Süddeutsche Zeitung

Fußball:Rassismus auf dem Rasen

Auf dem Platz sind alle gleich? Der Schauspieler Charles M. Huber will farbige Fußballspieler beraten, die Opfer von Diskriminierungen werden.

Philipp Crone

Als er Adebowale Ogungbure zuschlagen sah, war seine Entscheidung gefallen. Charles M. Huber hatte im Fernsehen gesehen, wie der nigerianische Fußballspieler Ogungbure vom FC Sachsen Leipzig seinem Gegenspieler Andriy Zapyshnyi ins Gesicht schlug. Zapyshnyi hatte ihn zuvor verbal provoziert.

Huber fand es zudem ungerecht, dass Ogungbure später für vier Spiele gesperrt wurde, Zapyshnyi aber nur 300 Euro zahlen musste. Huber beschloss, eine Beratungsagentur für diskriminierte farbige Fußballspieler zu gründen.

Er ist genau der Richtige dafür. Davon ist Schauspieler Huber überzeugt. Bevor er erklärt, warum das so ist, bereitet Huber alles gut vor: Er sitzt in einem Café in der Leopoldstraße, klappt ein schwarzes Notizbuch auf und legt es neben sich auf das rote Leder der Sitzbank. Er hat sich aufgeschrieben, was er unbedingt sagen muss.

Huber zieht den Unterteller seiner Espressotasse zu sich, reißt mit den Zähnen ein streichholzgroßes Zuckertütchen auf und lässt den Zucker in seinen Espresso rieseln. Er rührt um, trinkt einen Schluck, lässt sich Zeit. Dann kann es losgehen: Er erklärt sein Projekt.

In Berlin, München und Köln will er Büros einrichten und sich von dort aus in ganz Deutschland Fußballvereinen als Berater für ihre Spieler zur Verfügung stellen. Gerade beim Fußball gibt es viele diskriminierende Zwischenfälle, mehr als in anderen Sportarten, sagt er. Deshalb Fußball. ,,Alle, mit denen ich gesprochen habe, finden die Idee hervorragend'', sagt Huber.

Das seien unter anderem der FC-Bayern-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, Spieler Torben Hoffmann von 1860 München und Martin Steinmeier von der Sportmarketing-Agentur Infront. Er habe auch schon mit der Stadt München gesprochen, die würde ihm eventuell kostenlos Räume zur Verfügung stellen. In Berlin habe er schon eine Zusage für ein Büro. Die Vereine müssten nur seine Spesen und das Honorar übernehmen.

Huber ist bekannt. 125 Folgen als Inspektor Henry Johnson in der Krimiserie ,,Der Alte'' haben ihn zu einem Prominenten gemacht. Nicht nur in Deutschland. Auch in Afrika, seiner zweiten Heimat. Eigentlich in allen 120 Ländern, in denen die Serie ausgestrahlt wird. Auch hier in der Münchner Bar drehen sich die Köpfe der Gäste oft in seine Richtung.

Huber setzt die Espressotasse auf die Untertasse, nimmt seine schwarze Mütze ab, legt sie neben das Notizbuch und beugt sich über den Tisch. Er komme mit Sicherheit an die Spieler heran. ,,Ich weiß, wie das geht.'' Er werde von den Spielern nicht als Fremder wahrgenommen, verstehe deren Probleme, auch weil er die gleiche Herkunft habe.

,,Ich bin ein Psychologe''

In Hubers Leben gibt es zwei Heimaten. Zum einen Bayern, die Herkunft seiner Mutter, zum anderen den Senegal, die Heimat seines Vaters, was auch seinen zweiten Vornamen Mohammed, den er mit M. abkürzt, erklärt. Seine Biografie ist so besonders, dass er ein Buch darüber geschrieben hat. Der Titel: ,,Ein Niederbayer im Senegal''. Geboren und aufgewachsen ist er in Niederbayern bei seiner Oma. Zur Schule ging er in München, brach sie aber vor dem Abitur ab.

Er wollte reisen, besuchte zum ersten Mal als Teenager seinen Vater im Senegal. Zurück in München, machte er eine Ausbildung zum Zahntechniker. ,,Um etwas in der Hand zu haben'', habe er die Lehre gemacht. Zur Schauspielerei kam er durch Zufall, die Rolle bei ,,Der Alte'' war sein Durchbruch, als erster farbiger Kommissar der deutschen Fernsehgeschichte. In wenigen Tagen wird Huber 50 Jahre alt. Er lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in München, ist aber mindestens fünfmal im Jahr in Afrika. Ein Leben mit Doppelheimat.

