Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Bühne? Frei!:Wir sehen uns wieder

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Kultu-Lockdown, Tag 69: Die Harfenistin sehnt sich nach Begegnungen und dem gemeinsamen musizieren

Gastbeitrag von Franziska Eimer

Neulich rief mich Wolfgang Sperger an, der Wirt vom Hofbräuhaus. Er leidet wie jeder Wirt, aber er klagte nicht. Er sprach über Menschen, denen es schlechter geht: einen Musiker, der zur Suppenküche geht. Einen alten Mann, der in Tränen vor ihm stand - für viele Alte ist der Stammtisch in der Schwemme oder bei unserem monatlichen Musikantentreff der einzige menschliche Kontakt. "Kommts und spielts mit" - so lud ich vor 13 Jahren zum ersten Stammtisch ein. Wer sein Instrument mitbringt, kriegt eine Brotzeit und freie Getränke. Es kamen bald Philharmoniker und Dorfmusikanten, Rocker und Operettensängerinnen, es kamen Musiker aus München und Istanbul, Oberammergau und Birmingham, Harare und Hamburg. Musik wurde geteilt, Neues entstand, auch Freundschaften und manch erfolgreiche Band.

Ich spiele Harfe, aber sehe mich nicht als Solo-Musikerin; vielmehr als Stifterin von Gemeinschaft. Ich bringe Menschen zusammen. Musik ist eine eigene Sprache. Nichts vermag Menschen mehr zu verbinden. Musik ist Inklusion. Und Covid-19 ist das Gegenteil. Im Sommer habe ich einmal geweint. Ich saß auf der Bühne mit Konstantin Wecker und der Liedermacherin Sarah Straub. Sarah ist dazu Hirnforscherin, betreut Menschen, die an Demenz leiden. Sie erzählte mir von der Einsamkeit der Menschen und sang darüber. Das Lied heißt "Schwalben", hören sie es sich mal in der Mediathek an. Auch Weckers Lied "Inwendig warm", das wir spielten, mit den Zeilen: "Laß die foin in irgendan Arm, / und moch d'Arm auf wenn irgend wer foid. / So halt ma uns inwendig warm, / Denn da draußen, da is oft so koid."

Der Auftritt war Teil der BR-Sendung "Z'am Rocken", in der wir seit acht Jahren Musiker aus verschiedenen Welten zusammenbringen. Nie passte eine Sendung mehr in die Zeit. Wir spielten open air, am Kulturstrand über der Isar. Sich treffen, streichelt die Seele. Publikum und Musiker wurden eins, Masken bedecken weder Herz noch Ohren.

Im Hintergrund der Aufnahme thronte die St.-Maximilian-Kirche. Hier geschah zum Jahresende Wunderschönes, Pfarrer Rainer Maria Schießler lud Musiker dazu ein, die Messen zum Advent und Neujahr zu begleiten. Ich spielte an Heiligabend und empfahl der großartigen Cellistin und Organisatorin Fany Kammerlander eine Gruppe für die Neujahrsmesse: Glitzerbeisl - eine Mischung aus Falco, Kraudn Sepp und etwas, das Sie noch nie gehört haben. Pfarrer Schießler sagte am Ende der Predigt, es sei in seinen 28 Jahren in der Kirche seine schönste Neujahrsmesse gewesen. Diese Initiative war mein Lächeln des Jahres, waren meine Hoffnungstage, die mich in 2021 hinüber gerettet haben.

Für bald ein Jahr hat uns der Virus getrennt. Eine Weile wird er das noch schaffen. Aber Musiktreffen sind Menschlichkeit, und Menschlichkeit ist stärker als alles, auch als ein Virus. "Wir halten zusammen" - das war die Botschaft von Spergers Anruf, das war die Botschaft von Straubs Demenz-Lied und von Pfarrer Schießlers wärmendem Musik-Asyl. Und mehr als diesen Satz habe ich nun auch nicht mehr zu sagen, außer: Und wir treffen uns wieder. Bald. Ganz bald.

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Quelle:
SZ vom 09.01.2021
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