Landshut:"Es gilt einen Schatz zu heben"

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Als besonders publikumswirksam eingestuft in der geplanten Inszenierung des Ganslbergs ist die Kugelhalle, hier während einer Ausstellung im Vorjahr. Fritz Koenig errichtete sie 1969, als er an der "Große Kugelkaryatide", besser bekannt als "The Sphere" arbeitete. (Foto: Peter Litvai)

Der Ganslberg, die Wohn- und Arbeitsstätte des Bildhauers Fritz Koenig, könnte als multimediales Künstlerhaus wiedereröffnet werden - daran lässt das Ergebnis der Machbarkeitsstudie keinen Zweifel. Jetzt fehlen nur noch Käufer und Betreiber.

Von Sabine Reithmaier, Landshut

Billig wird es nicht, aber möglich ist es schon: die Wiederbelebung von Fritz Koenigs Ganslberg als multimediales Künstlerhaus. Daran lässt der Abschlussbericht der Machbarkeitsstudie keinen Zweifel. Das Szenario "Erlebnis Ganslberg" basiert auf der Ideenskizze des Filmemachers und Koenig-Freundes Percy Adlon und will die Lebenswelt des Bildhauers (1924 - 2017) für ein breites Publikum in jeder Altersgruppe erfahrbar machen. Weniger positiv klingt jedoch ein anderes Ergebnis der Untersuchung: Der Bildhauer ist derzeit zu wenig bekannt, um mehr Besucher nach Landshut zu locken, auch wenn er "der bedeutendste Interpret des Holocausts in der deutschen Kunst" ist, wie Eike D. Schmidt, Direktor der Uffizien, schreibt.

Publik gemacht hat die umfangreiche Studie der Kunsthändler und Ausstellungskurator Alexander Rudigier, der die Expertise mitfinanziert hat und sich seit langem für den Erhalt des Ganslbergs engagiert. Koenigs Arbeits- und Wohnstätte, unweit von Landshut in der Gemeinde Altdorf gelegen, steht seit dem Tod des Bildhauers leer. Seither wird über ihre Zukunft debattiert. Eigentümer ist die Fritz- und Maria-Koenig-Stiftung, die den Nachlass des Künstlers verwaltet. Sie ist auch die Auftraggeberin der Machbarkeitsstudie. Vergeben wurde der Auftrag im Juni 2021 an die Münchner Actori-Strategieberatung für Kultur, Bildung und Entertainment; begleitet wurde der Prozess von einem Lenkungsausschuss, in dem neben Rudigier als Vertreter der "Weggefährten" Koenigs auch die Bürgermeister Alexander Putz (Landshut) und Sebastian Stanglmaier (Altdorf), Dirk Blübaum und Stefan Kley von der Landesstelle für nichtstaatliche Museen, der stellvertretende Stiftungsgeschäftsführer Alexander Sapojic, Tobias Kurzmaier sowie Wolfgang Conrad vom Freundeskreis Fritz Koenig sitzen.

Auch Wohnhaus und Atelier gehören zum Gesamtkunstwerk Ganslberg. (Foto: Eberhard Mestwerdt)

Insgesamt hat Actori drei Szenarien für eine museale Erschließung entwickelt: Modell 1 ist das bereits erwähnte "Erlebnis Ganslberg", ein Gesamtkunstwerk aus Landschaft, Architektur, Kunst und Tieren. Neben der audiovisuellen Belebung durch Adlons Filme sieht es eine Wiederbestückung des gesamten Areals mit Skulpturen und Artefakten Koenigs vor. Eine besondere Rolle spielt in der geplanten Inszenierung neben Wohn- und Atelierhaus die Kugelhalle, von Koenig 1969 am Fuß des Ganslbergs eigens für die Große Kugelkaryatide errichtet. "The Sphere", nach der Katastrophe von 9/11 beschädigt aus den Ruinen von "Ground Zero" geborgen und als Mahnmal im New Yorker Liberty Park aufgestellt, ist längst zu einer weltberühmten Ikone geworden.

Ein Archivfoto, das die "Große Kugelkaryatide" vor der Werkhalle zeigt und ihre Größe erahnen lässt. (Foto: Archiv Mayr)

Die Investitionskosten für das Erlebnis Ganslberg beziffert Actori derzeit mit 6,6 Millionen Euro. Den Betriebskostenzuschuss setzt das Unternehmen mit 653 000 Euro an, da den angenommenen 62 000 Euro Einnahmen 715 000 Euro an Ausgaben entgegenstehen. Die Besucherzahl ist mit knapp 10 000 eher niedrig kalkuliert.

