Vorsitzende geben auf:Vergiftetes Klima

Der Verein Ziel 21 soll die Energiewende im Landkreis voranbringen. Doch jetzt haben die Vorsitzenden aufgegeben, weil sie sich von der Politik vernachlässigt fühlen. Auch die Wunschnachfolger haben ihre Kandidaturen zurückgezogen.

Stefan Salger

Offiziell ist es ein ganz normaler Führungswechsel beim Verein Ziel 21, der im Landkreis seit seiner Gründung vor elf Jahren die Klima- und Energiewende vorantreibt. Doch hinter den Kulissen ist ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob das am Landratsamt angesiedelte "Zentrum Innovative Energien im Landkreis Fürstenfeldbruck" seinen Schwerpunkt weiterhin auf die fachliche Arbeit legen oder sich politischer ausrichten und deutlicher zu Wort melden soll.

Wie erst jetzt bekannt wurde, haben Birgit Baindl, 52, und Hans Aigner, 54, bei der Mitgliederversammlung Mitte Juli auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Als neue Vorsitzende wurde die im Energiebereich als Beraterin arbeitende, promovierte Ingenieurin Alexa Zierl gewählt, zu ihrem Stellvertreter Wolfgang Frey. Die von der scheidenden Spitze vorgeschlagenen Kandidaten, Fachleute aus dem Energieberaterbereich, hatten ihre Bewerbung nach einem Gespräch zurückgezogen, zu dem Baindl und Aigner nicht eingeladen waren. Zierl und Frey gelten als Favoriten des Energiereferenten im Kreistag und Ziel-21-Beirats Max Keil (UBV).

Der räumt Querelen ebenso ein wie kontroverse Diskussionen mit Hans Aigner. Er wünsche sich ein "stärkeres gesellschaftspolitisches Engagement" von Ziel 21, dessen Ziele in der Öffentlichkeit "besser wahrnehmbar" sein müssten. Ziel 21 ist ein breites Netzwerk von 17 staatlichen und nichtstaatlichen Mitgliedern, darunter die Stadtwerke Fürstenfeldbruck, der Regionalvermarkter Brucker Land, die Sparkasse oder der Bund der Selbständigen. Die Geschäftsstelle wird von zwei Teilzeitkräften geleitet, die vom Landkreis bezahlt werden. Eine davon ist Birgit Baindl. Projekte werden mit Beiträgen von Mitgliedern, Partnern oder durch EU-Mittel finanziert.

Erklärtes Ziel ist es, den Weg aufzuzeigen für die Energiewende - der Landkreis will bis 2030 die Hälfte der Energie einsparen und dann Bevölkerung und Unternehmen komplett mit selbst erzeugter Energie versorgen. Um den notwendigen Bewusstseinswandel zu erreichen, berät Ziel 21 Privatverbraucher, Kommunen und Gewerbebetriebe zum Thema Energiesparen und fördert Existenzgründungen auf dem Feld erneuerbarer Energien. Auch an Schulen versucht der Verein zu vermitteln, dass sich Ökologie und Ökonomie nicht ausschließen und ist dafür mit dem Qualitätssiegel "Umweltbildung Bayern" ausgezeichnet worden.

In einem der SZ vorliegenden Brief bedanken sich Aigner und Baindl bei "Mitgliedern, Partnern und Unterstützern der Energiewende" und werben ausdrücklich dafür, der neuen Vorstandschaft Vertrauen zu schenken. Das freilich kann nicht über den Zoff hinter den Kulissen hinwegtäuschen. Baindl und Aigner haben sich ganz offensichtlich deshalb zurückgezogen, weil sie sich bevormundet, ausgebootet und unzureichend unterstützt fühlten. Von vielen bereits erreichten Zielen, aber auch "kräftezehrenden Aktionen mit wenig Personal" spricht Baindl etwas wolkig. Zu weiteren Details äußert sie sich mit Blick auf ihre Beschäftigung beim Landratsamt nicht.

Aus dem Umfeld des Vereins dringt aber durch, dass die abgetretene Vereinsspitze unzufrieden darüber ist, dass sich seit Fukushima zwar viele Landkreispolitiker mit dem Klimaschutz schmücken, sie sich fachlich begründeten Ratschlägen aber verschließen. So wurden Bedenken der Fachleute gegen eine Solaranlage auf dem verschatteten Dach des Grünen Zentrums in Fürstenfeldbruck beiseite gewischt. Auch beim Thema Windkraftstandorte hätten Verwaltung und Politik an Ziel 21 vorbeigearbeitet. Von Mitgliedern des Vereins sei dies eher desinteressiert hingenommen worden, heißt es. Das bestätigt auf Nachfrage auch Aigner, der dem Verein den Rücken kehren und sich auf die Arbeit im BN-Landesarbeitskreis Energie konzentrieren will. Er ärgert sich, dass er über manche wichtige Weichenstellung erst aus der Zeitung erfuhr. Ziel 21 werde oft erst eingeschaltet, "wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist".

Vor allem die von Keil beeinflusste Wahl des neuen Vorstands empfindet Aigner "als unschöne Geschichte". Arbeit gebe es aber auch künftig genug, denn während beispielsweise bei Bürgersolardächern das Feld längst bestellt ist und der Landkreis bereits 20 Prozent seines Strombedarfs aus Fotovoltaik erzeugt, fehlt es noch bei der Energieeffizienz, bei der Städten und Gemeinden laut Aigner eine Vorreiterrolle zukommt. Keil sieht das ähnlich. Er beteuert, Ziel 21 stärken zu wollen. Dafür setzt er auf mehr personelle und finanzielle Ressourcen und ein "professionelles Management". Baindl, Aigner oder ihren Wunschnachfolgern aber traut er dies offenbar nicht zu, auch wenn "irre viel" geleistet worden sei.

Keil spart nicht an Selbstkritik: Kreisräte und Landrat seien aufgerufen, Flagge zu zeigen und sich der Energiewende anzunehmen. Der Brucker Landrat Thomas Karmasin und Alexa Zierl waren am Donnerstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

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