Ausstellung in Garmisch-Partenkirchen:Verfemt und vertrieben

Ausstellung in Garmisch-Partenkirchen: In einer Hütte in Hintergraseck oberhalb der Partnachklamm malt Clemens Fränkel, bevor er im August 1929 mit seiner Frau nach Partenkirchen zieht.

In einer Hütte in Hintergraseck oberhalb der Partnachklamm malt Clemens Fränkel, bevor er im August 1929 mit seiner Frau nach Partenkirchen zieht.

(Foto: Thomas Steppan)

Das Museum Aschenbrenner in Garmisch-Partenkirchen würdigt den in Auschwitz ermordeten Landschaftsmaler Clemens Fränkel mit einer umfangreichen Ausstellung - der ersten seit 1933.

Von Sabine Reithmaier

Es muss ein bitterer Moment für Clemens Fränkel gewesen sein, als er im März 1942 das Schreiben des Deutschen Konsulats in Bozen öffnet. Der Inhalt des Briefs wird den fast siebzigjährigen Landschaftsmaler jüdischer Herkunft aber vermutlich nicht groß erstaunt haben, dafür war schon viel zu viel passiert. Er sei kein deutscher Staatsangehöriger mehr, liest er. "Ihr Vermögen ist dem Deutschen Reich verfallen. Ihr Paß ist einbehalten worden." Zwei Jahre später ist Fränkel tot, ermordet im Konzentrationslager Auschwitz.

Ausstellung in Garmisch-Partenkirchen: Ein Porträt des Malers Clemens Fränkel aus dem Jahr 1921 von Hermann Barrenscheen.

Ein Porträt des Malers Clemens Fränkel aus dem Jahr 1921 von Hermann Barrenscheen.

(Foto: Sammlung Fränkel)

Das amtliche Dokument zählt in seiner banalen Nüchternheit zu den erschütterndsten Exponaten im Museum Aschenbrenner. Das kleine Haus in Garmisch-Partenkirchen, spezialisiert auf Puppen, Porzellane und Krippen, nahm den 150. Geburtstag Fränkels zum Anlass, dem aus der Kunstwelt verschwundenen Maler eine feine, eigene Schau zu widmen, die erste seit 1933. Auf den Künstler aufmerksam wurde Museumsleiterin Karin Teufl 2019 während der Recherchen für eine andere Ausstellung. Damals suchte sie nach Erinnerungsstücken von Menschen, die während der NS-Zeit aus dem Werdenfelser Land fliehen mussten.

Sie stieß auf ein Bild Fränkels, der einige Jahre in Garmisch-Partenkirchen gelebt hatte. Dass er auch dort so vergessen wurde, irritiert anfangs ein wenig. Schließlich kehrte sein Sohn Kurt O. Fraenkel, einst mit dem Vater nach Italien geflohen, bereits im Herbst 1945 in den Ort zurück, um wieder als Kunsthändler zu arbeiten. Bis 1995 führte er seine Galerie und Kunsthandlung. Doch viel geredet habe er über die Zeit des Nationalsozialismus oder den Vater nicht, sagt Karin Teufl. "Er wollte nicht als Ankläger auftreten."

Als Maler feiert er mit seinen Landschaften Erfolge. Sie werden bis in die USA verkauft

Clemens Fränkel, 1872 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Frankfurt geboren, ist ein später Vertreter der Münchner Schule, studiert in München erst beim Piloty-Schüler Otto Seitz, dann bei Ludwig von Löfftz, der ihm die Tradition der Münchner Freilichtmalerei und den Impressionismus nahebringt. Fränkel ist begeistert, hält auf Papier, Pappe oder kleinen Leinwandstücken in lockerem Duktus seine Landschaftsansichten fest. 1903 verlässt er die Akademie, reist ein Jahr zum Malen nach Italien, weilt in Florenz, Rom und auf der Insel Capri. Nach seiner Rückkehr malt er vorzugsweise an der Amper im Dachauer Moor, teilt sich ein Atelier mit Alfred Kubin und Emile Cardinaux in der Schwabinger Theresienstraße. Von der freundschaftlichen Verbundenheit mit Kubin erzählen in der Ausstellung zauberhaft gestaltete, dicht beschriebene Postkarten.

In München lernt er seine spätere Frau kennen, die Protestantin Louise Scheidemantel. Für Fränkel spielt die Religionszugehörigkeit in diesen Jahren keine Rolle, sogar in offiziellen Papieren wird er, wie sein Biograf Thomas Steppan im sehr empfehlenswerten Katalog schreibt, als "freireligiös" bezeichnet. Nach der Heirat 1908 lebt das Paar in Leoni am Starnberger See; dort hatte Fränkel eine Freilicht-Malschule gegründet. Als Maler feiert er mit seinen Landschaften bald Erfolge, die renommierte Gemäldegalerie Heinemann am Lenbachplatz hat stets eine Auswahl seiner Arbeiten vorrätig.

