Volkshochschulen im Landkreis Fürstenfeldbruck:Erwachsenenbildung auf Sparflamme

Die Einrichtungen leiden weiterhin unter den Folgen der Pandemie und rutschen noch tiefer in die roten Zahlen. Viele Gesundheits- und Bewegungskurse mussten abgesagt werden. Immerhin muss mittlerweile keine VHS mehr komplett dichtmachen

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Die Volkshochschulen im Landkreis sind Bildungseinrichtungen und dürfen deshalb - analog zu denSchulen - unter strengen Hygieneauflagen auch im November ihren Unterricht fortsetzen. Doch nicht alles ist erlaubt. Sprach- und Integrationskurse, Kurse für die berufliche Bildung und Kochkurse finden mit Abstand und Maske als Präsenzunterricht statt. Alle Gesundheits-, Bewegungs- und Entspannungskurse dagegen nicht. Genauso wenig wie Stadt- Kultur- und Naturführungen. Hier und da weichen Referenten auf Online-Unterricht aus. Fest steht schon jetzt: Alle Einrichtungen werden ein erhebliches finanzielles Minus verkraften müssen und die Programmplanungen für das neue Semester von März 2021 an sind eine enorme Herausforderung.

Allein die Kurzfassung der Hygieneauflagen, die der Bayerische Volkshochschulverband seinen 198 Einrichtungen weitergeleitet hat, umfasst drei Seiten: Gruppenarbeit ist verboten, Arbeitsmaterialien dürfen nicht ausgetauscht werden, Türklinken und Arbeitstische sind regelmäßig zu desinfizieren. Die Maskenpflicht im Unterricht scheint die Teilnehmer mancherorts nicht allzu sehr zu stören. "Ich wundere mich selber", sagt Silvia Reinschmiedt, die Geschäftsführerin der Gretl-Bauer-VHS in Fürstenfeldbruck, "niemand meckert, und Diskussionen darüber gibt es auch nicht." Offenbar seien die Leute froh, dass es noch etwas gibt, was offen ist. Auch, dass jeweils nur eine Person auf die Toilette gehen darf, habe sich eingespielt. Alle Sprachkurse finden statt, nur ein Englisch-Konversationskurs pausiert. "Teilnehmer sind unsere Stammkunden", erklärt Reinschmiedt. Da Abstand gehalten werden muss, hat die VHS-Geschäftsführerin im Haus die Cafeteria und das Dachgeschoss, wo sonst die Gesundheitskurse stattfinden, zu Unterrichtsräumen umfunktioniert. "Wir wollen die Yoga- und Pilateskurse sowie Autogenes Training ab Dezember hinten dranhängen", so Reinschmiedt. Dazu sollen auch die Faschingsferien im Februar dienen. Für das nächste Semester von März an plant die Brucker VHS nur die Hälfte des ursprünglichen Programms. Entscheidend werde sein, wann die Hygieneregeln im kommenden Jahr wieder geändert werden. "Wir würden gerne wieder Veranstaltungen mit 50 Personen machen, damit Geld in die Kasse kommt", sagt Reinschmiedt. Nach großer Hoffnung klingt das nicht. Über das finanzielle Defizit im Jahr 2020 möchte sie noch nichts sagen, doch das wird erheblich sein.

Abendkurs VHS FFB

Mundschutz und viel Platz zum Nachbarn: Ein abendlicher Deutschkurs der Gretl-Bauer Volkshochschule in Fürstenfeldbruck

(Foto: VHS Fürstenfeldbruck)

"Wir rechnen für 2020 mit 80 Prozent Umsatzverlust", berichtet Anke Velasquez, seit Januar Leiterin der VHS Olching. Über den Rettungsschirm des Freistaates hatte sie im Frühjahr etwa 30 000 Euro erhalten. Für den November wird es voraussichtlich nichts geben, weil die VHS ja grundsätzlich geöffnet hat. Nur 117 von 198 Präsenzkursen konnten stattfinden, damit sind in Olching 40 Prozent aller Kurse ausgefallen. Und die Kurse, die stattgefunden haben, hatten weniger Teilnehmer als zuvor. Führungen und Besichtigungen finden zurzeit gar nicht statt. Einige Sprachkurse wurden ausgesetzt, weil Maskenpflicht im Unterricht nicht so gut ankam. Online-Sprachkurse laufen kaum, weil die Teilnehmer den direkten Austausch untereinander schätzen. Besonders hart trifft Olching die Absage der Gesundheits- und Bewegungskurse. "Das ist ein großes Standbein unserer VHS", sagt Velasquez. Einzelne Yoga- oder Qi Gong-Kurse werden von den Dozenten jetzt online angeboten, aber mit weniger Zuspruch als sonst. Und wenn wieder Präsenzveranstaltungen möglich sind, dann wird die maximale Teilnehmerzahl wohl von 27 auf zwölf reduziert. Große Sorge bereitet der VHS-Leiterin das neue Programm für 2021: "Das wird ein Kraftakt ohne Ende".

Ähnliches Bild in Gröbenzell. Auch dort muss derzeit auf viele umsatzstarke Gesundheits- und Bewegungskurse verzichtet werden. "Mit Taekwondo oder Yoga geht das gut", so VHS-Mitarbeiterin Julia Engelmann. Es werden größere Räume genutzt. Im Bürgersaal können auch die 20 Teilnehmer des Studiums Generale drei Stühle Abstand halten. In den kleineren Räumen laufen die Kurse statt mit zwölf nur mit maximal sieben Teilnehmern. Ständig müsse überall gelüftet werden. Maskenpflicht existiert bei jedem Unterricht. "Bei den Sprachprüfungen dürfen die Teilnehmer sie abnehmen." Fünf Führungen und Exkursionen mussten im Herbst abgesagt werden. Der Ausfall sei jedoch kein Vergleich mit dem Frühjahrssemester, als von März bis Mai 70 Prozent des Programms nicht stattfinden konnte. Das Semester war deshalb bis August verlängert worden. Finanziell wird es auch bei der VHS Gröbenzell in diesem Jahr schwierig werden. Wahrscheinlich fängt die Gemeinde das Minus auf. Engelmann freut es, dass die Erwachsenenbildung jetzt quasi wie Schulen behandelt wird.

Landesweite Umfrage

Der Bayerische Volkshochschulverband hat Anfang November seine Einrichtungen befragt. Der Rückgang der Kurse beträgt landesweit 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Teilnehmerzahl und Kurseinnahmen brachen um 50 Prozent ein. Die ausgefallen Kurse brachten Einsparungen von 33 Prozent bei den Dozentenhonoraren. Die zusätzliche coronabedingten Kosten für die IT-Ausstattung und der Umsetzung der Hygienemaßnahmen betrugen insgesamt 1,2 Millionen Euro. Allein für den Zeitraum 30. Juni bis 31. Dezember 2020 kalkuliert der Verband mit Netto-Einnahmeausfällen der bayerischen Volkshochschulen von etwa 18,1 Millionen Euro. Der Verband weist darauf hin, dass Kinderbetreuung als Bestandteil des Kursangebots erlaubt ist. Kaum bekannt ist, dass Übernachtungen in Bildungshäusern von Volkshochschulen weiterhin gestattet sind, weil sie kein touristischer Zweck sind. Auch die Verpflegung von Übernachtungsgästen in Frühstücksraum und Restaurant ist erlaubt.kwg

Auch bei der VHS Germering gibt es keine Führungen und Exkursionen mehr. "Autogenes Training ist weniger intensiv als Sprachkurse", sagt VHS-Geschäftsführerin Evi Seidel. Die Maskenpflicht im Unterricht habe Teilnehmer abgeschreckt. Regulär bietet die Germeringer VHS etwa 830 Kurse pro Semester an. Jetzt im Wintersemester sind es schon 20 Prozent weniger gewesen. Durch den Wegfall der Gesundheitskurse im November - allein im Bereich Yoga bietet die VHS etwa zwei Dutzend Kurse an - erhöht sich die Ausfallquote zusätzlich. Der Ausblick aufs kommende Jahr ist nicht rosig. Froh ist Seidel, dass der Freistaat für den Frühjahrs-Lockdown 77 000 Euro überwiesen hat. Trotzdem muss die VHS für 2020 ein enormes Defizit verkraften.

Das wird auch bei der VHS Puchheim der Fall sein, obwohl Geschäftsführerin Heike Gerl mit Zahlen noch vorsichtig ist. Auf 30 Prozent weniger geplante Kurse im Vergleich zum Frühjahrssemester 2020 taxiert sie aktuell das Minus im Herbstsemester. "Online-Sprachkurse funktionieren", sagt sie. Gerl hat zusätzliche Räume mobilisiert, um die Abstände in kleinen Gruppen zu gewährleisten. Direkte Kritik an der Maskenpflicht im Unterricht ist nicht bei ihr angekommen. In Sachen Absage der Gesundheits- und Bewegungskurse ist sie solidarisch mit den Sportvereinen. "Die mussten ja ganz zumachen, da müssen wir mitziehen." Positiv bei der ganzen Misere sei, dass "der digitale Schwung auch in der letzten kleinen VHS angekommen ist". Auch sie hat große Sorge, was noch kommen könnte. "Wie viele kleine Lockdowns erleben wir noch?", fragt sich Heike Gerl.

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