Altstadt:Von wegen Fußgängerzone - vormittags ist alles voller Lkw

Auf der Theatinerstraße fährt ein Transporter an einem Laster vorbei.

Es gibt kaum noch ein Durchkommen im allmorgendlichen Lieferverkehr in der Altstadt. Auf der Theatinerstraße an der Ecke zur Maffeistraße schlängelt sich ein Transporter an einem Laster vorbei.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Für Passanten bleiben rund um den Marienplatz an manchen Stellen nur noch schmale Lücken. Schuld daran ist nicht nur die Frechheit mancher Autofahrer.

Von Thomas Anlauf

Die Touristenattraktion ist zugeparkt. Ein Transporter des Baureferats steht direkt vor der Feldherrnhalle, zwei Männer klopfen neben ihrem Laster auf lockeren Pflastersteinen herum. Auch drei Autos der Stadtwerke parken dort, ein paar Transporter von Baufirmen und sogar ein privater Pkw mitten auf dem Odeonsplatz. Zehn Fahrzeuge sind es insgesamt in diesem Moment. Vormittags um kurz vor halb zehn erinnert die Münchner Fußgängerzone stark an eine Hauptverkehrsstraße.

Ein paar Schritte in Richtung Marienplatz steht ein Großlaster aus Fürstenfeldbruck, der Fahrer rollt gerade ein paar Stangen Kleidung zu Hallhuber. Ein Mann mit einem braunen Sprinter aus Rosenheim kommt wegen des Bruckers kaum durch die Lücke neben dem Laster an der Viscardigasse.

Da stehen ja auch noch andere, ein Wagen vom Rohrleitungsservice, ein Auto von Victoria House, ein Laster im Auftrag der Post, ein Münchner BMW, ein goldenes Fatbike von Rewe, ein Getränkelaster, ein Lkw vom Schilderdienst, ein Wagen von Schäfer Matten aus Gröbenzell, ein Opel aus Altötting, vier weitere Autos vor der Kunsthalle an der Theatinerstraße. Dann sind da noch zwei Kräne, die mit laufendem Motor in der Fußgängerzone stehen.

"Zwischen neun und zehn kann man sich in der Fußgängerzone nur an die Seite drücken", sagt Wolfgang Fischer, Sprecher der Händlervereinigung Citypartner. Er meint die Passanten, nicht die Autofahrer, die im Sekundentakt durch die Straße rollen. Die Autos haben am Vormittag das Terrain für sich erobert. Auch wenn es minütlich mehr Menschen werden, die zu dieser Zeit durch die Altstadt bummeln wollen.

Am Marienplatz bei der Deutschen Bank parkt eine Stunde lang ein gelber Transporter von Prosegur bei laufendem Motor. Der Fahrer futtert Obazdn aus dem Becher, während der Kollege offenbar in der Bank verschwunden ist. Die Standlfrau zwei Meter weiter schimpft. "Des is scho a Frechheit. Wennst denen sagst, sie sollen den Motor ausstellen, machen sie's ned." Die Kirschen neben dem laufenden Motor glänzen saftig, aber der Geldtransporter vermittelt das Gefühl, gerade am Autobahnparkplatz Obst kaufen zu müssen.

"Subjektiv geht's uns ganz ähnlich", sagt Fischer von Citypartner. Er spricht für die großen Händler der Altstadt und betont deshalb auch, dass Beck, Hirmer und Co. sich meist nicht über die Fußgängerzone beliefern lassen. "Die haben meist eine eigene Logistik und können von hinten über das Straßennetz anfahren." Allerdings haben er und seine Kollegen auch festgestellt, dass vor allem die Gastronomiebetriebe in der Münchner Altstadt "fast komplett auf Lieferservice umgestellt haben". So eine Bestellung funktioniert schnell und flexibel, Anruf genügt.

