Zehn Jahre Stadterhebung Olching:"Stadtgesellschaften besitzen ein stärkeres Selbstbewusstsein"

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Reinhold Bocklet. (Foto: Günther Reger)

Reinhold Bocklet hat Olching und Puchheim zum Stadttitel verholfen. Seine Heimatgemeinde Gröbenzell hat die Offerte abgelehnt

Interview von Erich C. Setzwein, Gröbenzell

Der Gröbenzeller Reinhold Bocklet,78, hat maßgeblich dabei geholfen, dass Puchheim und Olching den Stadttitel bekamen. Der ehemalige Staatsminister und Erste Landtagsvizepräsident erinnert sich im SZ-Interview, wie zwei Gemeinden sich für den Titel entschieden, in seiner Heimatgemeinde, der Gartenstadt Gröbenzell, sich plötzlich Widerstand entwickelte.

SZ: Herr Bocklet, war es eigentlich eine "schwierige Geburt" Olching, Puchheim und Gröbenzell zu Städten machen zu wollen? Von welchen Gedanken haben Sie sich damals leiten lassen?

Reinhold Bocklet: Historisch gesehen ging der Wunsch zur Stadterhebung von der Gemeinde Puchheim und von ihrem damaligen Ersten Bürgermeister Herbert Kränzlein aus, der fand, dass seine Gemeinde mit damals bereits über 20 000 Einwohnern im Kreis vieler anderer Kommunen deutlich unterrepräsentiert sei. Angesichts zahlreicher bayerischer Städte mit weniger Einwohnern fand ich das Argument verständlich, zumal der Status einer Stadt die Selbstbehauptung der Kommune gegenüber der übermächtigen Landeshauptstadt unterstützen kann. Oft genug hat der Status einer Stadt auch eine positive Wirkung auf das Bürgerbewusstsein in einer Kommune. Mit der Unterstützung für Puchheim stellte sich natürlich sofort die Frage nach einer entsprechenden Berücksichtigung der größeren Nachbargemeinde Olching, wo zwar in den Neunzigerjahren von einer Stadterhebung die Rede, aber eine aktuelle Debatte darüber nicht im Gange war. Meine entsprechende Nachfrage stieß bei den Olchinger Verantwortlichen auf positive Resonanz, so dass nur noch die dritte Kommune, die ich als Gröbenzeller Bürger nicht übergehen durfte, nach ihrer Einstellung zu fragen war. Nachdem auch aus dem dortigen Rathaus Interesse signalisiert worden war, nahm ich Kontakt zu Innenminister Joachim Herrmann auf. Es gab damals in der Kommunalabteilung des Innenministeriums einen gefestigten Standpunkt, keine Stadterhebungen mehr im Umfeld der Landeshauptstadt München zu unterstützen. Der Innenminister ließ sich im Lauf der Gespräche vom Gegenteil überzeugen. Dabei spielte vor allem die Stärkung der Selbstverwaltung in den drei Großgemeinden gegenüber der Landeshauptstadt eine entscheidende Rolle.

Wie haben Sie es verwunden, dass sich ausgerechnet Ihre Heimatgemeinde Gröbenzell gegen die Stadtwerdung gewehrt hat? Konnten Sie irgendein Argument nachvollziehen?

Das ist eine alte Geschichte, die schon lange abgehakt ist. Amüsant ist allerdings, dass sich Gröbenzell noch in diesem Jahr ein neues Rathaus gönnt, das an Stattlichkeit die Rathäuser der beiden Nachbarstädte sichtbar in den Schatten stellt.

Worauf sind Sie in dem ganzen politischen Prozess der Stadterhebungen besonders stolz?

Dass es dank des Verständnisses des Innenministers gelungen ist, die bürokratische Blockade der Staatsverwaltung aufzubrechen und die Stadterhebung zu einem Instrument der dynamischen kommunalen Entwicklung im Umfeld der Metropole und zur Mobilisierung bürgerschaftlichen Engagements im Innern zu machen. Man darf aber in den kurzen zehn Jahren nicht zuviel erwarten.

Zehn Jahre sind Olching und Puchheim nun schon Städte. Welchen Gewinn haben die Städte daraus gezogen?

Dass in beiden Städten bei all ihrer Unterschiedlichkeit eine spürbare Dynamik der inneren Entwicklung mit einer klaren Zielsetzung in Richtung urbanem Zentrum feststellbar und dass zusätzlicher Gemeinsinn mobilisiert worden ist. Olching und Puchheim werden heute auch von außen deutlicher und positiver wahrgenommen.

Als Kommunen in der Metropolregion sind auch Olching und Puchheim einem enormen Zuzugsdruck ausgesetzt. Tun sich Städte damit leichter, gehört das zum urbanen Image?

Stadtgesellschaften besitzen in der Regel ein stärkeres Selbstbewusstsein und nehmen solche Herausforderungen konsequenter an. Olching und Puchheim haben bisher den massiven Zuzug gut gemeistert und damit die Metropolregion beim Wohnungsbau wirksam entlastet.

Wenn Sie sich nur Olching anseh- en, mit welcher anderen Stadt, zum Beispiel in Oberbayern, wäre sie vergleichbar?

Ich sehe keine andere vergleichbare Stadt in Oberbayern.

Welche Gemeinde in der Region hätte es Ihrer Meinung als nächstes verdient, zur Stadt erhoben zu werden?

Ich kenne die einzelnen Kommunen in der Region zu wenig, um mir dazu ein fundiertes Urteil zu erlauben. Im Übrigen müsste der Wunsch nach Stadterhebung zuallererst von der Kommune selbst ausgehen. Die Stadterhebung ist ja kein staatlicher Gnadenakt. Nach der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern darf die Bezeichnung Stadt nur an Gemeinden verliehen werden, "die nach Einwohnerzahl, Siedlungsform und wirtschaftlichen Verhältnissen der Bezeichnung entsprechen".

© SZ vom 19.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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