Ganztagsbetreuung in München:Kosten und Mühen

Eltern wollen mehr Ganztagsschulen

Für Eltern ist es häufig nicht leicht, das richtige Betreuungsangebot für den Nachmittag zu finden.

(Foto: dpa)

Die Betreuung nach Schulschluss stellt viele Eltern in München vor ein großes Problem: Während einige Ganztagsangebote an Gymnasien gratis sind, zahlen Eltern für Hausaufgaben- oder Nachmittagsbetreuungen schon mal mehr als 1000 Euro pro Schuljahr. Aber warum stellen die Schulen dann nicht einfach auf ein Ganztagsangebot um?

Von Melanie Staudinger

Sind unsere Kinder im achtjährigen Gymnasium zu gestresst? Und würde eine Verlängerung auf neun Jahre das Abitur erleichtern? Christine Berg kann die leidige Debatte nicht mehr hören. Natürlich mache auch sie sich Gedanken, ob sich ihre Kinder an der Schule wohlfühlten, dass sie nicht überfordert seien und ausreichend Freizeit hätten. Im normalen Alltag aber stellten sich doch viel drängendere Probleme, sagt die Mutter von zwei Kindern. Die Nachmittagsbetreuung am Gymnasium zum Beispiel. Bei all den berechtigten Diskussionen um Krippen- und Kindergartenplätze, um Ganztagsklassen in Grundschulen und Horte hat es dieses Thema noch nicht so wirklich in den Fokus der Öffentlichkeit geschafft.

Zu Unrecht, findet Berg, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Sie habe bisher 5000 Euro bezahlt für die Nachmittagsbetreuung ihrer Kinder. Und erst vor kurzem gemerkt, dass es auch kostenlos gegangen wäre. Nicht an ihrer Schule, aber an anderen Gymnasien.

Die Gymnasiallandschaft in München mit den staatlichen und städtischen Schulen ist vielfältig - und undurchsichtig. Eltern sollten bei der Anmeldung für die Fünftklässler in der kommenden Woche darauf achten, welches Angebot ihre Wunschschule bietet. Handelt es sich um eine offene Ganztagsschule oder gebundene Ganztagsklassen, bezahlen die Eltern nichts. Gibt es hingegen eine Hausaufgaben- oder Nachmittagsbetreuung, können 1000 Euro und mehr im Schuljahr fällig werden. "Das führt zu sozialen Schieflagen", sagt Berg.

Der Freistaat kann nur elf gebundene Ganztagsklassen in München vorweisen

Die Frage, woran die ungleiche Situation an Münchens Gymnasien liegt, ist im dichten Geflecht der verschiedenen Zuständigkeiten nicht so leicht zu beantworten. Fakt ist, dass die städtischen Schulen beim Blick auf die Zahlen des Bildungsreferats besser abschneiden. Im offenen Ganztagsangebot, das Unterricht am Vormittag und eine Betreuung am Nachmittag bietet, gibt es an den 14 städtischen Gymnasien 137 Gruppen, an den 24 staatlichen lediglich 68. Während die Stadt 42 Ganztagsklassen mit rhythmisiertem Unterricht, also abwechselnden Lern- und Entspannungsphasen am Vormittag und am Nachmittag, eingerichtet hat, kann der Freistaat an seinen Schulen nur elf dieser gebundenen Ganztagsklassen vorweisen.

Die Stadt ist stolz auf ihre Bilanz, hat sich Stadtschulrat Rainer Schweppe den Ganztagsausbau doch ganz oben auf seine Prioritätenliste geschrieben. Seine Schulen bekommen zusätzliche Lehrerstunden, die Schweppe aus seinem Etat bezahlt. Als Sachaufwandsträger ist die Stadt aber auch für die räumliche Ausstattung an staatlichen Gymnasien verantwortlich. Und da fühlen sich die Einrichtungen vernachlässigt. "Die Einführung eines gebundenen Ganztagsangebots setzt ein entsprechendes Raumkonzept an der Schule voraus, was Rückmeldungen zufolge eines der Hauptprobleme beim weiteren Ausbau an staatlichen Gymnasien darstellt", sagt Ludwig Unger, Sprecher im Kultusministerium. Ressortchef Ludwig Spaenle (CSU) betont, dass er jeden Antrag genehmige, sofern er denn welche bekomme.

