Zar und Zimmermann:Das pralle Leben

Nach sechs Jahren Pause haben sich der Philharmonische Chor Fürstenfeld und das Akademische Sinfonieorchester München wieder an eine Oper gewagt. Mit Albert Lortzings "Zar und Zimmermann" ist den Beteiligten ein beachtlicher Wurf gelungen.

Klaus Mohr

Die Opern Albert Lortzings gehören heute nicht mehr zum Standardrepertoire deutscher Bühnen, der bedeutenden unter ihnen schon gar nicht. Bei Lortzings bekanntester Oper "Zar und Zimmermann" mag das zum einen an der zu Grunde liegenden Geschichte, die etwas konstruiert wirkt, liegen. Hinzu kommt, dass es im Genre der Spieloper, zu der "Zar und Zimmermann" zu rechnen ist, nicht ganz leicht fällt, den durch die relativ häufigen Sprechdialoge unterbrochenen musikalischen Spannungsbogen jeweils wieder aufzunehmen.

Musikalisch mag man einen weiteren Grund konstatieren: Tempo, Tonart und Charakter der Musik ändern sich, kompositorisch virtuos von Lortzing umgesetzt, oft in rascher Folge, was viel Abwechslung für den Zuhörer mit sich bringt, aber musikalisch auch sehr anspruchsvoll umzusetzen ist.

Nach sechs Jahren wagte sich der Philharmonische Chor Fürstenfeld mit dem Zaren wieder an die Produktion einer Oper. Damit lagen die Verantwortlichen goldrichtig, denn der Anteil des Chores am Geschehen ist hier ungewöhnlich groß. Für die Choreinstudierung zeichnete Thomas Gropper verantwortlich. Wie bei schon früheren Opernprojekten auch, war das Akademische Sinfonieorchester München zu hören. Die Gesamtleitung lag in den Händen der jungen Dirigentin Nazanin Aghakhani, die seit etwa eineinhalb Jahren dieses Orchester dirigiert. Für die Besucher der Premiere am Samstag war es ein in jeder Hinsicht kurzweiliger und vergnüglicher Abend.

Das hatte seinen Grund wesentlich darin, dass es dem Regisseur Dieter Reuscher gelungen war, das Geschehen auf der Bühne in Bewegung zu halten. Auch bei den ausgedehnten Chorszenen stellte sich keine Statik ein, das Publikum wurde stets ins pralle Leben mitgenommen, dramaturgische Spannungsbögen stringent aufrecht erhalten. Standbilder, die sozusagen den Rahmen markierten, gab es nur an zwei Stellen, nämlich gleich zu Beginn bei der Öffnung des Vorhangs und ganz am Schluss.

Das Bühnenbild stammte ebenfalls von Dieter Reuscher. Es bestand, neben einer Art Bühne auf der rechten Seite, nur aus wenigen, für eine Schiffswerft einschlägigen Utensilien vor einer hellblauen Rückwand. Die Kostüme, die von Beate Heinsius geschaffen wurden, lebten von der Natürlichkeit der Farben und Formen und spiegelten so den heiteren Grundton der Musik auch optisch wider.

Unter diesen Bedingungen entspann sich die Geschichte des "Zar und Zimmermann", eine Verquickung von Verwechslungen und Dummheit - mit glücklichem Ausgang. An der Spitze stand der "schwachköpfige" Bürgermeister von Saardam, van Bett, dessen mit schöner Regelmäßigkeit wiederholte Lebensweisheit "Oh, ich bin klug und weise und mich betrügt man nicht" durch vielfache Wiederholung dennoch nicht an Wahrheitsgehalt zunahm. Leider erreichte Sergio Lukovic in dieser Rolle selbst bei weitem nicht die "Präzision", die er als Protagonist seinem Chor abverlangen möchte. Auch darstellerisch blieb er blass, sieht man einmal vom ständigen Auf und Ab seiner Lockenperücke ab, die er überdies auch zur Trocknung des Schweißes auf seiner Stirn einsetzte.

Florian Kresser als Zar Peter I. und Peter Potzelt als Peter Iwanow gaben ihren Figuren ein überzeugendes Rollenprofil und schufen eine Einheit auch zu ihrer stimmlichen Darstellung. Caterina Maier konnte in der Rolle der Marie blitzschnell zwischen weichem Belcanto-Balsam, prägnantem Textparlando in raschem Tempo und einer Spur kokettem Soubrettenton umschalten. Ganz wesentlich gewann die Aufführung durch die Sopranistin Vitalität und Farbigkeit im Ausdruck.

Unterstützt und angetrieben wurde das Bühnengeschehen durch ein prächtig disponiertes Orchester, das von seiner Leiterin stets neu mit Schwung und Kraft befeuert wurde und zudem souverän mit den vielen Wechseln umzugehen wusste. Der Chor als aktives Bühnenelement und inhaltlicher Träger des Geschehens war nicht nur ein optischer Gewinn, sondern in seiner Homogenität und stimmlichen Präsenz der absolute Glanzpunkt dieser Aufführung. Eine ansprechende Einlage war der berühmte Holzschuhtanz, und bei den gefälligen Bewegungen der fünf Tanzpaare fiel es nicht wirklich ins Gewicht, dass die rhythmischen Akzente der Holzschuhe nicht immer ganz synchron ausfielen.

Es ist wohl davon auszugehen, dass die kleineren Abstimmungsprobleme zwischen Orchestergraben und Bühne bei den weiteren Aufführungen noch deutlich geringer ausfallen werden, denn jede Aufführung ist letztlich auch eine Probe für die nächste Vorstellung. Am Ende gab es zum reichen Beifall viele glückliche Gesichter: Das hatte, neben der schwungvollen Musik und den lebendigen Bildern, sicher auch damit zu tun, dass die Trennlinie zwischen unterhaltsamem Humor und billigem Klamauk in jeder Phase dieser Inszenierung nicht überschritten wurde.

Weitere Aufführungen von Lortzings Oper "Zar und Zimmermann" gibt es am Freitag und Samstag jeweils um 19 Uhr im Veranstaltungsforum; Kartenreservierung unter Telefon 08141/666 54 45.

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