Natürlich gibt es beschränkte Lieferzeiten in der Fußgängerzone. Entsprechende Regelungen gibt es in München bereits seit 1974, und sie werden immer mal wieder modifiziert. Die "Altstadt-Fußgängerbereiche-Satzung" gilt für Fahrzeuge mit bis zu 7,5 Tonnen Gesamtgewicht und regelt den Lieferverkehr in der Altstadt. In den meisten Bereichen der Fußgängerzone dürfen die Kleinlaster zwischen 22.30 Uhr und 10.15 Uhr ohne Genehmigung in die eigentlich autofreien Zonen fahren, allerdings nicht in den Nächten von Samstag auf Sonntag.

Am Sankt-Jakobs- und dem Sebastiansplatz sowie dem Viktualienmarkt, der Augustinerstraße, dem Platzl und der Pfisterstraße ist die Stadt noch großzügiger und erlaubt die Einfahrt für Lieferdienste bis 12.45 Uhr. Lkw über 7,5 Tonnen brauchen grundsätzlich Sondergenehmigungen in den Fußgängerzonen.

Die Genehmigungen kosten so gut wie nichts

Zu den Lieferdiensten zählen sicher nicht Taxis und Privatautos, und trotzdem rollen um zehn Uhr zwei Taxis kurz hintereinander ohne Fahrgäste durch die Maffeistraße, um ohne Umwege zur Maximilianstraße zu gelangen. Am Marienplatz parkt gerade ein Kleinwagen aus Berlin und von der Rosenstraße biegen zwei BMW-Limousinen mit Münchner Kennzeichen und zwei sonnenbebrillten Sicherheitsleuten in den Marienplatz ein und parken 15 Minuten neben dem Hugendubel.

Dort, wo regelmäßig Münchner Verkehrsüberwacher stehen und Radfahrern Verwarnungen aussprechen, die ihr Rad nicht schieben. Die Gendarme des Kreisverwaltungsreferats sind an diesem Dienstagvormittag dort nicht zu sehen, aber innerhalb einer halben Stunde 38 Radler, die den Marienplatz überqueren. Lediglich zwei fahren, die anderen schieben.

Dafür fahren die Autos teilweise in Zweierreihen links und rechts an der Mariensäule vorbei. Es ist jetzt halb elf, seit einer Viertelstunde dürften sie gar nicht mehr dort sein - wenn sie keine Ausnahmegenehmigung haben, mit denen die Fahrer auch außerhalb der Lieferzeiten in den Fußgängerzonen herumfahren dürfen.

Solche Genehmigungen kann man sich problemlos mit zehn Tagen Bearbeitungszeit beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) besorgen, sie kosten so gut wie nichts. Die jährliche Verwaltungsgebühr für Transporter unter 7,5 Tonnen kostet 60 Euro, bis zu einem Monat 30 Euro. Ein Schwerlaster über 7,5 Tonnen darf mit einer Gebühr von 22 Euro plus einer täglichen Sondernutzungsgebühr von 42 Euro in die Fußgängerzone.

Im vergangenen Jahr gab es laut KVR insgesamt 334 solcher Genehmigungen für Schwerlaster. Was aber nichts darüber aussagt, ob sie lediglich an einem Tag durch die Fußgängerzone rumpeln oder an allen Werktagen. Die Zahl dieser städtischen Genehmigungen für Schwergewichte hat sich in den vergangenen fünf Jahren fast halbiert, 2013 waren es noch 628 Zufahrtserlaubnisse für Großlaster.

Das könnte die Beobachtung von Wolfgang Fischer stützen, dass die Zulieferer immer mehr auf kleinere Lieferfahrzeuge setzen, die dafür viel häufiger in die Altstadt fahren, um ihre Waren abzuliefern oder sonstige Arbeiten zu erledigen.

So wie der Augsburger Handwerker, der am Dienstagvormittag mitten auf dem Marienplatz parkt. Seine Beifahrerin mit rosa gefärbten Haaren steigt aus, trägt die gefüllte Einkaufstüte einer Modekette in der Hand und verschwindet im Gewimmel der Fußgängerzone.

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