Süddeutsche Zeitung

Worte zum Wachrütteln:Wann ist ein Flüchtling ein Flüchtling?

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"Winterurlauber": Landrat Thomas Karmasin hat mit seiner Bewertung von Asylbewerbern aus dem Kosovo eine notwendige Debatte ausgelöst, will man die Willkommenskultur im Landkreis erhalten.

Kommentar von Heike A. Batzer

Auf Urlaub sind sie also, die Flüchtlinge. Landrat Thomas Karmasins Einlassungen über die Motive von derzeit massenhaft nach Bayern einreisenden Kosovaren haben Empörung hervorgerufen. Zuvorderst beim politischen Gegner, der dem Landrat Polemik und das Bedienen niederer Instinkte vorwarf. Und in der Tat: Die Diktion war deutlich und man kann sich darüber streiten, ob es solch überspitzter Ausdrucksweise bedurft hätte, um auf das Problem steigender Flüchtlingszahlen aus Ländern aufmerksam zu machen, in denen es keine Verfolgung und keinen Krieg gibt.

Mit Karmasin an der Spitze, freiwilligen Helfern an der Basis und Kommunen, die zunächst ein wenig Zeit, dann sanften Druck brauchten, dann aber doch zur Kooperation bereit waren, hatte sich im Landkreis im Laufe des vergangenen Jahres eine Allianz der Hilfsbereitschaft gebildet und ein allgemeiner Konsens darüber, dass den Flüchtlingen geholfen werden muss und alle Seiten davon profitieren, wenn die Asylbewerber ausreichend Unterstützung und eine bestmögliche Behandlung in ihren Quartieren auf Zeit erfahren.

Scheinbar unbegrenzt steigende Flüchtlingszahlen könnten diesen fragilen Frieden gefährden. Und nicht, weil ein Landrat sich keine Sprachtabus auferlegen möchte und Tacheles redet. Sondern weil zu befürchten ist, dass die Menschen, die hier leben, irgendwann überfordert sein werden von dem Ansturm. Weil zu befürchten ist, dass man nicht alle Flüchtlinge ordentlich unterbringen kann. Weil zu befürchten ist, dass spätestens, wenn die erste Turnhalle für längere Zeit belegt wird und der Sportunterricht an der Schule und im Verein für Monate ausfallen muss, nicht mehr alle die Aufnahme der Neuen gutheißen werden.

Das bedeutet: Die Ankunft neuer Flüchtlinge muss weiterhin gut moderiert werden. Sie muss vor allem plausibel erscheinen. Das ist sie nicht, wenn es für die Aufnahme möglicherweise keine ausreichenden Asylgründe gibt. Dass hier neue politische Wege gefunden werden müssen, darauf hat Karmasin hingewiesen. Möglicherweise hat seine Wortwahl nicht allen gefallen. Die Botschaft aber dürfte angekommen sein.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2015
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