Grafrath:Versuchsgarten wird zum Walderlebniszentrum

Grafrath: Die Vorschulkinder des Kindergartens "Unterm Regenbogen" aus Emmering eröffnen mit Ministerin Michaela Kaniber (Mitte), Erzieherinnen sowie Franz-Josef Mayer (links), Leiter des AELF, und dem Leiter Siegmar Wüst (rechts) das Walderlebniszentrum.

Die Vorschulkinder des Kindergartens "Unterm Regenbogen" aus Emmering eröffnen mit Ministerin Michaela Kaniber (Mitte), Erzieherinnen sowie Franz-Josef Mayer (links), Leiter des AELF, und dem Leiter Siegmar Wüst (rechts) das Walderlebniszentrum.

(Foto: Ingrid Hügenell)

Bei der Eröffnung in Grafrath spendet Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber reichlich Lob, während der Pfarrer die Segnung zu einem Wunsch nutzt.

Von Ingrid Hügenell, Grafrath

Es sind die Worte eines Mannes, der im Jahr 1228 heilig gesprochen worden ist, die am Ende die Festgesellschaft wohl am stärksten beeindrucken. Als Pfarrer Karl Mehl aus dem Sonnengesang des Franz von Assisi rezitiert, ist es jedenfalls ganz still im Saal des Walderlebniszentrums Grafrath, das gerade offiziell eingeweiht wird. Die Segnung durch die Geistlichkeit - neben dem evangelischen Mehl der katholische Pater Flavian - , meist eine routinierte Formalität, gerät zu einer eindringlichen Mahnung für die Bewahrung der Schöpfung. Denn: "Mehr und mehr wird zerstört, was wir doch so bewundern", sagt Mehl.

Der Wald sei "zunächst einmal Wald und Gottes Schöpfung. Der Wald hat sein eigenes Recht vor Gott." Der Pfarrer setzt damit einen Kontrapunkt zum zuvor mehrfach wiederholten Leitsatz der bayerischen Forstwirtschaft: "Nützen und schützen".

Nutzen ja, aber "in aller Bescheidenheit", sagt er. Sein Wunsch: "Möge dieser Wald ein Segen sein, dadurch, dass er den Menschen die Augen öffnet" - für die fortschreitende Zerstörung der Umwelt. Denn "die Kinder sollen, wenn sie so alt sind wie wir, sagen können: Wie schön ist es, was wir sehen".

Eine Vorschulgruppe aus dem Kindergarten "Unterm Regenbogen" in Emmering zieht zu Beginn der Feier aus dem Wald in den Saal, singend zum rhythmischen Klopfen mit je zwei Hölzchen. Die Buben und Mädchen haben schon eine Stunde im Wald verbracht. Michaela Kaniber (CSU), die als Forstministerin das Zentrum eröffnet, mischt sich unter die Buben und Mädchen und spricht sie direkt an - wie schön es doch sei, dass sie den Wald mit allen Sinnen erleben könnten.

Zur Feier sind auch Vertreter der Forstverwaltung gekommen, örtliche Bundestags- und Landtagsabgeordnete, der Landrat, Grafraths Bürgermeister, die Vorsitzenden der Waldbesitzervereinigung und der Kreisbauernobmann.

Ein Ort zum Lernen ist in Grafrath entstanden, und ein Ort, um Natur zu erleben und zu genießen. Das neue Walderlebniszentrum ist das zwölfte in Bayern. Kinder und Erwachsene sollten dort ein "echtes Verständnis für die Komplexität eines Ökosystems entwickeln, das unter enormem Stress steht" - durch Hitze und Dürre infolge des Klimawandels, sagt Kaniber bei der Eröffnung.

Grafrath: Im Grafrather Wald kann man viel entdecken - auch Skulpturen von Schülern der Münchner Holzbildhauerschule.

Im Grafrather Wald kann man viel entdecken - auch Skulpturen von Schülern der Münchner Holzbildhauerschule.

(Foto: Jana Islinger)

Wichtig sei, dass die Besucher sich nicht in der digitalen, sondern in der analogen Welt bewegten. Bei der Nutzung von Internet und sozialen Medien "verlieren wir oft die Schönheit der Natur aus den Augen", mahnt sie. Wenn man dagegen mit offenen Augen und Ohren im Wald unterwegs sei, könne man intensive Erlebnisse haben.

2500 Kinder und 1000 Erwachsene hätten bisher jährlich an Programmen in Grafrath teilgenommen, 4000 Besucher seien zur Erholung gekommen, berichtet Kaniber. In ganz Bayern hätten 180 000 Menschen Führungen und pädagogische Veranstaltungen besucht. Die Waldpädagogik ist Kaniber zufolge seit 25 Jahren eine zentrale Aufgabe der bayerischen Forstverwaltung, seit 15 Jahren gibt es sie in Grafrath.

