Wenn ein Kollege in ein neues Büro wechselt, ist das ein Anlass, um mit den künftigen Ex-Kollegen essen zu gehen. Es geht dann zum Griechen oder zum Italiener. Dort sitzt man um einen runden Tisch und gibt dem scheidenden Mitarbeiter Wünsche, Ratschläge oder Seitenhiebe mit auf den Weg - je nach Bedarf. Zwischendrin schaut man auf eine Speisekarte und trifft die kleinen Entscheidungen des Lebens. Als ich das erste Mal bei so einem Essen dabei war, bestellte ich mir Rigatoni mit einer Rahmsoße und Kaninchenfleisch, die große, teure Portion.
Wenn die Menschen ihre Arbeit niederlegen, steigen kleine Gemeinschaftsfeste. Anlass für Büro-Chill-outs kann die Beförderung eines Kollegen sein, Taufen oder Einschulungen lassen Familien in die Gasthäuser strömen. Ob formal oder mündlich, ob lange geplant oder ganz spontan: Wenn man nicht selbst einlädt, steht man eben auf der Gästeliste.
Neue Heimat:Männer, seid stolz auf eure Wampe
Erst einen Ranzen antrinken, dann abtrainieren - warum eigentlich? Wo ein umfangreicher Bauch ein Statussymbol sein sollte, findet unser Kolumnist. Eine Hommage an den Bierbauch.
Die Zeit in einem Lokal ist der Höhepunkt fast aller großen und kleinen Feste. Aus manchen Einladungen - vor allem den spontanen - geht zwar nicht hervor, auf welche Art von Speisen und Getränken man sich einstellen muss. Das finde ich aber in Ordnung, ist ja Sache des Gastgebers. Man muss ihn nicht erinnern, dass er seine Rolle möglichst gut spielen möge. Er ist demnach moralisch dazu verpflichtet, einen Überfluss an Getränken und Speisen zu gewährleisten. Als Gast hingegen kümmere ich mich vor allem darum, dass ich in meiner Rolle gut performe. So vermeide ich an so einem Tag jegliche Nahrungsaufnahme. Als vorbeugende Maßnahme nehme ich zudem Abführpillen. Nur so kann es gelingen, genügend Mahlzeiten und Drinks zu vertilgen. Alles andere wäre eine unverzeihliche Verschwendung.
Man mag das als opportunistisch oder gar verfressen abtun, doch da läge man sehr weit daneben. Schließlich entscheidet man in aller Regel nicht selbst, dass man eingeladen wird. In Nigeria sagen wir: Der Gastgeber hat volles Haar auf seinem Kopf. Jene, die mit ihm feiern, helfen ihm dabei, sein Haar loszuwerden. Sie helfen ihm, damit der Kopf leichter wird - um Platz zu schaffen, damit neues Haar wachsen kann. Im Umkehrschluss heißt dass: Je mehr Gäste ein Gastgeber durchfüttert, desto glücklicher kann er sich schätzen.
Mit diesem Wissen kam ich hier in München an. Wenn mich jemand danach fragte, ob ich Lust auf einen Kaffee oder ein Mittagessen mit ihm habe, sagte ich wie automatisch zu. Nicht, weil ich ein ruchloses Schlemmermaul bin, sondern weil man die guten Momente des Daseins doch auskosten muss. Und weil jeder mal an der Reihe ist, weil die Rolle des Gastgebers immer wieder neu vergeben wird.
Nun kamen also die Kaninchen-Rigatoni, flankiert von einem Salat und einer großen Saftschorle. Mein Sitznachbar, ebenfalls Rigatoni, erzählte mir Volksmärchen über die Hasen in Bayern. Das Kaninchen war zart, die Stimmung war ausgelassen, wir alle haben viel gelacht. Als ich am Ende jedoch mit einem dünnen Spieß meine Zähne von Kaninchenresten befreite, kam es zu einem für mich fast schockierenden Moment. Während ich noch mit dem Zahnstocher zugange war, sammelte der Kellner von meinen Kollegen Geld ein - einer nach dem anderen.
Es ist ein Irrglaube, dass der Gastgeber immer zahlt. Eine bittere Pille, die ich in meiner neuen Heimat schlucken musste. Es kann einem überall passieren. Mit Freunden und Kollegen - bei Geburtstagen und gar bei Hochzeiten. Einen Vorteil aber hat diese Sitte des Teilens: Meine akribische Vorbereitung auf eine Einladung kann ich mir nun sparen.
Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger