Süddeutsche Zeitung

Garching:"Astronomie ist der Feger schlechthin"

  • Am Samstag eröffnet in Garching das astronomische Erlebniszentrum Supernova.
  • Im Planetarium mit seiner 14 Meter großen 360-Grad-Kuppel können jeweils 110 Besucher wie in einem Raumschiff durch das Universum gleiten.
  • In dieser Art sei das Zentrum weltweit einzigartig, sagt Lars Lindberg Christensen, Eso-Pressesprecher. "So ein Projekt gibt es nur einmal im Leben."

Von Gudrun Passarge, Garching

Weltraumspaziergänge im Münchner Norden: Am Samstag eröffnet in Garching das astronomische Erlebniszentrum Supernova. Die von einer Stiftung finanzierte Ausstellung der Europäischen Südsternwarte (Eso) wendet sich an Kinder genauso wie an Hobbyastronomen. Die Eso rechnet mit 50 000 bis 200 000 Besuchern im Jahr. Sie können auf 2200 Quadratmetern Ausstellungsfläche mehr über den Urknall erfahren, viel über die Technik der Astronomie lernen oder im Planetarium mal eben zum Jupiter fliegen. In dieser Art sei das Zentrum weltweit einzigartig, sagt Lars Lindberg Christensen, Eso-Pressesprecher. "So ein Projekt gibt es nur einmal im Leben."

Die Eso wird von 15 Staaten getragen und bezeichnet sich selbst als die führende europäische Organisation für astronomische Forschung; ihr Hauptsitz ist in Garching. Die Eso-Supernova ermöglicht hat der Initiator Klaus Tschira, der nur den Spatenstich 2015 noch miterlebte und kurz darauf starb. Der Mitbegründer des Softwarekonzerns SAP hatte die Vision, ein Zentrum zu schaffen, um seine Leidenschaft, die Astronomie, einem breiten Publikum auf hohem Niveau nahezubringen. Seine Stiftung finanzierte das Gebäude für einen zweistelligen Millionenbetrag, nach unbestätigten Schätzungen sollen es etwa 30 Millionen Euro gewesen sein. Schon das Gebäude der Architekten Bernhardt und Partner aus Darmstadt zeigt, was die Besucher erwartet: Das Haus symbolisiert ein Doppelsternsystem, bei dem der eine Stern dem anderen Masse abzieht, bis es zum gewaltigen Knall kommt, der Supernova eben, die heller strahlt als alle Sterne der Milchstraße zusammen.

Im Planetarium mit seiner 14 Meter großen 360-Grad-Kuppel können jeweils 110 Besucher wie in einem Raumschiff durch das Universum gleiten. Nach Angaben der Eso ist es das größte geneigte Planetarium in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Besucher können auf Anfrage Shows in 40 Sprachen erleben. Zu Beginn der Ausstellung im Welt-Raum, so heißt der Bereich gleich neben dem Foyer, kann der Besucher unter einer Glaskuppel nicht nur 22 Sternbilder der Südhemisphäre sehen, sondern er ist auch umgeben von der Milchstraße - die richtige Einstimmung für das 255 Meter lange Band, das durch die Ausstellung führt. In diesem Welt-Raum soll es wechselnde Ausstellungen geben, Konzerte oder andere Veranstaltungen. Wer mag, kann ihn auch mieten.

Das Konzept des Hauses wurde vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien und der Eso gemeinsam erstellt. Es gibt Seminarräume für Tagungen und Workshops für Kindergartenkinder genauso wie für Abiturienten, auf der Dachterrasse können Himmelsbeobachtungen stattfinden, es gibt einen Picknickbereich und eine Terrasse im Untergeschoss zum Ausruhen. Für die zwölf Themen der Ausstellung haben deren Macher Tafeln gestaltet, interaktive Konsolen gebaut, Modelle geordert. Auf den Tafeln erklären sie, was Astronomie ist, was die Erde so speziell macht, und sie fragen, ob wir allein im Universum sind.

Für Kinder gibt es extra eine gelbe "Aha-Sprechblase", die den Sachverhalt allgemein verständlich erläutert. Die Texte stammen vom Wissenschaftsautor Govert Schilling. Tania Johnston, die Koordinatorin der Eso-Supernova, erzählt, wie die Fachleute mit jedem einzelnen Wort gerungen hätten. Die Texte sollen informativ, aber eben auch verständlich sein. Nun gibt es vier Ausführungen jeweils auf Deutsch und Englisch: für Kinder, allgemeines "Infotainment", dann den Bildungslevel und schließlich noch vertieftes Wissen an Bildschirmen. Alles wurde mehrmals gegengelesen und von Wissenschaftlern überprüft.

Die Eindrücke der Ausstellung sind vielfältig. Schon zu Beginn werfen die Besucher einen Blick auf München und Garching aus der Vogelperspektive, und die meisten werden wohl versucht sein, ihr Wohnhaus in dem Dächergewimmel zu identifizieren. Ein Höhepunkt für die Kinder ist der Zwei-Kilogramm-Test: Hier kann jeder selbst versuchen, wie leicht zwei Kilogramm auf dem Merkur zu stemmen sind und wie schwer auf dem Jupiter, wo sie gut das Doppelte wiegen. "Kinder lieben dieses Exponat", berichtet Johnston. Interessant ist auch die Ecke der Ausstellung, die der Atacama-Wüste in Chile gewidmet ist. Dort stehen die Teleskope der Eso, auch das ELT (Extremely Large Telescope) soll dort in den kommenden Jahren aufgebaut werden. Es wird das größte Teleskop der Welt sein, seine Größe vergleichbar mit der der Fußballarena in Fröttmaning.

Schon einige Schülergruppen haben die Garchinger Supernova besucht - und auch deren Workshops. Wolfgang Vieser unterstützt Johnston seit März als Bildungskoordinator des Zentrums. Der Physiklehrer berichtet von der Begeisterung der Schüler: "Astronomie ist der Feger schlechthin". Vieser sagt, die Workshops sollten auch evaluiert werden, um die Kleingruppenarbeit zu verbessern. Davon profitierten auch die Schulen, zumal da auch eine Lehrerfortbildung angeboten wird. Auch Kindergartenkinder sind bereits viele angemeldet, wie Johnston berichtet. Wenn es nach ihr geht, sollten alle Kinder kommen und denken: "Okay, vielleicht könnte ich Astronom werden."

Die neue Supernova wird am Samstag, 28. April, um 12 Uhr eröffnet. Öffnungszeiten sind von Mittwoch bis Freitag, 9 bis 17 Uhr, am Samstag und Sonntag jeweils von 12 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, Tickets sollten zuvor online gebucht werden. Karl-Schwarzschild-Straße 2 in Garching. Die Station der U 6 Garching Forschungszentrum ist fußläufig zu erreichen.

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SZ vom 27.04.2018/huy
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