Süddeutsche Zeitung

Virtuelles Kaufhaus:Händler präsentieren sich online

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Stadtrat Andreas Ströhle bietet den Fürstenfeldbrucker Geschäftsleuten eine Werbeplattform im Internet

Von Felix Reuß

Werbespots mit schrill schreienden Frauen oder humpelnden Hündchen braucht Andreas Ströhle für seinen regionalen Online-Handel "Brucker Netz" nicht. Da ihn in jüngster Zeit immer mehr örtliche Händler angesprochen haben, ob er nicht ihre Produkte über das Internet bewerben kann, schuf Ströhle schließlich einen eigenen Online-Marktplatz. Damit bieten er und "Die Systementwickler", wie die Firma seines Bruders heißt, eine Alternative zu den großen überregionalen Versandhäusern. Sie möchten durch Online-Präsenz wieder mehr zum Einkauf in örtlichen Geschäften anregen.

Als Stadtrat für die Piraten weiß Ströhle um die Probleme der lokalen Händler, seitdem das Hauptgeschäft, wie etwa mit Kleidung, im Netz anstatt im Laden abläuft. Viele örtliche Geschäfte haben schlicht nicht die Mittel, um werbetechnisch mithalten können. Dazu komme die Bequemlichkeit der Menschen, die statt einem Bummel durch die Stadt eher den schnelleren Mausklick bevorzugen. Das Brucker Netz solle ein "Online-Kaufhaus" werden, bei dem nicht nur Waren über die virtuelle Ladentheke gehen, sondern auch Dienstleister und Veranstalter profitieren, indem sie durch Annoncen auf sich oder ihr Event aufmerksam machen können. Damit die Kunden im Online-Kaufhaus auch viele ihrer Waren finden, begab sich Ströhles Kollege Christian Rau persönlich zu den bisher gut 30 Firmen, um sie von ihrer Sache zu überzeugen. Unterstützung erfährt der 38-jährige Ströhle bei seinem Projekt auch durch den derzeit erkrankten Oberbürgermeister Klaus Pleil mit einem Empfehlungsschreiben und auch der Gewerbeverband steht hinter ihm.

Mit dem Brucker Netz haben die Händler nun die Möglichkeit, ihre Waren online zu bewerben und zu verkaufen und behalten den vollen Produktpreis. Beim Finanzkonzept betont Ströhle nämlich, dass es ihm nicht um die Provision gehe und er mit der Website zeigen wolle, "was Bruck im Einzelhandel bietet." Was seinen Online-Handel von ähnlichen Konzepten wie in Wuppertal oder Göppingen unterscheidet, ist die einmalige Anmeldegebühr anstatt einem monatlichen Beitrag. Die Gebühr liegt im dreistelligen Bereich, hauptsächlich sollen aber die Annoncen zu kleinen, aber stetigen Einnahmen führen.

Grundsätzlich zählt für Ströhle dabei: "Wenn wir Zeit investieren müssen, um eine Anzeige auf die Seite zu stellen, kostet es was." Zumindest in Fürstenfeldbruck und Emmering will Ströhle die Waren persönlich auch ausliefern, die Anschaffung eines Pedelec mit Anhänger steht im Raum. Wer bis zwölf Uhr mittags bestellt, bekommt die Ware noch am selben Tag zugestellt, so die Vorstellung Ströhles. Die Liefergebühr erhält dann seine Firma. Bei langfristigem Erfolg müsste der Lieferservice vielleicht erweitert werden, ohnehin funktioniere es nur mit Waren bis zu 30 Kilogramm. Im Landkreis müssen noch Versandfirmen gefunden werden, was sich nicht einfach gestaltet. Lokale Firmen seien zwar erwünscht, doch steige bei diesen die Versandkosten, was wiederum nicht gut für das Geschäft wäre. "Alles über fünf Euro Versand ist zu viel", meint der Stadtrat. Sollte das Brucker Netz wie erhofft schon bald über mehr als 50 Firmen verzeichnen, wird so langsam der Lagerraum eng. Deshalb ist Strö hle zurzeit auf der Suche nach geeigneten Lagerplätzen, bevorzugt in Bahnhofsnähe. Die vielen Brucker, die zur Arbeit nach München pendeln, könnten so bequem ihre online bestellten Waren auf dem Heimweg abholen. Aber auch wenn sich so schnell kein Lagerplatz finden lässt, schaut Andreas Ströhle nach vorne. "Zur Not stellen wir die Waren halt zu uns in die Firma."

Dem lokalen Einzelhandel könnte der virtuelle Marktplatz sicherlich gut tun. Voraussetzung ist natürlich die Partizipation von möglichst vielen Händlern. Ob sich ein Projekt wie das Brucker Netz langfristig etablieren kann, bleibt abzuwarten. Meist scheiterten ähnliche Start-Ups durch falsche Versprechungen und schlechte Konzeptionierung, so schildert es Rene Baisch, vom Online-Marktbetreiber atalanda. Ihm und seinem Kollegen Roman Heimbold ist es schon gelungen, den regionalen Online-Handel in kleineren Städten salonfähig zu machen, derzeit überarbeiten sie aber ihr Konzept und suchen nach Expansionsmöglichkeiten. Auch Ströhle ist weiterhin fleißig, den regionalen Online-Handel "zum Laufen zu bringen". Bestellen-und-Liefern - ohne Werbespots, dafür mit eigenem Konzept und eigener Muskelkraft.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2016
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