Die Bandbreite der Schätzungen, wie viele Windräder im Landkreis zur Umsetzung der Energiewende benötigt werden, ist groß. Experten sprechen inzwischen von bis zu 80 Anlagen. Gebaut sind bisher zwei. Wobei niemand weiß, wie viele sich noch realisieren lassen. Das geht ja nur, wenn Eigentümer ihre Grundstücke, Investoren das Kapital und Energieversorger das Leitungsnetz zur Verfügung stellen sowie Behörden die Projekte genehmigen. Mit der Energiekrise infolge des Ukrainekriegs ist laut Landrat Thomas Karmasin (CSU) die Akzeptanz für die inzwischen bis zu 250 Meter hohen Anlagen gewachsen. Dazu passt, dass für den Landkreis die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Suche nach Vorranggebieten für Windenergie angelaufen ist. Die Befürworter von Windkraft, zu denen der Geschäftsführer des Energiewendevereins Ziel 21, Gottfried Obermair, gehört, versprechen sich davon einen Schub.
Günstige Stromtarife für die Nachbarn - das wäre Bürgerbeteiligung im besten Sinn
Wie er ergänzt, sollten zum Ausgleich diejenigen, denen die Gesellschaft Windräder in der Nachbarschaft zumutet, in Form von Sondertarifen für ihren Strom profitieren. Das sei die beste Art von Bürgerbeteiligung.
Die Suche nach Vorranggebieten in der Region München und damit auch im Landkreis hat im Herbst begonnen. Sie dient der Umsetzung des Wind-an-Land-Gesetzes. Mit der Pflicht zur Ausweisung solcher Gebiete gibt der Gesetzgeber vor, in einer ersten Stufe 1,1 Prozent der jeweiligen Regionsfläche als geeignet für den Bau von Windrädern festzuschreiben. Heruntergebrochen auf den Landkreis entspricht das Flächen von etwa 4,7 Quadratkilometern. In einer zweiten Stufe sind hierfür nochmals weitere 0,7 Prozent oder drei Quadratkilometer vorzusehen.
Die Herausforderung besteht darin, Standorte zu finden, an denen ausreichend Wind weht und der Mindestabstand zur Wohnbebauung ebenso eingehalten wird wie eine Vielzahl anderer Ausschlusskriterien. In einem Ballungsraum wie der Stadt München und den umliegenden acht Landkreisen, die die Planungsregion 14 bilden, stehen geeignete Freiräume nur in begrenztem Umfang zur Verfügung. München und der Landkreis Freising können die Vorgabe gar nicht oder nur eingeschränkt erfüllen. In Freising ist das eine Folge der Auflagen für den Flughafen. Das heißt, dass im Gegenzug andere mehr schultern müssen.
Planungsverband will im Sommer Entwurf für Windenergie-Vorranggebiete vorlegen
Die Hürden sind hoch. Schließlich müssen die Festlegungen gerichtsfest sein, da mit Klagen von Kommunen, Verbänden und Einzelpersonen gerechnet wird. Zudem ist der Zeitdruck groß. Trotzdem will der zuständige Regionale Planungsverband München (RPV) bereits in diesem Sommer einen ersten Entwurf für Windenergie-Vorranggebiete vorlegen, was als ehrgeizig gilt. Mit dem Erlass einer Verordnung zur Änderung des Regionalplans könnte der Planungsprozess für die erste Stufe, also für 1,1 Prozent der Regionsfläche, dann bis zum Sommer 2025 beendet sein - was einen Windradboom nach sich ziehen soll.
Im Landkreis kann der RPV auf umfangreiche Vorarbeiten zurückgreifen. Da sind die Untersuchungen für ein interkommunales Windkraftkonzept: Als vor elf Jahren die Staatsregierung die jüngst wieder abgeschaffte 10H-Regelung einführte, bedeutete dies aber zunächst das Aus für das Konzept. Mit Einführung des zehnfachen Abstands der Höhe eines Windrads zur nächstgelegenen Wohnbebauung war das Projekt nicht mehr zu realisieren. Zudem formierte sich Widerstand in der Bevölkerung. Immerhin waren bis dahin landkreisweit mögliche Standorte erfasst und geprüft worden. Obwohl die alten Erhebungen nur noch eingeschränkt gültig sind, hat eine Reihe der Kommunen in ihren Stellungnahmen zu den Vorranggebieten an den RPV auf diese Vorarbeit zurückgegriffen. Der RPV ist bestrebt, wie dessen Geschäftsführer Christian Breu auf SZ-Anfrage erklärt, die Interessen der Gemeinden und Städte so weit wie möglich zu berücksichtigen. Die Voruntersuchungen sollen nicht für die Katz sein.
