Süddeutsche Zeitung

Votum der SPD-Mitglieder:Restrisiko Basis

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Der Koalitionsvertrag ist fertig, nun sollen auch die 745 SPD-Mitglieder im Landkreis über die Pläne von Schwarz-Rot abstimmen. Kreischef Michael Schrodi will sich nicht auf eine Prognose festlegen.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Es hat lange gedauert, fünf Wochen lang wurde diskutiert, gestritten und taktiert. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch einigten sich die Spitzenpolitiker von CDU, CSU und SPD in Berlin schließlich auf einen Koalitionsvertrag. 185 Seiten, viele Worte, viele Pläne, viele Versprechen. Zum Beispiel: Die SPD bekommt den gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro, Ausnahmen inbegriffen. Die CDU die Mütterrente. Doch ob dieser Koalitionsvertrag tatsächlich politische Wirklichkeit wird, darüber wird auch in Fürstenfeldbruck entschieden.

Es gibt noch einige Hürden zu überwinden: Erst einmal muss die SPD-Basis über das Vertragswerk abstimmen - das Ergebnis ist alles andere als absehbar und könnte die Parteispitze in Bedrängnis bringen.

Zum Procedere: Am 3. Dezember findet in Bergkirchen eine Informationsveranstaltung statt, zu der alle SPD-Mitglieder aus Fürstenfeldbruck und Dachau eingeladen sind. Von 6. bis 12. Dezember soll die Basis per Briefwahl über den Koalitionsvertrag abstimmen. Ein Ergebnis wird für den 14. oder 15. Dezember erwartet. Im Landkreis gibt es 745 SPD-Mitglieder, bundesweit sind es rund 475 000. Wie werden die Brucker entscheiden?

Dies vermögen auch SPD-Politiker aus Fürstenfeldbruck nicht zu beantworten, es dürfte also spannend werden. "Offen gestanden ist das Ergebnis schwer einzuschätzen. Es gibt gewichtige Gründe für beide Seiten", sagt Michael Schrodi, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Fürstenfeldbruck. "Wir haben einige Dinge, die uns wichtig sind in diesen Vertrag eingebracht." Dann das Aber: "Der Teufel steckt im Detail: Was wird das für ein Mindestlohn sein, was wird das für eine Rentenreform sein? Bei der Bildungspolitik habe ich große Bedenken." Schrodi hatte das "katastrophale" Ergebnis für die SPD kurz nach der Bundestagswahl am 22. September auf Facebook kommentiert: "Dieses Wahlergebnis kann von niemandem in der SPD ernsthaft als Auftrag gewertet werden, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Eine Große Koalition schließt sich aus meiner Sicht daher klar aus." Zwei Monate später klingt er versöhnlicher: "Wenn uns die Möglichkeit gegeben wird, einiges von unserer sozialdemokratischen Politik umzusetzen und die sozialdemokratische Handschrift deutlich zu erkennen ist, muss man diese Chance ergreifen."

Jean-Marie Leone ist Vorsitzender der SPD in Puchheim. Er geht von einem "sehr ambivalenten Bild" aus. "Ich hoffe, dass es eine vernünftige Entscheidung gibt und die kann nur in Richtung Regierungsbeteiligung gehen." Mit Blick auf die SPD-Kernforderungen Mindestlohn und Rentenreform sagt er, dass diese Faktoren zu einer "höheren Akzeptanz" beitragen könnten. Aber auch er weiß: An der Basis gibt es Vorbehalte gegen ein schwarz-rotes Bündnis - unter anderem wegen der "Erfahrungen aus der letzten großen Koalition". Ähnlich skeptisch äußert sich Martin Eberl, Vorsitzender der Eichenauer SPD. "Es gibt die Radikal-Ablehner, die von Anfang an gesagt haben: mit der Merkel bitte nicht, und dann gibt es diejenigen Mitglieder, die sagen: Es ist besser, als wenn man gar nichts erreicht." Das Ergebnis hänge letztlich davon ab, wie konkret die Regelungen bei der Rente und beim Mindestlohn seien.

Andreas Magg, Bürgermeister der Stadt Olching, sieht die Abstimmung an sich kritisch: "Ich habe das Gefühl, dass wir unsere Mitglieder überfordern, ich fühle mich selbst zum Teil überfordert, darüber zu entscheiden, ob das nun das Maximum ist, was die SPD in den Verhandlungen herausholen konnte." Er befürchtet, dass vielerorts nach Bauchgefühl entschieden werde. "Dafür ist die Zukunft des Staates und der SPD im Bund zu wichtig." Wenn überhaupt, dann hätte ein Mitgliedervotum Magg zufolge schon nach den ersten Sondierungsgesprächen stattfinden sollen - und zwar darüber, ob man überhaupt in die Verhandlungen gehe. Dennoch: "Ich bin optimistisch, dass sich die Vernunft durchsetzt und man dem Vertrag als SPD- Mitglied zustimmt."

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Quelle:
SZ vom 28.11.2013
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