Das zweite Szenario nennt sich "Artist meets Artist". Nach dem Vorbild der Villa Massimo oder der Villa Aurora fungiert der Ganslberg als genius loci für andere Künstler, letztlich ein Artist in Residence-Projekt. Die dritte Variante, das "Skulpturenforum" , stellt Koenig in einen Dialog mit anderen Bildhauern. Schwerpunkt könnten beispielsweise Bildhauerpositionen der Fünfziger- bis Siebzigerjahre sein. Gemeinsam mit dem Koenigmuseum könnte sich der Ganslberg so als ein "Zentrum für Skulptur" etablieren. Der Vorteil dieser Variante, die betriebswirtschaftlich am schlechtesten abschneidet: Durch Symposien und Ausstellungen könnte es gelingen, Koenigs Bedeutung der Kunstwelt wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Bedeutend, aber nicht bekannt

Nach seinem "Senkrechtstart" (Schmidt) in den Sechzigerjahren besaß Fritz Koenig zwar großes internationales Renommee - das belegen nicht nur die Zahl der Ausstellungen, sondern auch die Ankäufe großer Institutionen bis in die Siebzigerjahre. Doch nachdem sein New Yorker Galerist George Staempfli - er hatte Koenig 1967 den Auftrag für "The Sphere" vermittelt - im Jahr 1988 seine Galerie aufgab, war der Bildhauer auf internationalen Ausstellungen nicht mehr vertreten, geriet langsam, aber sicher in Vergessenheit. Eine Wiederbelebung läuteten erst die Ausstellungen in den Uffizien - die Retrospektive 2018 in Florenz zählte 1,2 Millionen Besucher - und New York (2021) ein. Doch um den Bekanntheitsgrad des Bildhauers zu steigern, müsse Koenig in der kunsthistorischen Debatte aktiv verortet, sein Werk laufend wissenschaftlich aufgearbeitet und erforscht werden, stellt die Studie fest. Diese Aufgabe habe das Koenig Museum als Zentrum des Nachlasses zu leisten.

Ein Betreiber ist noch nicht in Sicht

Die Studie ist in vielerlei Hinsicht sehr ergiebig, bietet eine Fülle von Fakten, Fallbeispielen, Hochrechnungen, analysiert akribisch, welche Werke die größte Strahlkraft für die künftigen Besucher haben - erwartungsgemäß sind das "The Sphere" sowie die Werkgruppe der Epitaphe. Doch eine konkretere Planung kann erst erfolgen, wenn Träger und Betreiber gefunden sind. Und davon fehlt im Moment jede Spur. Weder die Koenig-Stiftung noch die Stadt Landshut oder die Gemeinde Altdorf, auf deren Gebiet der Ganslberg liegt, sehen sich in der Lage, das Projekt finanziell zu schultern. Bleiben noch, zählt Actori auf, Freistaat, Bund, Bezirk Niederbayern oder die Bayerische Schlösserverwaltung.

"Es gilt einen Schatz zu heben"

Niederbayern besitzt bislang nur ein einziges Künstlerhaus, die Arche Heinz Theuerjahr im Bayerischen Wald. Der Ganslberg wäre das zweite. Um das Projekt zu verwirklichen, sieht Kurt Faltlhauser den Freistaat in der Pflicht. Der ehemalige Finanzminister ist sich sicher, dass trotz der Ausgaben durch Corona genügend Geld vorhanden ist, um das Anwesen zu erwerben. In einem Brief an den ehemaligen Kunstminister Bernd Sibler hatte er im Herbst 2021 dafür plädiert, den Kauf und die weitere Finanzierung des Projekts aus den Mitteln des Grundstockvermögens zu bewerkstelligen, eine "ziemlich einfache Sache", wie er findet. Kurz zuvor hatte bereits die Stiftung Sibler das Objekt zum Kauf angeboten und vorgeschlagen, ihrerseits einen großen Teil des Verkaufserlöses in die Wiederbelebung des Ganslbergs zu stecken. Auch Eike Schmidt verweist in seinem Brief vom Januar 2022 noch einmal auf Faltlhausers Vorschlag, empfiehlt zudem, das Anwesen als Tagungsstätte zu nutzen, etwa für Treffen der Direktoren der internationalen Holocaust-Gedenkstätten und -museen. Die Antwort von Sibler war allerdings eher unverbindlich, er verweist auf die Zuständigkeit der Verantwortlichen vor Ort, da es sich beim Ganslberg um Stiftungsvermögen handelt und das Koenig Museum ein nichtstaatliches Haus sei.

"Das Konzept liegt jetzt vor", sagt Rudigier. Er und die anderen Ganslberg-Unterstützer, darunter Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden oder der Historiker Michael Wolffsohn, sind der Meinung, jetzt sei der Freistaat an der Reihe. Das sah Eike Schmidt in seinem Appell an Sibler nicht anders: "Es gilt einen Schatz zu heben. Bayern hat ihn in der Hand. Geben Sie ihn nie wieder her!"

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