Laut Ziel 21 befinden sich zurzeit vier bis acht Windräder in der Planungsphase
Seit die 10H-Abstandsregel nicht mehr gilt, überschneiden sich zwei Entwicklungsstränge. Neben der Suche nach Vorranggebieten konkretisieren sich auch die seit Jahren zurückgestellten Planungen zum Bau weiterer Windkraftanlagen. Das liegt neben der Aussicht auf geringere Abstandsflächen zu Wohnhäusern an Planungserleichterungen und einer nicht mehr so starken Fokussierung auf den Artenschutz. Daher geht der Landrat davon aus, dass noch in diesem Jahr in seinem Amt mehrere Bauanträge für Windräder eingehen werden. Laut Obermair befinden sich zurzeit vier bis acht Rotoren in der Planungsphase. Er bezeichnet es als hilfreich, dass die Bürger aufgeschlossener seien und wegen des Ukrainekriegs mehr Autarkie bei der Energieversorgung befürworteten. "Man muss das Eisen jetzt schmieden", sagt der Landrat. Einen besseren Zeitpunkt zur Umsetzung der Energiewende werde es nicht geben.
Erneuerbare Energien:Vier weitere Windräder für Maisach
Die Stadtwerke Fürstenfeldbruck und eine Münchner Firma reichen ihre Planungen ein. Der Gemeinderat winkt sie ohne Diskussion durch.
Mit solchen Bewertungen hält sich der RPV-Geschäftsführer zurück. Auch zu den Stellungnahmen einzelner Kommunen will er sich nicht äußern. Er setzt auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Den Planungsprozess beim RPV begleitet ein Beirat, in dem Landratsstellvertreter Michael Schanderl (Freie Wähler) die Interessen des Landkreises vertritt. Schanderl ist der ehemalige Bürgermeister von Emmering. Vor elf Jahren war er als Vorsitzender des Gemeindetags im Landkreis ein Befürworter des interkommunalen Windkraftkonzepts. Er kennt also die Situation und die Vorbehalte im Landkreis.
Parallel zu den Planungen des RPV verfolgt der Maisacher Bürgermeister Hans Seidl (CSU) mit Nachdruck die Windkraftplanung seiner Gemeinde. Er hofft, bis zur Ausweisung von Vorranggebieten mit einer Änderung des Flächennutzungsplans (FNP) Tatsachen schaffen zu können. Gelinge es ihm, rechtzeitig fünf bis sechs Standorte festzuschreiben, könne der Planungsverband diese nicht mehr ausschließen. Seidl motiviert die Verantwortlichen in den Kommunen, sich selbst zu überlegen, wo sie Windräder haben wollen. Dabei sollten auch die Interessen der Nachbarkommunen berücksichtigt werden. Geschieht das, können Konflikte ausgeschlossen werden, die daraus resultieren, dass es an jedem Ort andere Befindlichkeiten gibt.
Landratsstellvertreter Schanderl hält Vorranggebiete für sinnvoll. Er weist aber auch darauf hin, dass trotzdem weiter Windräder auf anderen Flächen errichtet werden können. Allerdings schaffen Vorranggebiete eine gewisse Planungssicherheit, weil mit deren Ausweisung die baurechtliche Privilegierung von Windrädern in Außenbereichen wegfällt. Damit wird es schwieriger, außerhalb der Vorranggebiete eine Baugenehmigung für ein Windrad zu erhalten. Das soll einen Wildwuchs von Windkraftanlagen verhindern. Das war auch eines der erklärten Ziele, die Landrat Karmasin mit der Aufstellung eines Teilflächennutzungsplans Windkraft erreichen wollte.