Huber streckt den rechten Arm aus, nach hinten und zur Seite, legt ihn auf die Rückenlehne seiner Bank. Wenn er von seinem Leben spricht, fällt häufig das Wort ,,bikulturell''. Er kenne sich eben in beiden Kulturkreisen sehr gut aus. Genau deshalb könne er den farbigen Spielern in Deutschland helfen.

,,In dieser Hinsicht bin ich ein Psychologe, und zwar der beste.'' Die psychische Stabilität eines andersfarbigen Fußballers könne nur er verbessern. Das schaffe kein Psychologe.

Thomas Graw, Sportpsychologe des VfL Bochum und Ansprechpartner für Mitglieder der Vereinigung deutscher Vertragsfußballspieler (VDV), sieht das etwas anders. Der 41-Jährige begrüßt zwar Hubers Idee einer Beratungsagentur. Die Problematik der diskriminierten farbigen Spieler sei ja offensichtlich. Und Lösungen für das Thema hat auch der VDV. ,,Wir versuchen, über Fanprojekte Aufklärung zu erreichen'', sagt Graw. Allerdings traut er sich und seiner Zunft durchaus auch zu, auf der anderen Seite zu helfen und für farbige Spieler mentale Hilfestellung zu leisten. Als Psychologe des VDV ist er für alle Spieler in Deutschland zuständig. Sein Problem: Es komme nie jemand auf ihn zu.

Vielleicht kommt ja jemand auf Huber zu. Vielleicht gerade jetzt. Die Anfeindungen gegenüber farbigen Spielern nehmen zu. Auch Nationalspieler Gerald Asamoah vom Bundesligisten FC Schalke 04 musste darunter leiden. Er wurde bei einem Pokalspiel mit Affenrufen begrüßt, Ogungbure vom FC Sachsen Leipzig wird in der Oberliga Nordost permanent angefeindet. Das hat Folgen für die Spieler. Sie leiden unter den Schmähungen.

Manche Folgen sind offensichtlich. Man sieht sie auf dem Platz. Denn die Leistung der Spieler leidet auch darunter. Für den Kölner Sportpsychologen Lothar Linz, Betreuer verschiedener Mannschaftssportarten, eine logische Konsequenz: ,,Ein Teil der Aufmerksamkeit des Spielers richtet sich auf das, was von außen kommt: die Anfeindungen. Dieser Teil der Konzentration fehlt dem Spieler dann auf dem Platz. Er macht mehr Fehler.'' Außerdem sind die Spieler oft durch rassistische Schmähungen emotional stark aufgewühlt, sagt der 41-Jährige. Das Ergebnis sei Aggression oder Angst. Beides schadet dem eigenen Spiel.

Solche Vorfälle scheinen sich seit der WM im Sommer zu häufen. Deshalb legt Huber jetzt los. Schon in der kommenden Woche wird er an alle Bundesligavereine, die farbige Spieler in ihrem Kader haben, schreiben und seine Beratung anbieten. ,,Ich bin nicht zögerlich, stehe dann bereit für Anfragen'', sagt er.

Die Beratung könnte so aussehen, dass Huber maximal alle zwei Wochen einen Spieler für ein Gespräch aufsucht. Allerdings wolle er permanent am Telefon zur Verfügung stehen. Durch seine Bekanntheit und Herkunft hofft er, schnell eine Vertrauensbasis herstellen zu können. Nur wenn die Spieler von ihren Problemen erzählten, könne man ihnen helfen.

Vom Erfolg überzeugt

Hubers Ziel ist es, dass Spieler mit Anfeindungen souverän umgehen, im besten Fall nicht mehr darauf reagieren. ,,Was mache ich, wenn mir jemand eine Banane hinwirft? Ich hebe sie auf und esse sie.'' Ließen sich Spieler nicht mehr provozieren, liefe die Aggression ins Leere und werde irgendwann aufhören, ist seine Theorie.

Er spricht ruhig und langsam. Ab und zu wirft er einen kurzen Blick in seine Aufzeichnungen. Er klingt von seiner Idee überzeugt. ,,Alles, was ich bisher in die Hand genommen habe, war erfolgreich'', sagt er, und fügt dann lachend hinzu: ,,Nur der Abstecher in die Gastronomie hat nicht funktioniert.'' Zunächst will er die Agentur allein stemmen, hofft aber, dass er bald Hilfe braucht. Sein Projekt werde sich herumsprechen und ihm so auch Mitarbeiter bescheren.

Der Deutsche Fußballbund hat auch wegen der ständigen Diskriminierung farbiger Spieler eine Task Force eingerichtet. Vereinen, deren Fans mit rassistischen Parolen auffallen, drohen Geldstrafen, Spiele vor leeren Rängen, Punktabzüge. Huber will bei den Spielern ansetzen: ,,Jeder, dem ich das erzähle, ist dabei.'' Vielleicht auch bald Ogungbure.

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