Nun, da aus dem forstlichen Versuchsgarten das Walderlebniszentrum (WEZ), der Welt-Erlebniswald oder auch das Erlebnisreich Wald geworden ist - alle drei Bezeichnungen finden sich - werden die Besucherzahlen wohl steigen.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Versuchsgarten angelegt, um die Eignung "fremdländischer" Bäume und Sträucher für Bayerns Wälder zu prüfen. Auf 34 Hektar Fläche finden sich dort nun etwa 280 Arten von Gewächsen aus Europa, Asien und Amerika

Grafrath: Die Weltkarte, aus Blattformen nachgebildet, findet sich an den Eingängen zum Waldzentrum und auch im Foyer des neuen Gebäudes.

Die Weltkarte, aus Blattformen nachgebildet, findet sich an den Eingängen zum Waldzentrum und auch im Foyer des neuen Gebäudes.

(Foto: Jana Islinger)

Vom Ballungsraum München aus ist es das am einfachsten zu erreichende WEZ Bayerns. Für Besucher, die mit der S-Bahn kommen, wurde ein zweiter Eingang angelegt, wenige hundert Meter vom Bahnhof entfernt.

Die Ministerin lobt den Vorbildcharakter des neu errichteten Gebäudes ganz aus Holz. "Es ist folgerichtig, wenn es schon im Wald steht." Das zweiflügelige Haus, errichtet in zweieinhalb Jahren, hat eine Grundfläche von etwa 530 Quadratmetern. Es wurden ungefähr 330 Kubikmeter Holz verbaut, Lehm kam ebenfalls zum Einsatz.

Grafrath: Das neue Hauptgebäude steht auf Stelzen. So wird der Waldboden geschont.

Das neue Hauptgebäude steht auf Stelzen. So wird der Waldboden geschont.

(Foto: Jana Islinger)

Sie wünsche sich, dass das WEZ ein Anziehungspunkt bleibt und verwies darauf, wie viel es in ihrem Ministerium und in der Forstverwaltung zu tun gebe. "Nicht ein stillgelegter Wald ist die Zukunft", schließt sie ihre Rede. "Schützen und nützen" sei vielmehr das, was gebraucht werde. Der Grafrather Wald wird allerdings nicht mehr bewirtschaftet, er entwickelt sich Richtung Urwald.

"Alles, was man aus Holz machen kann, wird hier gezeigt", sagt Andreas Kronthaler, Leiter des Staatlichen Bauamts Freising, das den Bau geplant hat. Er spricht von einer "Symbiose von Gebäude und Standort". Das Gebäude ist aufgeständert, um den gewachsenen, empfindlichen Waldboden nicht zu beschädigen.

Energiesparende Bauweise

Die Dächer sind mit Lärchenholzschindeln gedeckt, für die Fassadenverkleidung wurde Weißtanne verwendet, für den Holzdielenboden massive Eiche. Eine energiesparende Wand- und Fußbodenheizung wird mit Holzpellets betrieben, eine Photovoltaikanlage erzeugt fast den gesamten benötigten Strom. "Beispielhaft" nennt Kronthaler diese Art zu bauen.

Landrat Thomas Karmasin (CSU) nennt Holz einen "herrlichen Werkstoff, das macht gute Laune", und Manfred Kröninger vom Vorstand der Bayerischen Staatsforsten spricht von einem Musterprojekt. "Etwas ganz Tolles ist hier entstanden", lobt Grafraths Bürgermeister Markus Kennerknecht, der auf mehr Bekanntheit seiner "kleinen und bescheidenen Gemeinde" hofft.

Grafrath: Schlüsselübergabe: Franz-Josef Mayer (von links), Leiter des AELF Fürstenfeldbruck, Ministerin Michaela Kaniber, Andreas Kronthaler, Staatliches Bauamt Freising, und Peter Pröbstle, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Im Hintergrund die lehmverputzte Wand.

Schlüsselübergabe: Franz-Josef Mayer (von links), Leiter des AELF Fürstenfeldbruck, Ministerin Michaela Kaniber, Andreas Kronthaler, Staatliches Bauamt Freising, und Peter Pröbstle, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Im Hintergrund die lehmverputzte Wand.

(Foto: Ingrid Hügenell)

"Das ist ein bewegender, historischer Moment für alle, die mit dem Wald zu tun haben", sagt Franz-Josef Mayer. Der Leiter des Fürstenfeldbrucker Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) ist seit Januar für das WEZ zuständig. Davor gehörte der forstliche Versuchsgarten zur bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft.

Dessen Leiter Peter Pröbstle spricht denn auch von einem "Tag der Freude", den er aber mit einem weinenden Auge erlebe. Denn er habe mit "Herzblut an dem Bau gehangen". Der Grafrather Wald sei ein "Schatzkästlein, einzigartig in Bayern". Und den Kollegen vom AELF gibt er mit: "Macht's was draus!"

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