Fußballer-Familie Bierofka:Die Bierofkas und der TSV 1860: "Immer unter der Stadionuhr"

Fußballer Daniel Bierofka (Sohn) und Willi Bierofka (Vater) auf dem Trainingsgelände des TSV 1860 an der Grünwalder Straße

Daniel (l.) und Willi Bierofka auf dem Trainingsgelände des TSV 1860 an der Grünwalder Straße.

(Foto: Florian Peljak)

So unterschiedlich sie sind, ihr Leben gehört einem Fußballverein: Willi Bierofka und sein Sohn Daniel haben sich als Fans, Spieler und Trainer den Löwen verschrieben.

Von Gerhard Fischer

Willi Bierofka hatte mal Max Merkel als Trainer. Fußballfans, die nach 1975 geboren sind, können mit dem Namen Merkel vielleicht nichts mehr anfangen. Sie müssen wissen: Gegen Merkel war Werner "Beinhart" Lorant ein Weichei und Felix "Quälix" Magath ein Waisenknabe.

Bierofka erzählt also vom ersten Training mit Max Merkel im Sommer 1974: "Am Ende des Trainings mussten wir zwei 400-Meter-Läufe machen - mit Medizinbällen unter den Armen." Merkels Befehl hatte unerfreuliche Folgen. "Viele Spieler mussten sich übergeben", sagt Bierofka, "die sind zum Kotzen auf die Wiese."

Willi Bierofka, 64, war Spieler und Trainer beim TSV 1860 München. Sein Sohn Daniel war Spieler und ist Trainer beim TSV 1860 München.

Daniel Bierofka, 37, hat die Löwen im Sommer 2016 vor dem Abstieg gerettet und ist vor Weihnachten noch einmal als Profi-Trainer eingesprungen - allerdings bloß für drei Spiele. Er besitzt noch keine Fußballlehrer-Lizenz. Deshalb trainiert er jetzt die zweite Mannschaft des TSV 1860 in der Regionalliga.

Daniel Bierofka hat am Nachmittag Training, er hat daher vorgeschlagen, sich mittags beim Italiener am Trainingsgelände zu treffen. Willi Bierofka ist von Feldmoching, wo er aufgewachsen ist und heute noch wohnt, an die Grünwalder Straße herübergefahren.

Willi Bierofka ist zurückhaltend, fast scheu. Er redet leise, manchmal lächelt er, wenn er Geschichten von früher erzählt, wie die von Merkel. Er sei schon in Rente, sagt er, als er sich an den Tisch setzt. Vorruhestandsregelung. Bierofka hat zuletzt bei der Sparkasse in Haimhausen gearbeitet. Fehlt ihm was? "Mir geht's sehr gut", sagt er, "es ist auch immer was zu tun - ich kümmere mich um unser Haus und um Daniels Häuser, und um die Enkel. Und ich schaue hier oft beim Training zu."

Dann kommt sein Sohn dazu. Was an Daniel Bierofka sofort auffällt, sind seine stahlblauen Augen. Terence Hill hatte auch solche Augen, aber bei ihm kam später heraus, dass er blaue Kontaktlinsen trug. Daniel Bierofka wirkt anders als sein Vater. Er trägt einen wilden Bart und spricht viel schneller. Er redet so, wie er früher gespielt hat: ungestüm, emotional, immer offensiv. Daniel Bierofka war Linksaußen, erst am Ende seiner Karriere wurde er ins defensive Mittelfeld gestellt. Von seinem Schwung hat das nichts genommen, aber vielleicht hat es sein Denken beeinflusst. Auf der Sechs spielen die Strategen. Und als Trainer muss man Stratege sein.

Im Hause Bierofka drehte sich schon immer alles um Fußball. Willis Vater war Amateurspieler bei der SpVgg Feldmoching - und zur rechten Zeit Fan des TSV 1860: In den Sechzigerjahren, als die Löwen in der Bundesliga spielten und einmal Meister wurden, ging er ins Stadion - und nahm Sohn Willi mit. "Wir standen immer an der gleichen Stelle", erzählt Willi Bierofka, "immer unter der Stadionuhr: Mein Vater, ich und der beste Freund meines Vaters." Er kann sich nicht mehr an sein erstes Spiel im Grünwalder Stadion erinnern, aber er weiß noch, dass er dabei gewesen ist, als die Löwen den HSV 9:2 geschlagen haben. Das war in der Meistersaison 1966. Willi Bierofka war damals 13.

