Fürstenried:Mehr Grün, weniger Beton

Thalkirchner Platz, Auf die Plätze!

Zu wenig Grün: Die Bürger wollen, dass der Thalkirchner Platz so gestaltet wird, dass die Aufenthaltsqualität steigt.

(Foto: Florian Peljak)

Bei der Bürgerversammlung für den 19. Stadtbezirk gibt es klare Mehrheiten gegen die Nachverdichtung. Der Siemens-Sportpark soll öffentlich zugänglich sein, der Münsinger Platz als Freifläche erhalten bleiben

Von Jürgen Wolfram, Fürstenried

Auf dem Münchner Südwesten lasten Verkehrsprobleme. Das zeigte sich erneut bei der Bürgerversammlung des Stadtbezirks Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln. Etwa 420 Besucher, 30 Anträge, und die meisten davon zu diversen Malaisen auf Straßen und Plätzen sprechen eine deutliche Sprache. Auswege aus diesem Dilemma soll ein Verkehrskonzept aufzeigen, das "in Kürze" vorgelegt wird, aber schon jetzt leidenschaftliche Plädoyers für eine "aktive, ehrliche Bürgerbeteiligung" auslöste. Eben daran zweifelt der Verein Verkehrsberuhigung München erheblich. Seine Sprecher forderten eine "Bürgerwerkstatt zur Meinungsbildung" und die Chance, nicht nur mit dem Bezirksausschuss (BA), sondern auch mit der Stadtverwaltung "wirklich ins Gespräch zu kommen". Neben Verkehrsfragen kamen so ziemlich alle Süd-Standardthemen zur Sprache, vom Derzbachhof bis zum Siemens-Sportpark, von Defiziten beim Bau von Schulen bis zur Nachverdichtung.

In den Fokus gerückt sind die anschwellenden Proteste gegen eine weitere Bebauung des Münsinger Platzes in Obersendling. Mehrere Rednerinnen geißelten die Pläne des Bildungsreferats, auf dieser Grünfläche einen weiteren Kita-Pavillon zu errichten. In Zeiten zunehmender Versiegelung sei dieses Vorhaben ein Unding, aus klimatischen Gründen ebenso wie wegen der Verkehrsprobleme. Zudem sei die Freifläche zum Treffpunkt des Viertels geworden und fördere das Miteinander insbesondere von Familien.

Ein Antrag der Anwohner auf "vollständigen Verzicht einer weiteren Bebauung" des Münsinger Platzes wurde mit großer Mehrheit angenommen. Als Verbündeter zeigte sich dabei der Bezirksausschuss-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU). "Es geht nicht, dass die Stadt einfach alle Freiflächen verplant", sagte er, zumal der Stadtbezirk bis 2035 auf 117 000 Einwohner anwachsen solle. Ein Sprecher des Referats für Bildung und Sport sagte zu, die Einwände zu "behandeln". In diesem Zusammenhang ließ ein mehrheitlich unterstützter Antrag von Roswitha Wohland, Mitglied im Forum 19 sowie im Münchner Bürgerbündnis, aufhorchen. Sie forderte die Rücknahme eines Stadtratsbeschlusses vom 19. Juli 2017, der eine Reduzierung von Grün- und Freizeitflächen pro Kopf der Einwohnerschaft vorsehe.

Ein Schulterschluss zwischen Anwohnern und Bezirksausschuss zeichnet sich auch beim Siemens-Sportpark ab. Dieser müsse "ohne Einzäunung öffentlich zugänglich" gemacht werden, zudem Erholungsangebote für Ältere vorsehen, forderte ein Sprecher des Seniorenbeirats. Weidinger merkte an, er sei zuversichtlich, dass sich "die Wünsche der Bürger mit den Vorstellungen des zuständigen Referats decken". Zugleich stellte er klar, worauf der Stadtbezirk wenig erpicht sei: "Ein überörtliches Event-Zentrum brauchen wir an der Siemensallee nicht." Ähnliches gelte für ein Ikea-Möbelhaus oder einen anderen Fachmarkt am Ratzingerplatz. Dagegen spreche allein schon der drohende Zusatzverkehr. Überdies hätten in diesem Bereich andere Projekte Vorrang, beispielsweise neue Schulen. Aus dem derzeit verwaisten, weil baufälligen Real-Markt an der Machtlfinger Straße soll indes wieder ein Verbrauchermarkt werden. Leider herrschten dort "schwierige juristische Verhältnisse", erläuterte Weidinger.

Eine Konfrontation schien sich auf der Bürgerversammlung in Sachen Derzbachhof-Sanierung anzukündigen. Doch Projektentwickler Stefan Höglmaier legte lediglich in aller Nüchternheit seine Pläne für ein "identitätsstarkes Gesamtensemble" dar. Und seine Gegenspielerin und Hofnachbarin Vera Grundler ließ ihren Antrag, das Anwesen weitestgehend so zu erhalten wie es ist, vom Versammlungsleiter, Bürgermeister Josef Schmid (CSU) verlesen. Eine Mehrheit stimmte dem Grundler-Vorschlag zu. Zur Überwindung von "Diskrepanzen" rief BA-Vorsitzender Weidinger die Stadt auf, "juristisch einwandfrei festzulegen, dass der Erhalt des Derzbachhofs langfristig gesichert wird".

Ähnlich vehement forderte Weidinger die Beibehaltung des Bürgerbüros an der Forstenrieder Allee. An das Kreisverwaltungsreferat appellierte er, die Hängepartie ein für allemal zu beenden. "Nicht die höchste Sensibilität" habe auch die Autobahndirektion Südbayern an den Tag gelegt, als sie mit gigantischen Hinweisschildern die Sichtachse vom Schloss Fürstenried zur Frauenkirche blockierte.

Neue Konflikte zeichnen sich bei der Nachverdichtung in Fürstenried und Neu-Forstenried ab. Nicht nur, dass die Bayerische Versorgungskammer trotz aller Proteste 2020 mit dem Bau von 600 Wohnungen im Schweizerviertel beginnen will; es zeichnet sich neuerdings ein weiterer Schauplatz von Auseinandersetzungen ab. An der Neurieder Straße 4-12 ist seit Längerem ein elfstöckiger Wohnturm geplant, der plötzlich um weitere fünf Etagen höher werden soll. Die Bürgerinitiative (BI) Pro Fürstenried hat Bedenken angemeldet, unter anderem, weil ein derartiger Bau nicht zum Grüncharakter der Umgebung passe. Auf Antrag des BI-Sprechers Christoph Söllner wurde die Aufstockung mehrheitlich abgelehnt.

Was den Verkehr betrifft, wurde klar, dass radikale Lösungen nicht gefragt sind. So scheiterte etwa der Antrag, an der Kreuzung Liesl-Karlstadt-Straße/Forstenrieder Allee ein Linksabbiegeverbot zu erlassen und den Verkehr via Drygalski-Allee zu führen. Genügend Ja-Stimmen gab es hingegen dafür, dass zur Erhöhung der Sicherheit Fahrradmarkierungen angebracht, Tempokontrollen verschärft, Anwohnerstraßen durch Bürgersteige oder Einbahnregelungen entschärft und der öffentliche Personennahverkehr durch einen besseren Takt der S 7 zwischen Höllriegelskreuth und Hauptbahnhof gestärkt wird. Und der Thalkirchner Platz, dessen Beete ständig "in Grund und Boden getrampelt" würden, solle nachhaltig ergrünen.

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