Wegen der prekären Unterbringung von Geflüchteten in der ehemaligen Funkkaserne ist mittlerweile auch das Staatliche Bauamt eingeschaltet, um die Unterkunft zu sanieren. Nach massiver Kritik an dem hygienischen und zum Teil menschenunwürdigen Zustand wurde in der sogenannten Anker-Dependance am Frankfurter Ring ein Aufnahmestopp verhängt. Dutzende Geflüchtete wurden in andere Unterkünfte verlegt, damit die zum Teil verschimmelten Bäder saniert werden können und mehr Platz für die dort seit vielen Monaten lebenden Menschen zur Verfügung steht.
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) soll nach SZ-Informationen nicht sehr glücklich darüber gewesen sein, aus der Zeitung darüber zu erfahren, dass Flüchtlinge in der Anker-Dependance so lange bleiben müssen. Bis vor Kurzem lebten nach Angaben des Sozialreferats dort sogar Frauen, die bereits anerkannte Asylbewerberinnen waren. Diese hat das Referat mittlerweile in eine städtische Unterkunft gebracht.
Unterbringung von Flüchtlingen:"Wir leiden an diesem Ort"
Im "Ankerzentrum" in der früheren Funkkaserne in München müssen mehrere Familien in einem Zimmer leben, Frauen sich mit wildfremden Männern einen Raum teilen. Nun wehren die Bewohner sich gegen die Zustände.
Die ehemalige Funkkaserne wird nun angeblich mit Hochdruck saniert, bislang durfte sich jedoch die Münchner Stadtspitze immer noch kein Bild von der Situation in der Flüchtlingsunterkunft machen. Stadtdirektor Sebastian Groth wird seit Wochen immer wieder auf einen späteren Besichtigungstermin verwiesen. Nun darf der Stellvertreter von Sozialreferentin Dorothee Schiwy in der kommenden Woche die Flüchtlingsunterkunft besuchen. Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) will sich Ende April ein Bild von der Lage machen. Bis dahin, so verspricht es die zuständige Regierung von Oberbayern, werde die Sanierung der Räume und die Beseitigung des massiven Schimmelbefalls in den Bädern wohl abgeschlossen sein.
Mittlerweile wurden auch mehrere Zimmer freigeräumt, in denen zuvor zum Teil mehrere Familien auf engstem Raum leben mussten. Dort soll bald ein Zimmer speziell für die Mütterberatung entstehen, die von der Inneren Mission München angeboten wird. "Dort versuchen wir in Gesprächen, mit Informationen und mit Sachspenden die Situation der Schwangeren und Frauen mit Neugeborenen zu verbessern", sagt Andrea Betz, bei der Inneren Mission für den Bereich Migration und Integration zuständig. Auch das sogenannte Mini-Family-House, ein Spiel- und Betreuungsangebot für geflüchtete Kinder und Jugendliche, soll laut Betz so bald wie möglich in einem großen Zimmer unter dem Dach des Hauses geöffnet werden.
Während sich die Regierung von Oberbayern in der Funkkaserne um Schadensbegrenzung bemüht, will sie voraussichtlich im Mai eine zweite Anker-Dependance in München eröffnen. "Die Notwendigkeit hierfür ergibt sich aus dem aktuellen Unterbringungsbedarf, der unter anderem durch die Schließung der Unterkunft auf dem Gelände der ehemaligen McGraw-Kaserne entstanden ist", teilte eine Regierungssprecherin am Donnerstag mit. Bis zu 350 Geflüchtete sollen in einer Anlage am Moosfeld in Trudering unterkommen.
Grüne, SPD und Linke wollen die "Ankerzentren" auflösen
In der Funkkaserne leben derzeit noch etwa 200 Menschen, nachdem in den vergangenen Wochen mehrere Dutzend in andere "Anker-Einrichtungen" verlegt wurden, anstatt sie in dezentrale städtische Einrichtungen zu bringen. Nun signalisieren Regierungspräsidentin Maria Els und ihr Stellvertreter Walter Jonas jedoch, künftig besser mit dem Münchner Sozialreferat zu kooperieren, wie Stadtdirektor Groth am Donnerstag im Sozialausschuss sagte.
"Wir wollen speziell über Härtefälle sprechen", so Groth. Das fordern insbesondere die Grünen im Stadtrat, aber auch SPD und Linke. Menschen mit psycho-sozialen Traumata, alleinreisende Familien mit Kindern sowie Menschen mit unterschiedlicher sexueller Identität sollten demnach möglichst aus den staatlichen Unterkünften geholt werden. Man stehe in diesem Zusammenhang mit der Regierung in gutem Kontakt, sagte der Münchner Wohnungsamtschef Rudolf Stummvoll in der Sitzung am Donnerstag. "Aber die Regierung steht unter Kuratel", so Stummvoll.
Das bayerische Innenministerium wollte sich am Donnerstag nicht zu den Vorfällen in München äußern. Ein Sprecher verwies auf die Zuständigkeit der Regierung von Oberbayern. Er betonte lediglich, dass keine weiteren "Ankereinrichtungen" in Bayern geplant seien. Zudem sagte er, dass Asylbewerber mit minderjährigen Kindern "in der Regel" höchstens sechs Monate dort bleiben sollten. Grüne, SPD und Linke im Münchner Stadtrat fordern unterdessen, die "Ankerzentren" so schnell wie möglich ganz aufzulösen. "Die Menschen dürfen nirgends menschenunwürdig untergebracht werden", sagt Grünen-Stadträtin Jutta Koller - und eine "Anker-Einrichtung" sei eine menschenunwürdige Unterbringung. Von der künftigen Einrichtung in Trudering können sich bald Stadträte und Anwohner ein Bild machen. Die Regierung von Oberbayern will dort im Vorfeld Transparenz zeigen - es soll auch einen Tag der offenen Tür geben.