Garching:Higgs, Quarks und Sticks

Mehr als 11 000 Menschen kommen zur Langen Nacht der Wissenschaft und lernen, was die Welt zusammenhält

Von Alexandra Vettori, Garching

Mit Kind, Hund und Kegel sind sie wieder in das Forschungszentrum Garching gekommen, 11 000 Besucher hat Andreas Battenberg, Sprecher der Technischen Universität, am Ende gezählt. Erstmals war kein Tag der offenen Tür, sondern eine lange Nacht der Wissenschaft ausgerufen, bis 24 Uhr konnten Besucher Forschung und Lehre mit hohem Unterhaltungswert genießen.

Der erste Gang führt viele zu den Mathematikern, die lassen sich, so ist bekannt, stets Spannendes einfallen, kämpfen sie doch gegen den üblen Ruf ihrer Materie. Diesmal ist es eine "Stick-Bomb". Lange, jägerzaunartig zusammen gesteckte Ketten aus dünnen Holzspateln, die unter Spannung stehen. Zieht man ein Stöckchen raus, kracht das Gebilde auseinander, sich aufbäumend wie eine Kobra. "Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, habe ich mir gedacht, Mist, dass ich nicht selbst darauf gekommen bin", erzählt Matheprofessor Jürgen Richter-Gebert und erklärt: "Das ist eine Spielerei, aber mit mathematischem Hintergrund. Der hat seine Anwendung zum Beispiel in der Architektur, wo wir genau das Prinzip der Stick Bomb nicht haben wollen." 50 000 Holzspateln liegen am Samstag bereit, Studenten, Helfer und Besucher basteln eifrig, in den zweiten Stock hinauf soll die Schlange laufen, bis zur Explosion gegen Mitternacht.

Wie jedes Jahr ist auch diesmal das ufo-artige Gebäude der Europäischen Süd-Sternwarte, ESO, Ziel vieler Besucher. 350 Wissenschaftler arbeiten hier, Verwaltung inklusive, weitere 400 sind in Chile beschäftigt. Für die lange Nacht der Wissenschaft hat man extra eine Liveschaltung zum dortigen Paranal Observatorium eingerichtet. Viel Lob bekommt der neue Erweiterungsbau, ein preisgekrönter Satellit, mit weiten Fensterfronten, zu erreichen über verglaste Gänge auf Stelzen. Nebenan ist auch schon die Baugrube des geplanten Besucherzentrums zu sehen. Mitte 2017 soll die "ESO Supernova" fertig sein, mit 3-D-Planetarium,14 Meter hoher Kuppel, 110 Plätzen, 2400 Quadratmetern Ausstellungsfläche.

Lange Nacht der Wissenschaften, Forschungscampus der TU in Garching

Auch Drohen gab es für die Besucher zu bestaunen.

(Foto: Florian Peljak)

Dichtes Gedränge herrscht auch am anderen Ende des Forschungscampus, in der School of Engineering, wo sonst die Excellenzcluster zusammen kommen. An diesem Samstag häufen sich auf großen Tischen Berge von Legosteinen, umringt von Kinderhorden. "Sie sollen selbst einen Detektor bauen", erklärt Pascal Scholz, Student der Elementarteilchenphysik. Er steht vor einem Modell, das ein Professor maßstabsgetreu aus Legosteinen gebaut hat, nach dem Vorbild des Detektors, der im Forschungszentrum Cern bei Genf steht, 40 Meter lang ist und die kleinsten Bausteine des Universums aufspürt. Nach dem Sinn gefragt, antwortet Scholz, "damit kann man versuchen, zu verstehen, was die Welt im Inneren zusammen hält". Atome sind es jedenfalls nicht, längst hat man kleinere Teilchen entdeckt, die Protonen im Atomkern sind es auch nicht, man kennt schon eine Substruktur, die Quarks. Das Higgs-Boson war vor einigen Jahren das letzte Elementarteilchen, das man fand, zu tun gebe es für Studenten wie ihn aber noch viel, sagt Scholz lächelnd, "jetzt gilt es diese Theorie zu erweitern".

Und während draußen ein Saxophon vom Open-Air-Festival Garnix ertönt, sich lange Schlagen vor den Halloumi-Burgern und Asia-Köchen bilden, stellt ein paar Häuser weiter der Leiter des Staatlichen Bauamts München II, Interessierten den Masterplan für den Forschungsstandort vor. Nächster Neubau ist das Zentrum für Energie und Informatik, Thema: Energiewende. Kommendes Jahr folgt die neue Mensa, gleich hinter dem Bestandsbau, der erst abgerissen wird, wenn die neue Mensa funktioniert. Architekt ist Andreas Meck, erste Kostenschätzungen gehen von 45 Millionen Euro aus.

Lange Nacht der Wissenschaften, Forschungscampus der TU in Garching

Große Begeisterung herrschte bei der Langen Nacht der Wissenschaft in Garching beim Forschungsflugsimulator des Lehrstuhls für Flugsystemdynamik.

(Foto: Florian Peljak)

In Zukunft ist ein Entlastungsbau für die Physiker geplant, damit deren finsterer Backsteinbunker saniert werden kann. Und bald folgt der erste Baustein für die Fakultät für Elektrotechnik, die aus München nach Garching verlagert wird. Die Entwicklung schreitet rasant voran.

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