Ausstellung in Garmisch-Partenkirchen: In der freien Natur fertigt Clemens Fränkel ausgezeichnete Gouachen wie die der "Zugspitzgruppe Garmisch früh morgens".

In der freien Natur fertigt Clemens Fränkel ausgezeichnete Gouachen wie die der "Zugspitzgruppe Garmisch früh morgens".

(Foto: Thomas Steppan)

Den Ersten Weltkrieg übersteht er als Krankenpfleger der Sanitätskolonne und im Geschoßabnahmekommando. Scheinbar mühelos nimmt Fränkel danach seine künstlerische Arbeit wieder auf, seine Bilder sind mehr denn je gefragt, werden bis in die USA verkauft. Erst in Zwanzigerjahren tauchen Berge in seinem Werk auf, vermutlich nicht nur weil der Kunstmarkt damals alpine Sujets schätzte. Die begehrten konservativen Alpenpanoramen liefert er nämlich nicht. Zunehmend experimentiert er mit Farbkontrasten, auch wenn sein Expressionismus ein sehr gemäßigter bleibt.

Erst malt er in einer Hütte in Hintergraseck oberhalb der Partnachklamm, doch im August 1929 ziehen er und seine Frau nach Partenkirchen. Sohn Kurt, inzwischen 20 Jahre alt, folgt vier Monate später. Über die Gründe des Umzugs kann man nur spekulieren, aber Steppan liegt sicher nicht falsch, wenn er vermutet, dass München in den späten Zwanzigerjahren für Menschen jüdischer Herkunft unerträglich wurde. Fränkels Produktivität ist noch ungebremst. Er malt weiterhin viel in der freien Natur, fertigt ausgezeichnete Gouachen, mit die beeindruckendsten Bilder in der Ausstellung. Nur die großformatigen Ölbilder - die letzten datieren aus dem Jahr 1933 - entstehen im Atelier. Im Sommer 1931 zeigt er seine Berglandschaften in einer Schau von Künstler-Genossenschaft und Sezession im Deutschen Museum - sein letzter überregionaler Auftritt.

Belästigungen und antisemitische Übergriffe prägen Fränkels Alltag

Fränkel war nicht der Einzige, der sich ins Werdenfelser Land zurückzog. Auch der abstrakt arbeitende Rolf Cavael (1898-1979), 1933 mit einem Mal- und Ausstellungsverbot belegt, zieht von Berlin nach Garmisch-Partenkirchen, um im Stillen weiter zu arbeiten. Doch er wird denunziert und neun Monate im Konzentrationslager Dachau interniert. Fränkel darf seit 1933 an keiner Ausstellung teilnehmen, seine Bilder dürfen nicht verkauft werden. Belästigungen und antisemitische Übergriffe prägen seinen Alltag. Der inzwischen verwitwete Maler zieht nach Ohlstadt um. Doch dort ist es nicht besser. 1937 flieht er nach Cortina d'Ampezzo. Seinen Sohn Kurt, seit 1930 Kunsthändler und Galerist in Partenkirchen, haben die Nazis bereits 1935 gezwungen, sein Geschäft zu schließen. Er begleitet den Vater in der Hoffnung, im Touristenort seinen Beruf fortsetzen zu können. Zunächst gelingt das auch. Kurt eröffnet die Kunsthandlung "Arte Alpina", der Vater malt wieder, farbiger, reduzierter und verdichteter als jemals zuvor.

Ausstellung in Garmisch-Partenkirchen: Eines der letzten Bilder von Clemens Fränkel: die Brücke bei Florenz.

Eines der letzten Bilder von Clemens Fränkel: die Brücke bei Florenz.

(Foto: Thomas Steppan)

Doch die Hoffnung auf ein unbelastetes Leben hält nicht lang, auch wenn es Fränkel 1943 mit einer Identitätskarte als italienischer Bürger noch einmal gelingt, nach Florenz zu reisen. Dort entstehen seine letzten Bilder, darunter die "Die Brücke bei Florenz" , ein erschreckend fahles, bedrückendes Bild. Im Januar 1944 werden Vater und Sohn festgenommen. Während der Sohn das letzte Kriegsjahr als Zwangsarbeiter in München überlebt, wird der Vater im Februar mit unbekanntem Ziel verschleppt. Jahrelang weiß niemand, was mit ihm passiert ist. Erst nach dem Tod des Sohnes stellt sich heraus, dass Fränkel von Bozen über Trient ins größte italienische Durchgangslager Fossoli gebracht worden war. Vermutlich wurde er am 22. Februar 1944 mit 650 Leidensgenossen nach Auschwitz deportiert. Und dort, falls er den Transport überlebt hat, ermordet.

Clemens Fränkel (1872-1944). München, Garmisch-Partenkirchen, Cortina d'Ampezzo, Museum Aschenbrenner, Garmisch-Partenkirchen, bis 6. November

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