Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Hilfe für die Flüchtlingskinder in der Funkkaserne

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Von Thomas Anlauf, München

Die brisanten Zustände in der staatlichen Flüchtlingsunterkunft in der ehemaligen Funkkaserne haben die Regierung von Oberbayern nun zum Handeln bewegt. 230 Menschen sind dort derzeit untergebracht. Am Dienstag sicherte die Behörde zu, die Lebensverhältnisse insbesondere für die 85 Kinder, die mit ihren Familien in der "Anker-Dependance" am Frankfurter Ring unter extremen Bedingungen leben müssen, zu verbessern.

Es sollen etwa "keine Kinder mehr in die Bayernkaserne gefahren werden, sondern es soll ein von der Inneren Mission betriebenes ,Mini-Family-House' als Spiel- und Betreuungsangebot für Kinder vor Ort eingerichtet werden", teilte die Regierung am Dienstag mit. Auch die Zusammenarbeit mit der Inneren Mission München, die für die Betreuung der Asylbewerber zuständig ist, soll deutlich enger werden. Damit reagiert die Regierung auf SZ-Berichte, wonach 18 Familien mit zum Teil kleinen Kindern in nur neun Zimmern lebten; Spiel- und Betreuungsmöglichkeiten gibt es in der ehemaligen Kaserne kaum.

Auch die Unterbringung wurde kurzfristig etwas verbessert. Am Tag bevor sich Regierungspräsidentin Maria Els am Freitag ein Bild von den beengten Wohnverhältnissen machte, wurden innerhalb weniger Stunden 21 Geflüchtete in andere Unterkünfte gebracht. Familien mit Kindern und Babys wurden nach Informationen der SZ in die Flüchtlingseinrichtung nach Waldkraiburg gefahren. Acht Männer mussten auf den ehemaligen Fliegerhorst bei Fürstenfeldbruck umziehen. Ein Bewohner, der seit einem Jahr dort untergebracht ist, berichtet laut dem bayerischen Flüchtlingsrat, dass noch nie so viele Menschen auf einmal verlegt worden seien, seit er in der Unterkunft lebe.

Die Innere Mission reagierte erleichtert über die Zugeständnisse. Sie hatte Els am Donnerstag einen Fünfpunkteplan vorgelegt, wie die angespannte Situation in der Kaserne schnell verbessert werden könne. Andrea Betz, Leiterin der Abteilung "Hilfen für Flüchtlinge, Migration und Integration" der Inneren Mission, machte sich "große Sorgen um das Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner und um die Atmosphäre in der Funkkaserne". Die Menschen seien gestresst und frustriert, "nicht zuletzt aufgrund der unzumutbaren Bedingungen in der Einrichtung und aufgrund der teilweise langen Aufenthaltsdauer von mehr als einem Jahr".

Die Regierung will die Vorschläge der Inneren Mission "weitgehend" umsetzen. Dazu zählt, dass Familien, die länger als sechs Monate in dem "Ankerzentrum" untergebracht sind, in Gemeinschaftsunterkünfte verlegt werden. Dies gelte auch für alle, die schon länger als 18 Monate dort leben, sowie für Behinderte. Die ganztägige Betreuung im "Mini-Family-House" begrüßt die Innere Mission ausdrücklich. Vorstand Günther Bauer fordert dennoch, auf "Ankerzentren" generell zu verzichten: "Ein humanitärer Umgang mit Flüchtlingen benötigt einen persönlichen Schutzraum und mehr Selbstverantwortung. Ankereinrichtungen sind insbesondere für Kinder nicht geeignet."

Unterdessen forderten zahlreiche Stadträte am Dienstag in Dringlichkeitsanträgen Aufklärung über die Zustände in der Kaserne. Die Fraktionen der Grünen und der Linken wollen in einem gemeinsamen Antrag erreichen, dass "besonders belastete Familien aus der Funkkaserne" in städtische Unterkünfte verlegt werden. Die SPD fordert, dass Familien "umgehend adäquate Wohnmöglichkeiten sowie Spielräume, Bewegungsmöglichkeiten und Aufenthaltsräume erhalten". An diesem Mittwoch will die CSU ebenfalls einen Antrag stellen: "Wir sehen auch Handlungsbedarf", sagte der sozialpolitische Fraktionssprecher Marian Offman.

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Quelle:
SZ vom 20.03.2019
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