Garching/Ismaning:Legal? Illegal? Das ist nicht egal

Inbetriebnahme Forschungsreaktor FRM-II

Umstrittene Neutronenquelle: Aus dem Garchinger Forschungsreaktor FRM II der Technischen Universität- hier das Absetzbecken - wird schwach radioaktiv verseuchtes Wasser in die Isar eingeleitet.

(Foto: Frank Mächler/dpa)

Die TU will weiter radioaktives Abwasser aus dem Forschungsreaktor in die Isar einleiten. Beim ersten Erörterungstermin prallen Befürworter und Gegner mit ihren Argumenten heftig aufeinander

Von Gudrun Passarge, Garching/Ismaning

Darf Münchens Technische Universität (TU) auch künftig schwach radioaktives Wasser aus dem Garchinger Forschungsreaktor und der Radiochemie in die Isar leiten? Die TU als Betreiber des Reaktors FRM II hat beantragt, die Einleitung für die nächsten 30 Jahre zu genehmigen. Bürger, Kommunen und Verbände haben dagegen circa 1400 Einwendungen eingebracht, die derzeit bei einem Erörterungstermin in Ismaning zur Sprache kommen. Thema war beim ersten Termin am Dienstag auch die Frage, ob der Betrieb des Reaktors illegal ist, wie es zuletzt ein Rechtsgutachten festgestellt hat, das Umweltschützer und Reaktorgegner in Auftrag gegeben hatten. Ronzon Mallick vom bayerischen Umweltministerium sagte dazu, der Forschungsreaktor habe "eine bestandskräftige und rechtsgültige Genehmigung", das Gutachten werde aber gerade geprüft.

Wegen Verkehrsproblemen auf den Straßen und bei der S-Bahn kamen etliche Besucher später zum Erörterungstermin. Der Andrang fiel geringer aus als erwartet, nur wenige Stühle im Bürgersaal waren besetzt. Dafür kamen die Kritiker des Reaktors gleich zur Sache. Hauke Doerk vom Umweltinstitut München stellte den Antrag, das Verfahren pausieren zu lassen. Der Grund: Der Reaktor müsse stillgelegt werden, weil er keine Genehmigung mehr habe. Diese sei ungültig, da die Betreiber der Auflage nicht nachgekommen seien, 2010 von hoch angereichertem auf niedriger angereichertes Uran umzurüsten.

Wenn aber der Reaktor stillstehe oder umgerüstet werde, ergäben sich ganz andere Parameter für den Wasserrechtsantrag. Dem schlossen sich auch die beiden Landtagsabgeordneten der Grünen, Claudia Köhler und Markus Büchler, sowie etliche Kommunen wie etwa Ismaning, Freising und Hallbergmoos an. Büchler sprach außerdem den Umstand an, dass es momentan wegen Lieferschwierigkeiten keine Brennelemente gebe und der Betrieb stillstehe. Zudem fehlten noch Transportbehälter für die abgebrannten Brennelemente, das Lager in Garching sei aber voll. "Ein weiterer Betrieb ist nicht möglich, ganz abgesehen davon, dass er illegal wäre. Ein wasserrechtliches Verfahren ist deshalb überflüssig", so Büchler.

Das sah der Verhandlungsführer Alexander Mayer, Jurist am Landratsamt München, anders. Er betonte, dass es eine gültige atomrechtliche Genehmigung gebe, die unbefristet gelte. Das Wasserrechtsverfahren sei separat zu sehen. Das Landratsamt werde aber mit dem bayerischen Umweltministerium als Genehmigungsbehörde darüber sprechen.

Bei der Vielzahl von Einwendungen gab es eine Menge an Details, die angesprochen wurden. Reaktor-Betriebsleiter Anton Kastenmüller betonte, lediglich 0,2 Prozent des eingeleiteten Wassers seien schwach radioaktiv. Die Höhe der zugelassenen Strahlung betrage maximal 4000 Becquerel. Zur Überprüfung der Werte gebe es ein dichtes Netz an Kontrollen, betonten die Mitarbeiter der TU und ein Vertreter des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU). Die Ergebnisse seien auch auf der Internetseite des LfU abrufbar.

Die Einwender kritisierten, dass eine gehobene Erlaubnis ausgesprochen werden soll, die Privatklägern bei Streitfällen wenig Chancen verheiße. Der Freisinger Umweltreferent Manfred Drobny wollte auch wissen, wo denn das nachzuweisende Interesse der Öffentlichkeit für ein gehobenes Verfahren liege. Die TU-Vertreter verwiesen auf die zahlreichen Experimente im Reaktor, etwa tausend Wissenschaftler forschten jedes Jahr an der Neutronenquelle. Zudem habe die TU mit Staatsgeld große Investitionen getätigt. Investitionen hätten aber nichts damit zu tun, "welches öffentliche Interesse besteht, diesen Dreck in die Isar einzuleiten", konterte Christine Margraf, stellvertretende Landesbeauftragte des Bundes Naturschutz. Sie verwies auf das Minimierungsgebot bei Strahlung und forderte, Alternativen zu prüfen.

Auch die Dauer von 30 Jahren stieß auf Kritik. Die Vertreter der Kommunen plädierten wie Freising, Eching, Hallbergmoos und Ismaning längstens auf zehn Jahre, um dann technische Verbesserungen vorzunehmen. Garching forderte eine Beschränkung auf 20 Jahre. Es wurden noch viele Sachthemen diskutiert, etwa die Zusammensetzung der Radionuklide, die Auswirkungen von Bioziden im Kühlwasser, die Art und Weise, wie Fische aus der Isar gefangen und beprobt werden, die Vorbelastung durch Kläranlagen an der Isar. Doch am liebsten wäre es den meisten Einwendern, wenn der Antrag abgelehnt würde. Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) kritisierte am Rande, hier werde mit zweierlei Maß gemessen. Er bezog sich auf umfangreiche Auflagen, die Ismaning bei der Erweiterung seiner Kläranlage erfüllen musste. Auch die TU müsse das radioaktive Abwasser nicht in die Isar leiten. Es sei "schlichtweg nur der Versuch, Geld zu sparen, denn die Technik gibt es". Wie auch Manfred Drobny aus Freising erinnerte Greulich daran, dass die Isar ein wichtiger Erholungsraum sei. Die Erörterung wird am Mittwoch, 24. Juli, öffentlich fortgesetzt.

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