Wie Covid 19 das Kreiskrankenhaus verändert hat:"Seitdem ist nichts mehr wie vorher"

Lesezeit: 3 min

Mitte März 2020 nimmt das Klinikum in Fürstenfeldbruck den ersten mit Corona Infizierten auf. Seither folgen 306 weitere Patienten. 39 Menschen sterben. Das Personal arbeitet bis heute nah am Limit

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Seit einem Jahr herrscht Ausnahmezustand im Kreisklinikum. Corona bestimmt den Alltag des medizinischen Personals, das psychisch wie physisch an seine Belastungsgrenze gekommen ist. Kliniksprecherin Beate Brix blickt zurück bis zum 14. März. Damals wurde im Klinikum an der Dachauer Straße der erste Covid-19-Fall zur Behandlung aufgenommen - eigentlich aufgrund einer Platzwunde. Brix: "Seitdem ist nichts mehr wie vorher."

Der März 2020 kann mithin als Zäsur für den Klinikbetrieb gelten. Nahezu alle Abläufe des Klinikbetriebs mussten an die Pandemie angepasst werden: Patienten mit Covid-19 oder dem Verdacht auf eine Infektion werden von jenen, die für geplante Behandlungen kommen, räumlich getrennt versorgt. Immer noch gilt ein behördlich angeordnetes Besuchsverbot, das nur für Ausnahmen wie Geburten oder Sterbebegleitungen aufgehoben wird. Seit Dezember können PCR-Tests von Patienten und Mitarbeitern zum Nachweis einer Infektion ausgewertet werden.

Vom 14. März bis Ende Februar 2021 wurden 307 Patientinnen und Patienten mit Covid-19 stationär aufgenommen; das Altersspektrum reichte von 21 bis 100 Jahre (Median: 65,4). Durchschnittlich blieben die Patienten 11,4 Tage im Klinikum. Auf der Intensivstation wurden 56 Patienten versorgt, 20 davon in der sogenannten "ersten Welle" zwischen März und Juli 2020. Sie waren im Schnitt 68 Jahre alt. Ihre Behandlung dort dauerte durchschnittlich 10,6 Tage (zwischen einem und 66 Tagen). Insgesamt waren 39 Verstorbene zu beklagen (12,7 Prozent), davon 23 seit Mitte Oktober. Der älteste war 100 Jahre, der jüngste 57 Jahre alt. Das mediane Alter betrug 80,8 Jahre.

Leere Betten vor der Schleuse zur Intensivstation: Zurzeit werden meist nur zwei bis vier Coronapatienten auf der Intensivstation in Fürstenfeldbruck behandelt. Doch Experten warnen vor einer dritten Welle, durch die sich die Lage sehr schnell wieder verschärfen könnte. (Foto: Leonhard Simon)

Alle Patientinnen und Patienten werden aktuell auf Sars-CoV-2 getestet, im Falle eines positiven Befundes wird automatisch das Vorliegen einer sogenannten Variant-of-Concern (VoC) überprüft - ansteckenderen Mutanten aus Großbritannien, Südafrika oder Brasilien. Im Moment liegen zwei Patienten mit solchen Diagnosen im Klinikum. Insgesamt befinden sich sechs Personen mit Covid-19 auf der Normalstation, zwei weitere werden auf der Intensivstation beatmet. Patienten, die offenbar an Covid-19 erkrankt sind, werden weiterhin getrennt von Patienten behandelt, die sich einer geplanten Therapie in anderen medizinischen Bereichen unterziehen.

Nach einem eher stockenden Start haben sich doch noch viele Mitarbeiter des Klinikums impfen lassen, bei denen zunächst offenbar die Skepsis überwogen hatte. Mitte Januar nahm nicht einmal jeder zweite berechtigte Beschäftigte aus dem medizinischen Bereich das Angebot des vom Roten Kreuz betreuten Impfzentrums wahr. Mittlerweile haben sich vier von fünf immunisieren lassen und bereits die zweite Spritze erhalten. Darüber hinaus gibt es wöchentlich freiwillige Reihentestungen der Mitarbeiter. Das Besuchsverbot, das im November 2020 aufgrund steigender Inzidenzzahlen ausgesprochen worden ist, gilt vorerst weiter. Wann Lockerungen möglich sind, werde sich erst in den kommenden Wochen entscheiden. Brix: "Seit letzter Woche können wieder geplante Operationen und auch alle Arten der stationären und ambulanten Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden." Um dies sicher zu gestalten, müssen Neuzugänge einen aktuellen negativen PCR-Test vorlegen.

Wie die Mitarbeiter bislang durch die Krise gekommen sind, lässt sich nur erahnen. Kurz vor Weihnachten hatten sie sich mit einem Appell an die Öffentlichkeit gewandt und auf ein kräftezehrendes Jahr verwiesen. Belohnung sei es immerhin gewesen, "dass wir vielen Menschen helfen konnten". Leider sei das nicht bei allen Patienten der Fall gewesen - "aber auch Sterbende zu begleiten erachten wir als eine wichtige Aufgabe in unserem Beruf." Das Team der Intensivstation äußerte damals den Wunsch, "dass wir weiterhin genügend Kraft und Behandlungsplätze zur Verfügung haben, um allen Patienten, die zu uns kommen, die bestmögliche Therapie anbieten zu können." Zeitweise waren alle elf verfügbaren Betten auf der Intensivstation belegt gewesen. Nach Auskunft der Klinikleitung wäre es im Notfall möglich, die Zahl der Intensivbetten noch etwas weiter aufzustocken - sofern genügend Fachpersonal zur Verfügung steht.

Der Ärztliche Direktor Florian Weis ist für die Intensivstation des Kreisklinikums zuständig. (Foto: Leonhard Simon)

Das Klinikpersonal appellierte in seinem öffentlichen Aufruf an die Bürger im Landkreis, die aktuell notwendigen hygienischen Verhaltensregeln zu beachten. Das sei auch eine Form der Nächstenliebe.

Was Krankenschwestern leisten, das war bereits im April am Beispiel der 20 Jahre alten Denise Walch deutlich geworden, die sich auf der Intensivstation um die Corona-Patienten kümmerte. In der SZ schilderte sie ihre Erlebnisse der ersten Wochen, in denen sich die Fachkräfte mangels Erfahrung mit Sars-CoV-2 erst an die Erkrankung herantasten mussten und bisweilen machtlos waren. Unter ihren Augen kämpften auch junge und körperlich fitte Patienten um ihr Leben. So wie ein Kollege, ein 33 Jahre alter Krankenpfleger aus Fürstenfeldbruck, dessen Fall der Spiegel nachzeichnete und der die heimtückische Infektion, die sich durch hohes Fieber und große Atemnot äußern kann, nach vierwöchiger Leidenszeit nur denkbar knapp überlebte. Mehrere Tage lang war er in ein künstliches Koma versetzt und beatmet worden.

Ähnliche Erfahrungen mit Patienten machte Denise Walch, die die ganze Bandbreite kennenlernte: Manche Patienten genesen erfreulich schnell, andere kämpfen mit gravierenden Spätfolgen, wiederum andere, bei denen auch die Medikamente nicht anschlagen, kann man letztlich nur beim Sterben begleiten und Schmerzen lindern sowie versuchen, ihnen die Angst zu nehmen. Mittlerweile haben die Ärzte Erfahrungen mit der Therapie gesammelt, etwa mit dem Einsatz von Rekonvaleszenzplasma, und verfügen über mehr Medikamente wie Remdesivir oder den Entzündungshemmer Dexamethason.

© SZ vom 08.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: