Viele Klassen unbetreut:Lehrermangel spitzt sich zu

An den Grund- und Mittelschulen sind derzeit 26 Klassen nicht betreut. Ursache ist unter anderem, dass Springer bereits zum Schuljahresbeginn fest für schwangere Kolleginnen eingeplant wurden.

Ariane Lindenbach

- Was sich schon zu Schuljahresbeginn abgezeichnet hat, ist inzwischen ein akutes Problem: An den Grund- und Mittelschulen im Landkreis fehlen 26 Klassenlehrer. Die Folge: Die Schüler werden auf andere Klassen verteilt oder müssen sich still beschäftigen. Die verbliebenen Lehrer arbeiten an der Belastungsgrenze. Förderunterricht, Arbeitsgemeinschaften und die Modularisierung, die aus den Haupt- erst Mittelschulen macht, werden gestrichen.

BLLV

Der Lehrermangel war auch Thema beim Oberbayerischen Lehrertag in Fürstenfeldbruck.

(Foto: Günther Reger)

BLLV-Kreisvorsitzende Ingeborg Heining hatte diese Situation bereits im September kommen gesehen. Am Rande des Oberbayerischen Lehrertages in Fürstenfeld erinnerte sie am Mittwoch daran, dass der Landkreis 228 Lehrerstunden zu wenig vom Kultusministerium zugewiesen bekam. Das entspricht etwa zehn Vollzeitstellen. Auch die sogenannte mobile Reserve war laut Heining viel zu knapp bemessen - ein Pool von Ersatzlehrern, die im Krankheitsfall an den 43 Grund- und Mittelschulen im Landkreis einspringen sollen. Von den 42 Lehrkräften war allerdings schon zum Schulstart die Hälfte nicht mehr verfügbar. Ein Grund hierfür, den Heining "fast schon unlauter" nennt: Das Ministerium plant mit Lehrerinnen, von denen im September schon bekannt ist, dass sie schwanger sind. Wenn sie dann während des laufenden Schuljahres in Mutterschutz gehen, werden die vakanten Stellen mit Kräften aus der mobilen Reserve besetzt - sofern dort noch ausreichend Personal vorhanden ist. Da die jungen Mütter in aller Regel länger ausfallen, als es das Mutterschutzgesetz mit seinen 14 Wochen vorschreibt, fehlen sie entsprechend lang an ihrer Schule. Und entsprechend lange ist auch die mobile Reserve gebunden und kann nicht für unvorhergesehene Krankheitsfälle eingesetzt werden.

"Ein Großteil der mobilen Reserve ist immobil", beklagt auch Anna-Maria Neider, die im BLLV-Kreisverband die Pressearbeit macht. Von den 42 Lehrkräften, von denen fünf als Fachpädagogen für Ernährung und Gestaltung keine Klasse leiten dürfen, sind derzeit 25 in Einsätzen, die länger als vier Wochen dauern, sieben im Kurzeinsatz und fünf krank.

Wie Heining und Neider erläutern, sind die Berechnungen des Kultusministeriums vollkommen legitim. Allerdings seien die zugrunde liegenden Daten nicht mehr zeitgemäß, da sich die Struktur der Lehrkräfte, insbesondere an den Volksschulen, hinsichtlich Alter und Geschlecht in den letzten Jahren stark verschoben habe. Das Personal ist jünger geworden - und fast ausschließlich weiblich. Das hat zur Folge, dass die Ausfälle wegen Schwangerschaften stark gestiegen sind. Im Kultusministerium berücksichtigt man diesen Wandel bei den Berechnungen der zugewiesenen Lehrerstunden jedoch nicht. "Die Politik setzt auf demografische Effizienz", kommentiert Neider trocken. Sie meint damit, dass die Entscheidungsträger auf die immer weniger werdenden Kinder vertrauen. Für die braucht es nach Ansicht der Politiker auch weniger Lehrer. Angesichts der angespannten Situation hat das staatliche Schulamt in Fürstenfeldbruck dem Ministerium bereits Mitte Oktober mitgeteilt, dass an den Grund- und Hauptschulen 15 Lehrer fehlen und besonderer, sowie Förder- und Modularisierungsunterricht nicht stattfinden kann. Als Reaktion bewilligte man zwei weitere Zwei-Drittel-Stellen für den Landkreis. Doch nun zeichnet sich ein weiteres Problem ab. Es gibt gar keine arbeitssuchenden Lehrkräfte. Weshalb das Schulamt bereits die einzelnen Schulen angeschrieben und um Mithilfe gebeten hat; womöglich könnten Kräfte aus der Elternzeit oder einer Beurlaubung rekrutiert werden.

Diese Informationen stammen ebenfalls von Heining. Denn auch im hiesigen Schulamt herrscht Personalmangel. Der neue Leiter Karl-Hans Grünauer ist diese Woche krank. Sein Stellvertreter Helmut Radloff war am Mittwoch nach eigener Auskunft der einzige Schulrat im Amt und hatte keine Zeit für ein Gespräch mit der Presse. Die Informationen Heinings seien aber sicherlich zutreffend, erklärte er. Vom Kultusministerium hieß es, dass "aufgrund einer gegenwärtig höheren Zahl an Vertretungsfällen die mobile Reserve nach Auskunft des zuständigen staatlichen Schulamtes derzeit überwiegend mit kurzfristigen Einsätzen voll ausgelastet ist". Es gebe jedoch "keine langfristig unversorgten Klassen". Der Pflichtunterricht sei also verlässlich sichergestellt.

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