Der Betrieb des Forschungsreaktors München II (FRM II) in Garching soll von Mitte Januar an wieder normal laufen. Der Reaktor, der von der Technischen Universität (TU) München betrieben wird, hat vor kurzem vier neue Brennelemente erhalten. Damit ist ein Ende des Stillstands, der seit März 2019 andauert, in Sicht. Grund für den Stillstand war, dass Frankreich die Sondergenehmigung für den Transport der Brennelemente verweigert hatte. "Ein rein administratives Problem", wie Sprecherin Andrea Voit sagt. "Wir gehen davon aus, dass die Lieferungen in Zukunft sicher sind." Beim ersten Zyklus im neuen Jahr sollen gleich 500 Wissenschaftler mit 350 Experimenten zum Zuge kommen.
Die nach dem Kernphysiker Heinz Maier-Leibnitz benannte Forschungsneutronenquelle fährt normalerweise bis zu vier Zyklen mit je einem Brennelement im Jahr. Diese kommen aus Russland und werden in Frankreich bearbeitet. Der Forschungsreaktor ist eine der wenigen Einrichtungen, die mit hoch angereichertem Uran arbeiten, das als waffenfähig gilt. Deshalb steht er seit seiner Inbetriebnahme 2004 in der Kritik. Etwa tausend Wissenschaftler, die die Neutronenquelle für wissenschaftliche Untersuchungen nutzen, waren im vergangenen Jahr von dem Stillstand betroffen.
Ein Gutachterausschuss vergibt die Messzeiten, die zu einem Drittel Mitarbeitern der TU zustehen. Die anderen Wissenschaftler kommen aus aller Welt, wie das japanische Forscherteam, das jetzt am Biodiffraktometer forschen darf, der gemeinsam von TU und dem Forschungszentrum Jülich betreut wird. Sie erforschen die Struktur einer speziellen Chitinase, eines Eiweißes, das Chitin spalten kann, wie es etwa in Insektenpanzern, Pflanzen, Bakterien und auch bei Menschen und Tieren vorkommt. Es wird auch in der Industrie eingesetzt, um Abfälle aus der Meeresfrüchteindustrie abzubauen. Mit Hilfe von Neutronen können die Wissenschaftler die Atomstruktur des Eiweißes aufschlüsseln. Auch die Molybdän-Anlage der TU kann jetzt weiter ausgebaut werden. Das Radioisotop soll bei bildgebenden Verfahren eingesetzt werden. Die Anlage in Garching könnte einmal den "halben europäischen Bedarf" decken.
Aus für Garchinger Tandembeschleuniger:Universitäten bremsen Forscher aus
Der Tandembeschleuniger am Maier-Leibnitz-Laboratorium ist technisch auf dem neuesten Stand. Trotzdem steht die gemeinsame Anlage von TU und LMU vor dem Aus - weil das Gebäude Brandschutzmängel aufweist.
Momentan laufen noch die Vorbereitungen für den Betrieb. Das Wasser wird ins Becken eingelassen, ein Kran bringt das Brennelement unter Wasser ein. Die Kettenreaktion wird mit einer Anfahrquelle gestartet. "Das ist wie das Zündholz bei der Kerze", sagt Voit.
Der FRM II machte zuletzt nicht nur wegen fehlender Brennelemente Schlagzeilen, sondern auch wegen der Diskussion um die wasserrechtliche Genehmigung, wonach weiterhin leicht radioaktive Abwässer in die Isar eingeleitet werden dürfen. Ein Gutachten, das Bund Naturschutz, Landtags-Grüne, Umweltinstitut München und die Bürgerinitiative "Bürger gegen den Atomreaktor Garching" in Auftrag gegeben hatten, kam außerdem zu dem Ergebnis, dass der Betrieb des Reaktors illegal sei. Die Betriebsgenehmigung sei 2003 nur erteilt worden mit der Auflage, statt des hoch angereicherten Urans von 2010 an niedriger angereichertes Uran zu verwenden. Das bayerische Umweltministerium teilt dazu mit, man warte noch auf das Ergebnis eines Gegengutachtens. In einer aktuellen Stellungnahme weist das Ministerium alle Vorwürfe zurück: "Der Betrieb des Forschungsreaktors mit dem verwendeten Brennstoff ist rechtmäßig."
Nachdem das Landratsamt München inzwischen die wasserrechtliche Genehmigung um 20 Jahre verlängert hat, ist man bei der TU mit Blick auf Abwasserregelung und Brennelemente erleichtert: "Damit sind zwei große Themen des vergangenen Jahres rechtzeitig erledigt", sagt Sprecherin Voit. Das sieht Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) anders. Die Unterlagen zur Wasserrechtsgenehmigung, die am Mittwoch im Ismaninger Rathaus eintrafen, seien gleich an eine Anwaltskanzlei weitergeleitet worden. Die Gemeinde will die 84 Seiten daraufhin prüfen lassen, ob das Minimierungsgebot beachtet wurde und die geforderten technischen Alternativen. "Wir bleiben am Ball", sagt Alexander Greulich. Klagen gegen den Bescheid können bis 8. Februar eingereicht werden.