Prozess:Streit wegen eines Igels eskaliert

Lesezeit: 2 Min.

Passanten schritten ein, weil ein Igel gequält wurde. (Foto: dpa-tmn)
  • Im September 2016 sollen zwei Männer einen Igel in Puchheim gequält haben.
  • Als Passanten einschritten, kam es zu einem Gewaltexzess.
  • Die Männer müssen sich nun wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten.

Aus dem Gericht von Andreas Salch, Puchheim

Sie schauten nicht weg, als ein Tier gequält wurde. Es war am 10. September vergangenen Jahres kurz nach 22 Uhr in der Kennedystraße in Puchheim. Ein 30 Jahre alter Staplerfahrer und sein Bekannter aus München rollten einen Igel über die Straße. Einfach so. Das Tier hatte sich zusammengekauert.

Zwei Männer im Alter von 24 und 37 Jahren konnten das nicht mitansehen und schritten ein. Es kam zu einem Gewaltexzess. Seit Donnerstag müssen sich der Staplerfahrer und sein bekannter vor der 3. Strafkammer am Landgericht München II verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt ihnen in der Anklage Bedrohung und gefährliche Körperverletzung zur Last.

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Das Tier hatte sich im unterfränkischen Bergrheinfeld einen Rausch angefressen, wohl mit vergorenen Trauben.

Oliver L., 37, und Thomas W., 24, ( beide Namen geändert) hatten die zwei Angeklagten in jener Nacht am 10. September 2016 angesprochen und aufgefordert, den Igel nicht wie einen Fußball über die Straße zu rollen. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft eskalierte die Situation sofort. Der 30-Jährige soll regelrecht ausgerastet sein. Er soll sich provoziert gefühlt haben. Voller Wut soll der Staplerfahrer zu Thomas W. gelaufen sein und auf ihn eingeschlagen haben. Doch der 24-Jährige konnte sich zur Wehr setzen.

Der Angeklagte soll Thomas W. sogar damit gedroht haben, ihn zu töten. Als hierauf Thomas W.s Freund Oliver L. einschritt und die Angeklagten aufforderte, aufzuhören, eskalierte die Situation ein weiteres Mal. Den Ermittlungen zufolge soll der 30-Jährige in diesem Moment ein kleines spitzes Küchenmesser gezogen haben und dann gemeinsam mit dem zweiten Angeklagten auf Oliver L. zugelaufen sein.

Laut Anklage schlugen die beiden auf den 37-Jährigen solange ein, bis er zu Boden ging. Obwohl Oliver L. nun völlig wehrlos war, sollen die Angeklagten, die Turnschuhe trugen, "mindestens zehn Mal" gegen dessen Oberkörper und Kopf getreten haben. Die Tritte waren immens gefährlich und wiegen für die Staatsanwaltschaft bei der Beurteilung der Tat auch besonders schwer. Sie geht in ihrer Anklage davon aus, dass den beiden Angeklagten bewusst gewesen sei, dass Tritte gegen den Kopf das Risiko einer "unkontrollierbaren Rotation des Schädels" enthalten und somit zum Tod eines Menschen führen können.

Mit dem Fuß gezielt ins Gesicht getreten

Oliver L. war nach den vielen Schlägen und Tritten der Angeklagten nicht mehr in der Lage sich zu wehren. Unter anderem war seine Nase gebrochen. Da er seine Brille verloren hatte, konnte er zudem kaum mehr etwas sehen. Der Staplerfahrer war offenbar aber immer noch voller Wut. Obwohl Oliver L. völlig hilflos war, soll er ihm mit dem Küchenmesser, das er zuvor gezogen hatte, eine drei Zentimeter lange Schnittwunde am linken Schulterblatt zugefügt haben. Erst jetzt sollen die Angeklagten von dem 37-Jährigen abgelassen haben. Oliver L. bat seinen Peiniger das Messer wegzulegen, da er Bluter sei.

Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht München II machten die beiden Angeklagten keine Angaben zu den Vorwürfen aus der Anklage der Staatsanwaltschaft und nur spärliche zu ihrer Person.

Nachdem Oliver L. schwer verletzt war, hatte sich ein weiterer Passant eingemischt. Walter S. ( Name geändert). Er wohnt in der Kennedystraße und hatte den Streit mitbekommen. Er wollte schlichten und wurde nur wenige Augenblicke, nachdem er sich eingemischt hatte, ebenfalls zum Opfer.

Laut Anklage soll zunächst der Begleiter des 30-Jährigen dem 50-Jährigen unvermittelt von hinten mit der Faust gegen den Kopf geschlagen haben. Unmittelbar darauf habe der Staplerfahrer aus einer Drehung heraus Walter S. mit dem Fuß gezielt ins Gesicht getreten. Er erlitt unter anderem eine Schädel- und Gesichtsprellung.

Für den Fall eines Geständnisses stellte der Vorsitzende Richter Martin Hofmann dem 30-jährigen Staplerfahrer eine Haftstrafe zwischen vier und viereinhalb Jahren in Aussicht. Sein Begleiter müsste mit einer Haftstrafe zwischen zwei Jahren acht Monaten und drei Jahren zwei Monaten rechnen. Die Verteidiger der beiden Angeklagten forderten Bewährungsstrafen. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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