Als er 16 war, wechselte er von Feldmoching zum FC Bayern, schaffte aber nicht den Sprung zu den Profis. Also ging er zum SC Fürstenfeldbruck in die Bayernliga - und von dort 1973 zu den Löwen. Max Merkel machte den Stürmer zum Verteidiger, und Bierofka spielte in der Abwehrkette mit den Recken Hartmann (Tor), Scheller, Glavović und Kohlhäufl. Bei Glavović, genannt "Mister gelbes Karton", besagt die Legende, dass er 1860 und Deutschland verließ, als Spielsperren wegen mehrerer gelber Karten eingeführt wurden; von Kohlhäufl heißt es, dass er mit seinem harten Schuss eine Kuh hätte umballern können, was er vermutlich nie getan hat. Ach ja, und es gab mal einen Fanklub mit dem schönen Namen "Kohlhäufls Töchter".

Karriereende nach großem Verletzungspech

Und woran denkt man beim Spieler Willi Bierofka? An den blonden Schopf, der damals so gut zum hellblauen Trikot der Löwen passte und sich mittlerweile verflüchtigt hat, und an sein großes Verletzungspech. Mit 26 Jahren musste er seine Karriere wegen eines Knorpelschadens im Knie beenden. "Heute könnte man das problemlos operieren", sagt er, "aber damals war es das Aus." Man hat schon das Gefühl, dass er das schade findet. Aber verbittert klingt er nicht.

Er ist dann Trainer bei Amateurvereinen geworden, beim TSV Schwabhausen und bei der SpVgg Feldmoching, und er ist in seinen alten Beruf zurückgekehrt: Er wurde wieder Bankkaufmann. Auf den Fußballplätzen rund um München war dann bald der einzige Sohn dabei, Daniel. "Die Mutter und der Opa waren auch da, und ich hatte da immer meinen eigenen Ball dabei und habe gebolzt", erzählt Daniel Bierofka. "Für mich gab's nichts anderes als Fußballspielen."

Willi Bierofka übernahm immer bessere Mannschaften, den SC Fürstenfeldbruck und den TSV Eching - und landete 1988 schließlich beim TSV 1860 München in der Bayernliga. Er ist keiner, der viel von sich aus erzählt, auch hier sagt er bloß, es sei die Zeit unter der Präsidentin Lilo Knecht gewesen; und nach eineinhalb Jahren sei wieder Schluss gewesen - was ganz schön lange war, bedenkt man, wie schnell die Löwen ihre Trainer feuern.

Willi Bierofka hat dann irgendwann aufgehört mit dem Trainerjob - wegen Daniel, der mittlerweile Bundesliga-Spieler geworden war. "Ich weiß noch, wie ich Trainer in Ismaning war und Daniel war mit Bayer Leverkusen beim FC Bayern im Olympiastadion", erzählt Willi Bierofka. "Ich spielte mit Ismaning gegen Unterhaching II und konnte Daniel deswegen nicht zusehen - da habe ich gedacht, jetzt muss Schluss sein. Ich wollte Daniels Laufbahn mitkriegen."

Daniel Bierofka hat für Bayer Leverkusen, den TSV 1860 und VfB Stuttgart in der Bundesliga gespielt. Bei 1860 traf er auf Trainer Werner Lorant. Der Name weckt bei ihm nicht die schlimmen Assoziationen wie Max Merkel bei Willi Bierofka. "Ich bin Lorant dankbar - er hat mir die innere und äußere Härte beigebracht", sagt Daniel Bierofka. "Den Biss."

Apropos Biss. In Stuttgart hat er unter Giovanni Trapattoni trainiert, dem sympathischen Italiener mit dem lustigen Deutsch. "Einmal wollte er uns verdeutlichen, dass Mentalität auch Qualität schlagen kann", berichtet Bierofka, "und er erzählte uns, dass er als aktiver Spieler mal gegen den legendären Pelé spielen musste." Bierofka lächelt. "Er hat dann gesagt: ,Pelé war wie eine Violine und ich war wie ein Hund'. Er meinte damit, man müsse bissig sein."

Daniel Bierofka hat drei Länderspiele gemacht, aber irgendwann stockte die Karriere. Auch bei ihm waren es Verletzungen. Er musste zwar nicht aufhören wie der Vater, aber behindert hat es ihn schon, dass er so oft verletzt gewesen ist. Mehrmals war es die Bandscheibe - und in seiner Stuttgarter Zeit hat er sich mal einen Knöchelbruch zugezogen und musste zwölfmal operiert werden. Wenigstens ist er mit dem VfB Meister geworden. 2007 war das.

Danach ist er zu 1860 zurückgekehrt. Und wurde dort zentraler defensiver Mittelfeldspieler. "Guardiola war auch ein Sechser", sagt Daniel Bierofka. "Je älter ich wurde, umso mehr habe ich darüber nachgedacht, wie ein Training gestaltet wird, wie die Philosophie des Trainers ist." 2014 beendete er seine Spielerkarriere, übernahm die Jugend und dann die zweite Mannschaft der Löwen. So bald als möglich will er mit der Ausbildung zum Fußballlehrer anfangen - danach kann er nämlich auf Dauer einen Profiverein trainieren.

Muss die Akademisierung des Fußballs sein?

Natürlich spricht er mit seinem Vater über Taktik, Spielformen, Menschenführung, auch wenn sich das Trainer-Sein in den letzten Jahrzehnten fundamental geändert hat. Zu Willi Bierofkas Zeit gab es Manndeckung, eine einzige taktische Formation, und wenn man Ausdauer trainierte, dann nicht mit dem Ball, höchstens mit dem Medizinball.

Heute ist der Fußball bei jeder Übung dabei, man wechselt ständig die taktische Aufstellung, es gibt eine falsche Neun, eine kippende Sechs, vertikale Pässe, Umschaltspiel, Pressing, Raumdeckung und Mannschaften, die gegen den Ball verteidigen. "Ich kann da nicht mehr mitreden", sagt Willi Bierofka, aber sein Sohn widerspricht ihm. "Er ist schon mitgewachsen", sagt Daniel Bierofka. "Und ich kann mit ihm darüber reden, mit welcher Taktik eine Mannschaft spielt, die wir im Fernsehen sehen."

TSV 1860 München - SV Wehen Wiesbaden

Daniel Bierofka war als Spieler dynamisch, emotional, immer offensiv.

(Foto: dpa)

Daniel Bierofka redet über seine "Philosophie" - er bevorzugt eine Mischung aus spanischem und deutschem Spielstil, was zu weit gehen würde, das hier auszuführen. Aber es bleibt festzuhalten, dass er von Philosophie spricht, wenn es um seinen Spielstil geht, und dass er Fremdwörter gebraucht. "Implementieren" ist so eins: Spielformen werden implementiert.

Rangnick und Tuchel reden auch so. Überfordert man die Spieler nicht manchmal damit, dass man den Fußball akademisiert? Dass man tausend Spielformen einübt und spricht, als wäre man an der Uni? Bierofka lächelt. "Da müsste man die Spieler fragen", sagt er, "aber vermutlich würden die es einem Journalisten auch nicht sagen, wenn es so wäre."

Daniel Bierofka redet nicht nur mit seinem Vater über Taktik, er spricht auch viel mit Günther Gorenzel-Simonitsch, der bei den Löwen das Nachwuchs-Leistungszentrum aufgebaut hat - und er guckt sich bei den aktuellen Koryphäen um. "Drüben an der Nebenstraße laufen ja sehr gute Trainer rum." Er meint den FC Bayern an der Säbener Straße, wo zuletzt van Gaal, Heynckes und Guardiola wirkten.

Für einen Moment wird Daniel Bierofka unsicher. Das hat mit der simplen Nachfrage zu tun, ob er denn beim FC Bayern beim Training zugeschaut habe. Er antwortet zögerlich mit Ja, und dann beginnt er, sich zu rechtfertigen - vermutlich hat er Angst, es käme bei den Hardcore-Löwen nicht gut an, wenn sich der eigene Trainer beim Feind aufhält, um sich weiterzubilden.

Aber die Löwen haben ja jetzt Vítor Pereira, der schon mal den FC Porto trainiert hat. "Ich freue mich wahnsinnig, dass er da ist", sagt Daniel Bierofka und lacht. "Da muss ich vielleicht gar nicht mehr so oft zu den Bayern rübergehen."

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