Am Luisengymnasium ist der Nachmittag verpflichtend. Kein Schüler geht heim

Doch das Interesse der Direktoren ist offenbar gering - für die staatlichen Gymnasien habe die Stadt bisher nur vier gebundene Ganztagsangebote beantragt, für das Gymnasium in Trudering, das Asam-, das Erasmus-Grasser-und das Klenze-Gymnasium. Für Spaenle ist die Stadt in der Pflicht: Sie müsse die erforderlichen Räume zur Verfügung stellen.

Ein Ganztagsangebot kann sich Marianne Achatz derzeit nicht vorstellen. Schon jetzt muss die Direktorin des Schwabinger Gisela-Gymnasiums zwei Klassen im Keller unterbringen, weil es nicht genügend Zimmer gibt. Im kommenden Schuljahr werden es sogar drei sein. "Ich wüsste nicht, wo ich Ganztagsschüler unterbringen soll", sagt Achatz. Weil der Bedarf an Betreuung nach Schulschluss in ihrem Viertel aber groß sei, können 60 Schüler die Nachmittagsbetreuung besuchen. Finanziert wird das Angebot vom Förderverein. Um alle Kosten zu decken, müssen die Eltern aber zwischen 270 und 295 Euro pro Halbjahr zuschießen - je nachdem ob sie vier oder fünf Tage bis 16.30 Uhr buchen.

Solche Nachmittagsgruppen existieren auch am humanistischen Maximiliansgymnasium, das sich ebenfalls in Schwabing befindet. Gegründet in den Neunzigerjahren hätten sich diese bewährt, sagt Schulleiter Hans Orgeldinger. Nach dem Mittagessen machen die vielen Fünft- und Sechstklässler sowie einige Siebtklässler in der stillen Stunde ihre Hausaufgaben. Danach stehen Abfragen und Wiederholen auf dem Stundenplan. Über die offene Ganztagsschule habe er durchaus schon nachgedacht, sagt der Direktor. Damit würden sich die Eltern bis zu 1200 Euro im Jahr sparen. "Von den räumlichen Möglichkeiten sind wir aber nicht für den Ganztag ausgestattet", sagt er. In den Siebzigerjahren sei seine Schule letztmals grundlegend saniert worden.

G8 ist nur als Ganztagsschule sinnvoll

Mit Raumproblemen hat auch Reinhard Duetsch zu kämpfen. Seit einem Jahr verhandelt der Direktor des städtischen Heinrich-Heine-Gymnasiums mit dem Bildungsreferat über einen Erweiterungsbau. Das Projekt Ganztag hat er vor ein paar Jahren trotzdem gewagt. Mitten in Neuperlach hat Duetsch es mit Familien zu tun, in denen beide Eltern arbeiten müssen. Er wollte die Kinder vom Fernseher und Computer wegholen und machte das offene Nachmittagsangebot für die fünften und sechsten Klassen verpflichtend. "Nur so kommen Sie an die Familien ran, die sich sonst nicht kümmern würden", sagt er. Und das achtjährige Gymnasium sei ohnehin nur als Ganztagsschule sinnvoll. Dass er einen Vorteil gegenüber den staatlichen Schulen habe, sei ihm bewusst: "Wir bekommen deutlich mehr Personal."

Als staatliches Gymnasium ist das Michaeli-Gymnasium in Berg am Laim vor drei Jahren von einer Hausaufgabenbetreuung auf die offene Ganztagsschule umgestiegen. "Bei den Eltern gab es eine große Nachfrage", sagt der stellvertretende Schulleiter Ulrich Zangenfeind. Gerade Kinder mit Migrationshintergrund könnten so besser gefördert werden. Kernstück sei die Hausaufgabenbetreuung, danach könnten die Schüler wählen zwischen Sport-, Spiel-, Kunst- oder Musikgruppen. Die gebundene Ganztagsschule traut er sich noch nicht zu. Die Schule befindet sich seit drei Jahren in der Umbauphase. Es herrscht Platzmangel.

Der ist am städtischen Luisengymnasium in der Maxvorstadt mittlerweile fast behoben. Die Schule bietet bis einschließlich zur achten Klasse den gebundenen Ganztag an - der Unterricht ist auf Vormittag und Nachmittag verteilt, dazwischen finden sich Entspannungsphasen. Vor neun Jahren startete das Gymnasium. "Wir sind von Anfang an förmlich überrannt worden", sagt Direktorin Luitgard Vonbrunn. Der große Unterschied zum offenen Angebot: Am Luisengymnasium ist der Nachmittag verpflichtend - kein Schüler geht mittags heim.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: