Zum Stichtag:Im Landkreis fehlen Krippenplätze

Obwohl von August an ein Rechtsanspruch besteht, ist das Angebot an Kleinkinderbetreuung in den Kommunen unterschiedlich. Die Einrichtungen tun sich schwer, genügend Erzieherinnen zu finden

Von Heike A. Batzer und Peter Bierl

Maisach: Krippe Maisach + 40 Jahre Kispul e. V. / Kinderkrippe

Für die Ein- bis Zweijährigen gilt seit 1. August der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz.

(Foto: Johannes Simon)

Eltern haben von diesem Donnerstag an einen gesetzlichen Anspruch darauf, ihre Kinder im Alter zwischen einem und drei Jahren in einer Krippe oder von Tagesmüttern betreuen zu lassen. In vielen Kommunen sind neue Krippen entstanden, dennoch erreichen nicht alle die angestrebte Betreuungsquote von rund 35 Prozent, im Gegenteil: In einigen Städten und Gemeinden wie Fürstenfeldbruck, Emmering, Egenhofen oder Kottgeisering fehlen Krippenplätze.

Die Gemeinde Emmering wird zum Beginn des neuen Betreuungsjahres im September zehn bis 15 Plätze zu wenig haben, rechnet Bürgermeister Michael Schanderl vor. Ein Jahr später soll ein neues Kinderhaus fertig sein, bis dahin will die Gemeinde mit den örtlichen Trägern nach Übergangslösungen für Betroffene suchen. Inwieweit diese zumutbar sind, würden dann wohl auch die Gerichte entscheiden, vermutet Schanderl. Der Bürgermeister geht davon aus, "dass sicherlich irgendwo Leute klagen werden". Auch die Stadt Fürstenfeldbruck hat ihr Krippenangebot zwar ausgeweitet, doch "wir sind noch nicht auf der sicheren Seite", räumt Oberbürgermeister Sepp Kellerer ein. Von September an fehlen dort 72 Betreuungsplätze für Ein- bis Dreijährige. Kottgeisering kann derzeit nur zwölf Plätze bieten, bräuchte aber schon jetzt 28. Auch Egenhofen verfehlt mit zwölf Krippenplätzen den rechnerischen Bedarf von 30 Plätzen.

Bis zum Herbst 2014 sollen in zahlreichen Kommunen weitere Plätze entstanden sein. Dafür erhalten die Gemeinden weiterhin finanzielle Unterstützung aus dem Sonderinvestitionsprogramm des Freistaats Bayern. Auch kleine Gemeinden wie Landsberied und Jesenwang, die bislang noch keine Kinderkrippe am Ort haben, wollen dann eigene Betreuungsplätze für die Kleinen anbieten können. Bislang mussten so manche Eltern gerade aus dem ländlichen Landkreiswesten mit einem Betreuungsplatz in einer Nachbarkommune vorlieb nehmen. Umgekehrt freilich gibt es auch Gemeinden, in denen das Angebot an Betreuungsplätzen die Nachfrage übersteigt. Wie in Gröbenzell. Dort wurden deshalb 15 Kleinkinder aus Nachbargemeinden aufgenommen. Auch die kleine Gemeinde Adelshofen verfügt zwar über 13 Betreuungsplätze. Doch nur fünf Kinder kommen direkt aus Adelshofen. Die restlichen Plätze wurden an Kinder aus den umliegenden Orten vergeben.

Erfüllt wird der neue Rechtsanspruch freilich nicht nur über Krippenplätze, sondern auch über die sogenannte Kindertagespflege. Im Landkreis sind insgesamt 43 Tagesmütter im Einsatz, sie betreuen 140 Kinder. Die Tagesmütter müssen sich vorab in 160 Unterrichtsstunden für die Aufgabe, bis zu fünf fremde Kinder bei sich aufnehmen zu dürfen, qualifizieren lassen. "Es gibt noch einzelne freie Plätze, aber insgesamt sind die Tagesmütter gut belegt", sagt Martina Pfahl vom Tageseltern-Service des Germeringer Sozialdienstes. Ob der Rechtsanspruch weiteren Bedarf generieren wird, sei noch "schwer einzuschätzen", sagt Pfahl: "Das wird örtlich wohl unterschiedlich sein."

Bei steigender Nachfrage nach Kinderbetreuungsmöglichkeiten werden die Kommunen zunehmend auch das Problem haben, überhaupt genügend Erzieherinnen und Pflegerinnen zu bekommen. "Das gestaltet sich schwierig für die Träger, weil zu wenig Fachpersonal auf dem Markt ist", sagt Klaus Winter, der Leiter des Sozialamtes von Puchheim. Die Stadt hat die Quote mit 37 Prozent, bezogen auf alle Kinder von der Geburt bis zum dritten Geburtstag, übererfüllt.

Als ein wesentlicher Grund für den Arbeitskräftemangel gilt die schlechte Bezahlung. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) liegt das Einstiegsgehalt für eine Erzieherin in Vollzeit bei 1400 Euro netto, eine Kinderpflegerin bekommt maximal 1200 Euro. Allerdings nur, wenn die Kindertagesstätte von der Kommune betrieben wird. 70 Prozent aller Einrichtungen in Bayern unterstehen jedoch privaten Unternehmen, die Gewinn machen wollen, und gemeinnützigen Trägern wie Caritas, Diakonie oder Arbeiterwohlfahrt. Dort gelten Einzelvereinbarungen und Haustarife, sagt Gottfried Kopphold, stellvertretender Landesvorsitzender der GEW. "In der Regel zahlen die weniger als die Kommunen."

Obendrein arbeiten immer weniger Erzieherinnen und Pflegerinnen in Vollzeit. Seit der Verabschiedung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG) im Jahr 2006 bekamen nach Angaben von Kopphold rund 77 Prozent des neueingestellten Personals nur noch einen Teilzeitvertrag, mit entsprechend weniger Gehalt und meist befristet. "Von dem Gehalt kann man kaum leben. Es gibt keine Sicherheit in diesem Job, sondern es handelt sich um prekär Beschäftigte", sagt der Gewerkschafter. Zu über 90 Prozent ist das Personal weiblich. Ein Effekt ist, dass ein Drittel der Berufsanfänger innerhalb von drei Jahren aufgibt, auch weil die Aussichten in anderen Branchen besser seien. Für die nächste Tarifrunde im Frühjahr 2014 verlangt Kopphold darum eine kräftige Erhöhung der Löhne. In der Pflicht seien die Kommunen und der Freistaat, der die höheren Kosten übernehmen müsse.

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