Von Olching nach Venedig:Kunst über alle Berge

Lesezeit: 2 min

Der Olchinger Bildhauer und Aktionskünstler Friedo Niepmann bringt eine Skulptur zur Biennale nach Venedig. Mit dem Fahrrad.

Angelika Steer

Pünktlich um 9.30 Uhr beginnt am 4. Juni am Münchner Marienplatz das große Abenteuer des in Olching lebenden Künstlers Friedo Niepmann. Zusammen mit einem Freund aus Wien wird er täglich an die 75 Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegen, um schließlich am 11.Juni die Biennale in Venedig zu besuchen. Das hört sich zunächst allenfalls nach einem sportlichen Kraftakt an, auch wenn das Fahrrad mit einem Hilfsmotor ausgestattet ist. Doch Friedo Niepmann befördert eine kostbare Fracht in die Lagunenstadt. Im Gepäck hat er eine lebensgroße Abbildung seiner Ehefrau.

Startet bald nach Venedig: der Olchinger Künstler Friedo Niepmann. (Foto: Günther Reger)

Eine aus Hasendraht und Pflanzenfasern geformte Plastik, die er in einem Anhänger hinter sich herzieht. Im Inneren der Figur hat Niepmann ein zweites Kunstwerk aus Lindenholz versteckt. Seine Gattin auf einem Kamel reitend. Um das Exponat vor Witterungseinflüssen zu schützen, hat der gelernte Schreiner in mühsamer Kleinarbeit ein Gehäuse aus PET-Material und Holz um die Sitzfigur herum gebaut. Das Ganze wirkt wie ein kostbarer Reliquienschrein. Der Künstler hat dabei an alles gedacht. Die Figur ist mit einfachen Expandern fixiert, eine kleine Stirnlampe am Hut seiner "Frau" sorgt für adäquate Beleuchtung.

Rote Rücklichter am Anhänger fehlen ebenso wenig wie Stoßdämpfer an den Seiten der Vitrine. Ein Tuch auf der Oberseite soll der Hitzeentwicklung bei starkem Sonnenschein entgegen wirken.

Friedo Niepmann hat versucht, wieder verwendbare Materialien einzusetzen und möglichst viel Gewicht einzusparen, doch Kunstwerk und Anhänger wiegen immerhin 45Kilogramm. Und das ist noch nicht alles. Mit Hilfe eines speziellen Transportgestells wird er die Plastik auf dem Rücken mit sich tragen. Im besten Fall wird seine Lebensgefährtin dann erhöht wie eine Heiligenfigur über den Köpfen der Ausstellungsbesucher durch die Hallen der Biennale schweben. "Wenn mir das vor Ort von den Ordnungshütern verboten wird, werde ich meine Plastik vorne am Tragegestell platzieren und sie wie in einem Rollstuhl durch die Räume kutschieren.

Und natürlich werde ich auch eine Eintrittskarte für sie lösen", sagt Niepmann. Man merkt, der Künstler führt nicht das erste Mal eine Art Gegenentwurf zu einer großen internationalen Kunstschau durch. Auf der Documenta11 wurde ihm 2002 der Zugang verwehrt. Die Organisationsleitung in Venedig hat auf sein Vorhaben, das er korrekterweise angemeldet hat, noch nicht reagiert.

Aufregend wird das Unternehmen auf jeden Fall. Schließlich müssen einige Kilometer und Höhenmeter bei der Fahrt über die Alpen zurückgelegt werden. Das Material muss halten, das Wetter mitspielen und Plan B, Abbau der Vitrine und Transport des Kunstwerkes in einem geschlossenen Futteral, wäre keine erstrebenswerte Alternative.

Schließlich sollte Friedo Niepmann die Früchte der monatelangen Vorbereitungen auf seiner Reise ernten können: Die Reaktionen der Menschen auf sein Kunstwerk, auf seine Aktion. "Ich bin gespannt, wie die Passanten mein Gefährt nennen werden. Momentan lerne ich noch italienisch, damit ich auch Fragen beantworten kann. Notfalls spiele ich auf meiner Gitalele, denn Musik verbindet die Menschen und lockert die Stimmung", sagt Niepmann.

Die Begeisterung und Vorfreude des Bildhauers steckt an. Rund 20 Personen werden Friedo Niepmann auf der ersten Etappe bis Wolfratshausen begleiten. Weitere Stationen sind unter anderem Bad Tölz, Innsbruck, Brenner, Franzensfeste, Toblach und Mestre. Mit Foto- und Filmaufnahmen werden die Ereignisse dokumentiert. Wie in früheren Aktionen des Künstlers wird die Reise auf diese Weise zu einer Art Gesamtkunstwerk. Eigentlich sollte man mitfahren.

© SZ vom 14.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: