Vögel:Haartolle gesichtet

Kiebitze bauen ihre Nester am liebsten auf Marschwiesen oder auf Äckern, auch bei Maisach. Doch der gefährdete Vogel braucht zum Brüten menschliche Hilfe

Von Ingrid Hügenell, Maisach

Der Kiebitz ist ein sehr anpassungsfähiger Vogel. Am liebsten brütet er, auf Marschwiesen in der Nähe von Wasser, aber in Süddeutschland nimmt er auch mit einem Acker vorlieb, wenn es in der Nähe wenigstens einen Entwässerungsgraben gibt, wo er trinken und baden kann. Sein Nest und seine Küken verteidigt er gegen Krähen, Greifvögel oder Räuber am Boden. Wenn er beim Brüten nicht gestört wird, kann er neue Eier legen.

Dennoch braucht der hübsche, schwarz-weiße Vogel menschliche Hilfe, um im Landkreis überleben zu können. Die intensive Landwirtschaft sowie Störungen durch Menschen und ihre Tiere macht auch dem Kiebitz zu schaffen. "Wir müssen die Gelege schützen, sonst brechen die Bestände zusammen", sagt Sven Bartschat von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt.

Das ist die Aufgabe des Ornithologen Christian Fackelmann. Er ist einer von mehreren Biologen, die im Auftrag der Kreisbehörde unterwegs sind, um die Nester ausfindig zu machen und zu markieren. Die Landwirte, die die Flächen bewirtschaften, schlagen dann einen kleinen Bogen um die Gelege und stellen die Geräte ab, mit denen sie Gülle oder Pflanzenschutzmittel verspritzen.

In den Niedermoorgebieten entlang der Maisach gibt es die Vögel noch, die auf der Roten Liste als stark gefährdet geführt werden. Dort brüten sie auch jedes Jahr. Christian Fackelmann steht an einem sonnigen Vormittag mit einem Beobachtungsfernrohr und einem Fernglas auf einem Feldweg südlich von Überacker (Gemeinde Maisach). Dort sind einige der etwa zehn Brutpaare von Vanellus vanellus unterwegs, wie der Kiebitz mit wissenschaftlichem Namen heißt. Im Aspengraben etwas weiter westlich liegt der nächste Brutplatz. Auch der Gesang von Feldlerchen ist zu hören, sie sind mit etwa zehn Brutpaaren dort vertreten. Später taucht ein Turmfalkenpaar auf.

Junger Kiebitz

Die flauschigen Küken sind nach vier Wochen flügge.

(Foto: Günther Reger)

Fackelmann weiß, dass auch Kiebitze in der Nähe sind, doch erst sind die Vögel auf den Äckern nur für den Experten zu entdecken. Denn ein Habicht hat das Gebiet eben überflogen, die Vögel halten sich versteckt. Nach einiger Zeit rühren sich die ersten wieder. Ein Paar balzt auf einem Acker in wenigen hundert Metern Entfernung. Fackelmann schaut durch seinen Feldstecher zu, wie das Männchen eine Mulde scharrt. "Das gehört zum Balzverhalten", erklärt er. "Das Männchen bereitet fünf oder sechs Mulden, und das Weibchen sucht sich dann eine aus." Bekannt sind die Vögel für ihren gaukelnden Balzflug.

Dann tauchen einige Krähen auf, und der Kiebitz zeigt, wie wehrhaft er ist. Immer wieder fliegt der etwa taubengroße Vogel die Krähen an, die schließlich entnervt landen - ein gutes Stück von dem Ort entfernt, wo vermutlich das Nest entsteht. Die Flügelspannweite des Kiebitzes liegt bei 70 bis 80 Zentimetern, die Handschwingen sind sehr breit, was den Kiebitz im Flug gut erkennbar macht. Auch die Holle, die wie eine vorwitzige Haartolle auf seinem Kopf sitzt, ist ein leicht zu erkennendes Merkmal.

Vögel: Damit es in Zukunft mehr Küken im Landkreis gibt, sichern Christian Fackelmann (links) und Sven Bartschat die Nester der Kiebitze bei Überacker.

Damit es in Zukunft mehr Küken im Landkreis gibt, sichern Christian Fackelmann (links) und Sven Bartschat die Nester der Kiebitze bei Überacker.

(Foto: Ingrid Hügenell)

Bei den Weibchen ist die Holle kleiner, ihr Gefieder wirkt stumpfer und brauner als das der Männchen. Deren Flügel und Rücken glänzen metallisch grün-grau. Die Weibchen, die hauptsächlich brüten, sind besser getarnt. "Im Flug sind sie sehr auffällig, beim Brüten fast unsichtbar", erklärt Fackelmann.

Südlich von Überacker sind voriges Jahr vier Brutplätze mit langen Bambusstangen markiert worden. Kiebitze brüten in Kolonien, wie Bartschat erklärt, sie verteidigen zusammen ihre Nester nicht nur gegen Krähen und Falken, sondern auch gegen Füchse, Marder und Wiesel, und das sogar in der Nacht. Richtig gefährlich können den Gelegen auch Hunde werden, das gilt für alle Bodenbrüter. In Bodenbrüter-Gebieten müssen Hunde deshalb an der Leine geführt werden. Denn die Kiebitz-Jungen sind zwar Nestflüchter, aber bei Gefahr fallen sie in eine Schreckstarre, sie laufen also nicht weg.

Kiebitze suchen sich gerne einen erhöhten Platz in einer ebenen Fläche für ihr unauffälliges Nest. Dann kann bei Regen das Wasser gut ablaufen. Was die Vögel nicht mögen, sind zu dicht bewachsene Flächen. Denn wenn beispielsweise die Maisstengel zu hoch und eng beieinander stehen, wird es am Boden nie richtig warm und trocken. Dann bleiben auch die kleinen, flaumigen Küken feucht, und das ist gefährlich. "Nasse Küken sterben sehr schnell", erklärt Fackelmann.

Bei den Landwirten habe der Kiebitz einen guten Stand, sagt Bartschat. "Die freuen sich, wenn sie einen auf der Fläche haben. Das ist dann ihr Kiebitz." Für ihre Mitwirkung erhalten die Bauern eine kleine finanzielle Anerkennung. Außerdem schreibt Bartschat jedem am Ende der Brutsaison einen Brief, in dem er sich für die Unterstützung bedankt und mitteilt, wie viele Küken flügge geworden sind.

Erwachsen werden die Tiere erstaunlich schnell. Vier Eier legt die Kiebitzin gewöhnlich, ziemlich genau vier Wochen dauert es, bis die Küken schlüpfen. Und nur nochmal vier Wochen später sind sie groß und selbständig. Das müsse auch so sein, erklären Fackelmann und Bartschat. Denn schon im August, spätestens September, ziehen die Kiebitze wieder weg. Die aus Süddeutschland fliegen Richtung Südwesten, nach Spanien oder Portugal. Kiebitze überwinter aber auch in England, Frankreich, auf den atlantischen Inseln und in Nordafrika. Und im nächsten Jahr im März sind sie mit etwas Glück zurück.

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