Gröbenzell:Kunstvolle Verpackungen

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Dokument der Zeitgeschichte: Die Seidenpapiere, die die Zitrusfrüchte auf der langen Reise schützen sollten, wurden zu Visitenkarten und Werbeflächen der Produzenten. (Foto: Johannes Simon)

Das Heimat- und Torfmuseum zeigt eine Ausstellung von Zitruspapieren. Irmgard Jaumann, die Mutter des neuen Museumsleiters hat sie vor 70 Jahren gesammelt.

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Es herbstelt. Und auch wenn es noch Wochen dauert, bis die ersten Zitrusfrüchte auf der Nordhalbkugel geerntet werden, ist der Termin für die aktuelle Sonderausstellung im Heimat - und Torfmuseum Gröbenzell mit dem verheißungsvollen Titel "Zitruspapiere. Wie kleine Verpackungspapiere in den Nachkriegsjahren die Sehnsucht nach dem Süden weckten" zur Einstimmung auf den Winter gut gewählt. Darüber hinaus ist es die erste Schau des neuen Museumsleiters, Michael Jaumann. Ihn haben die kunstvoll gestalteten Bilder schon als Bub fasziniert. Damals verbrachte er Stunden mit dem Blättern in der Mappe, in der seiner Mutter Irmengard, genannt Irmgard, die Papier sammelte.

"Das war damals schön bunt und es gab ja nichts anderes": Irmgard Jaumann, Mutter des neuen Museumsleiters Michael, sammelte die Zitruspapiere in ihrer Kindheit. (Foto: Johannes Simon)

"Es ist ein richtiges Familienprojekt", erklärt die 81 Jahre alte Sammlerin. Ihre Schwiegertochter, Stephanie Jaumann, hat zu ihrer Sammlung recherchiert und herausgefunden, dass die Ausstellung in Gröbenzell nicht die erste ist. Das Papiermuseum Dülmen zeigte vor einem Jahr etwa 300 Motive der bunt bedruckten, kunstvoll gestalteten Seidenpapiere. "Ich war schon als Kind von der Mappe fasziniert und hatte sowieso vor, irgendwann damit eine kleine Ausstellung zu machen", sagt Michael Jaumann. Seine Mutter hätte die Kindheitserinnerungen vermutlich längst entsorgt. Sie kann sich nur noch vage an die Zeiten erinnern, als sie etwa zehn Jahre alt war.

"Das war damals schön bunt und es gab ja nichts anderes", sagt sie In der Nachkriegszeit Ende der Vierziger-, Anfang der Fünfzigerjahre habe noch große Not geherrscht. "Das war die Zeit, wo man mit Mehlpapp geklebt hat." Sie selbst habe wohl Zugang zu Kleber gehabt, mutmaßt sie beim Anblick der 70 Jahre später noch erstaunlich gut erhaltenen Papiere. Es sind die originalen Zeichenblätter, auf die Irmgard Jaumann als kleines Mädchen die säuberlich ausgeschnittenen bunten Motive klebte - die Anordnung deutet auf eine gestalterische Ader hin, welche die Tochter des Bildhauermeister Josef Kreutz offenbar geerbt und auch an ihren Sohn Michael weitergegeben hat.

Wenn der neue Museumsleiter Jaumann die Darstellungen auf den dünnen Seidenpapierchen analysiert, steht die kunstvolle Gestaltung im Fokus. Die Muster, die Schrift, die Farbgestaltung: Da waren kunstsinnige Menschen am Werk, schwärmt er. Sven Deppisch, Vorsitzender der Gröbenhüter, die das Museum betreiben, weist darauf hin, dass die bunten Zitruspapiere in der ärmlichen Nachkriegszeit Farbe in den grauen Alltag brachten; die Werbung - und natürlich auch die wenigen Fotos in Zeitungen und Zeitschriften - war damals schwarz-weiß. Zunächst sollten die Papiere nur das Stroh ersetzen, "dann sind sie als Werbeflächen entdeckt worden", erläutert der Historiker.

Auf blauem Hintergrund und in herbstgoldenen Passepartouts gerahmt, vermitteln die bunten Darstellungen einen Hauch Vergangenheit und die Sehnsucht nach dem Süden. Da sind Firmennamen wie "Moro" in verschiedenen Designs abgebildet, Herkunftsorte wie "Catania" oder "Paterno" und unzählige, aus heutiger Sicht fragliche Motive, die das Produkt - die Zitrusfrucht - bewerben sollen. Da finden sich beispielsweise ein Pinguin, ein Nikolaus oder auch ein Schwarzer Mensch. Dass solche Darstellungen heutzutage kritisch gesehen würden, ist Deppisch und Jaumann bewusst.

Einladend: Das Plakat zur Sonderausstellung vor der Alten Schule soll viele Besucher anlocken. (Foto: Johannes Simon)

"Wir wissen auch, dass man manche Darstellungen heutzutage so nicht mehr zeigen würde oder sie befremden würden", betont der Vorsitzende. Als Historiker sehe er darin aber auch ein Stück Zeitgeschichte, daher fände er es falsch, auf solche Exponate aus politischer Korrektheit zu verzichten. "Wir zensieren uns nicht selber." Nach einer Diskussion im Vorstand habe sich der Verein lediglich entschieden, ein Schild am Eingang zu platzieren. Es weist darauf hin, dass manche Darstellungen nicht mehr zeitgemäß sind und sie auch nicht die Meinung der Gröbenhüter verkörpern. Da sie aber ein Dokument der damaligen Zeit sind, sind sie im Heimat - und Torf-Museum zu sehen.

Die Sonderausstellung "Citruspapiere. Wie kleine Verpackungspapiere in der Nachkriegsjahren die Sehnsucht nach dem Süden weckten" ist bis Sonntag, 22. Oktober, in der Alten Schule in Gröbenzell im Heimat- und Torfmuseum zu besichtigen; jeweils sonntags von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr.

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