foto: Albrecht Fuchs)

Kultur-Lockdown, Tag 81: Der Rahmenmacher hat Aufträge in ganz Europa - und kann doch nicht reisen

Gastbeitrag von Werner Murrer

Zum ersten Mal im Leben eine Ausstellung kuratieren - für mich als Rahmenmacher ein Traum! Er ging solange in Erfüllung, bis Corona kam. Seit vielen Jahren beschäftige ich mich intensiv mit den Rahmen der Expressionisten, speziell der Brücke-Künstler, erforsche, dokumentiere und sammle die Originale von Kirchner, Nolde, Schmidt-Rottluff und Co. Sie alle entwarfen ihre Rahmen selbst, eigens für ihre Gemälde. Die Einheit von Bild und Rahmen ist in den Kunstwissenschaften bisher völlig vernachlässigt worden. In der von mir kuratierten Schau "Unzertrennlich. Rahmen und Bilder der Brücke-Künstler" im Berliner Brücke-Museum konnten ihre Gesamtkunstwerke erstmals als solche gewürdigt werden. Die Freude war groß! Umso größer dann die Enttäuschung, als wegen Corona die zweite Station der Ausstellung im Frühjahr 2021 abgesagt werden musste. Sie hätte direkt vor unserer Haustüre, im Buchheim Museum in Bernried stattfinden sollen.

Leider geht es auch im neuen Jahr mit der Verschieberei lange geplanter Ausstellungen weiter. Wie gerne würde ich im Februar die Schau des Fotografen Albrecht Fuchs besuchen. Bis ich seine einfühlsamen Porträts berühmter Künstler wie John Baldessari im Kunsthaus Nürnberg sehen kann, wird es wohl noch eine Weile dauern. Trotz des bitteren Beigeschmacks können wir nicht klagen. Als Handwerksbetrieb hat "Werner Murrer Rahmen" das Glück, weiterarbeiten zu können und zu dürfen. Die Auftragsbücher sind voll. In den kommenden Monaten rahmen wir für Museen in ganz Europa. Bei mir arbeiten viele Künstler, und ich bin sehr dankbar, ihnen im Kultur-Lockdown einen sicheren Arbeitsplatz bieten zu können. Die Zeit des ersten Shutdowns nutzten wir zudem, um unsere neue Website zu konzipieren. Schon online, aber noch in Arbeit, soll sie ein Kompendium der Rahmenkunst werden und umfassende Hintergrundinformationen zu unserer Arbeit liefern.

Neben den Projekten mit großen, internationalen Museen rahmen wir natürlich auch für Privatpersonen. Vergangenes Jahr ließen auffällig viele Menschen ihre Bilder rahmen, seit den Ausgangsbeschränkungen beschäftigen sie sich intensiv mit ihren vier Wänden, möchten sich zu Hause wohlfühlen. Wir freuen uns, sie dabei unterstützen zu können, sie zu beraten, wie sie ihre Kunst zu Hause bestmöglich erleben können. Durch die drastischen Einschränkungen im Kulturbereich sehnen sich die Menschen mehr denn je danach, Kunst physisch zu erleben - ein menschliches Grundbedürfnis.

Voller Vorfreude haben wir vergangenes Jahr einen Großteil der Sammlung des Munch-Museums in Oslo neu gerahmt, darunter auch zwei Versionen von Edvard Munchs berühmter Arbeit "Der Schrei". Längst sind die Rahmen mit seinen Werken im neu gebauten Museum in Verbindung getreten. Hoffentlich können wir alle bald wieder mit der Kunst im Dialog sein, sie sehen, spüren und mit ihr kommunizieren. Vielleicht sogar schon zu Mittsommer in Norwegen? Dann nämlich soll das neue Munch-Museum, so Corona will, nach monatelangem Aufschub eröffnet werden. Und nächstes Jahr holen wir unsere eigene, abgesagte Ausstellung nach und zeigen die Brücke-Künstler mit Schwerpunkt auf Ernst Ludwig Kirchner im Buchheim Museum - gute Aussichten!

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