Fürstenried:Kräfte bündeln

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Fachlich versiert, professionell und zu hartnäckigem Engagement bereit - so präsentierten sich die Münchner Bürgerinitiativen in Fürstenried. (Foto: Stephan Rumpf)

Das "Forum lebenswertes München" fordert mehr Einfluss von Bürgerinitiativen auf die Stadtentwicklung

Von Jürgen Wolfram, Fürstenried

Sie ringen um Verkehrsentlastung und besseren Baumschutz, kämpfen für den Erhalt vertrauter Gebäude und Grünflächen, wenden sich gegen eine überdrehte Nachverdichtung und Kiesabbau im Forst. Dutzende Bürgerinitiativen der Stadt, seit einiger Zeit lose verbunden im "Forum lebenswertes München", machen Front gegen die Umwandlung des "einstigen Millionendorfs" in eine lebensfeindliche, gesichtslose "Megacity". Mit Vorträgen, Diskussionen und Info-Ständen hat sich das Bündnis jetzt zum zweiten Mal im Bürgersaal Fürstenried einem breiten Publikum präsentiert. Die geballte Kraft bürgerschaftlichen Engagements nötigte selbst Bayerns Kultusminister Michael Piazolo Respekt ab. In einem Grußwort beklagte er zur Freude der Initiativen seinerseits die "steigende, maßlose Verdichtung" in München und rief dazu auf, das anhaltende Wachstum in andere Regionen des Freistaats zu lenken. Die Bevölkerung lehne eine "Zubetonierung ihrer charmanten Wohnquartiere" ab. Ohnehin wirke diese auf dem Bausektor nur preistreibend, auch wenn manche Politiker das Gegenteil behaupteten, sagte Piazolo.

Ein Kernproblem der Zukunft, da sind sich alle Bürgerinitiativen einig, sei die Bewältigung des Verkehrs. Wie man herausfinden könne aus dem "Kollaps", skizzierte Wolfgang Hesse vom Münchner Forum. Helfen würden der stickoxid-überlasteten "deutschen Stauhauptstadt" nur noch eine umfassende Verkehrswende mit klarer Priorisierung des schienengebundenen, flächendeckenden öffentlichen Nahverkehrs. Hesse hält die S-Bahn für das "Rückgrat" des ÖPNV im Großraum München, plädiert zudem dafür, in der Innenstadt die Trambahn zu favorisieren. Deren Ausbau lasse sich nicht nur wesentliche schneller bewerkstelligen, er sei obendrein deutlich kostengünstiger als neue U-Bahnen. Von Elektrofahrzeugen sollte man sich nicht viel erwarten, sagte der Professor: "Durch die gibt es keinen Stau weniger, und Parkplätze brauchen E-Autos genauso."

Über die zweite S-Bahn-Stammstrecke noch einmal gründlich nachzudenken, zählt gleichfalls zu Wolfgang Hesses Credo. Besser sei es, den S-Bahn-Südring, den Nordring und einen viergleisigen Ausbau der meisten Außenstrecken in den Blick zu nehmen, um die Pendlerströme aufzufangen. In Hesses Vision haben ferner eine "autofreie Innenstadt", Rad-Schnellwege, "begrünte Stadtteilzentren mit Boulevards" und langfristig ein Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr ihren Platz. Sein vehementes Nein gilt "weiteren Tunnels und Schnellstraßen für Autos". Starker Beifall im Saal zeigte, dass der Referent den Nerv der versammelten Bürgerinitiativen-Vertreter getroffen hatte.

Ähnliches lässt sich vom Vortrag Andreas Dorschs sagen. Der Sprecher des Bündnisses Gartenstadt führte dem Publikum anhand konkreter Beispiele vor Augen, wohin ein laxer Umgang mit dem Baurecht führt. In seiner "Auswahl an Gruseligkeiten" fehlten weder die Nachfolgebauten einstiger Kleinhäuser in der Birkenau, noch der "früher mal wirklich urbane" Umgriff der "Schwabinger 7" oder die "Welfenhöfe", die den Regerblock abgelöst haben. Dorsch macht allenthalben "Schuhschachteln ohne Fassadengestaltung" oder "Türme aus transparenten Legobausteinen" aus, wo neu gebaut wird. Nebenbei verschwinde dann jedes Mal "eine Menge Grün", beklagt er. Gerade die "Grünausstattung" sei für Großstädte in Zeiten des Klimawandels aber extrem wichtig. Dorschs Empfehlung an die Kommunalpolitik: "Den Denkmal- und Ensembleschutz restriktiver anwenden, von den Gestaltungs- und Erhaltungssatzungen mehr Gebrauch machen."

Eine Reihe von Bürgerinitiativen würde diesen Appell gern auf dem Baumschutz ausdehnen. "Wir sind unzufrieden, wie die Stadt mit Bäumen umgeht", konstatierte der Rechtsanwalt Reiner Lang. Bauherren dürften trotz Baumschutzverordnung praktisch immer zur Säge greifen, was Lang als "tragisch" bezeichnete. Dabei gebe es kaum einen besseren Klima- und Lärmschützer als alten Baumbestand. Ersatzpflanzungen seien nicht annähernd ein Ausgleich, wo dieser fällt. Lang forderte Politik und Justiz auf, das Baurecht unter Baumschutz-Aspekten "neu auszurichten". Mehr alte Bäume sollten als Naturdenkmäler ausgewiesen, die Baumschutzverordnung hinsichtlich der Ersatzpflanzungen geändert werden. Die Bürger könnten überdies gemeinsam mit Lokalpolitikern "Bäume selbst schützen", etwa durch Dokumentationen und Kontrollgänge.

Die Folgen einer "dramatischen Versiegelung gigantischer Flächen" zeigte in Fürstenried Stadtrat Tobias Ruff (ÖDP) auf. Mittlerweile gefährde diese Entwicklung die Frischluftversorgung Münchens. "Große Baugebiete wirken wie Riegel. Das führt zu Hitzestaus und letztlich zu ungesunden Lebensverhältnissen", sagte Ruff. Bürgerbegehren wie "Grünflächen erhalten" seien insofern unbedingt zu unterstützen. Auch um die Isar müssten sich die Stadtpolitiker stärker kümmern. Dem Fluss drohe bei Starkregen Verschmutzung, unter anderem durch Mikroplastik. Fachlich versiert, professionell in der Öffentlichkeitsarbeit und zu hartnäckigem Engagement bereit - so präsentierten sich die Münchner Bürgerinitiativen in Fürstenried. Gisela Krupski, Organisatorin ihrer Messe "Bürger treffen Bürgerinitiativen", gab auch gleich die künftige Richtung vor: "Wir wollen mehr Einfluss auf die Stadtentwicklung."

© SZ vom 15.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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