Verkehrsbelastung:"Smileys" warnen Raser

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Tempo 30 auf der Brucker Straße in Gernlinden: Maisachs Bürgermeister Hans Seidl (Mitte) schließt sich der Demonstration von Anwohnern vor der Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend an. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Auf zwei Durchgangsstraßen in Gernlinden bleibt es bei Tempo 50. Der Gemeinderat kann die Forderung von Anwohnern nach einer niedrigeren Höchstgeschwindigkeit nicht erfüllen. Es werden allerdings 16 Messgeräte aufgestellt

Von Karl-Wilhelm Götte, Maisach

Das hatte es im Maisacher Gemeinderat wohl noch nicht gegeben: Bettina von Plotho hielt während der Gemeinderatssitzung ein Plakat mit ihrem Anliegen hoch. In ein gemaltes rotes Herz hatte sie "30 km/h" geschrieben. Neben dem Herz waren die Worte "stressfreies Nebeneinander" zu lesen. Natürlich hatten die Aktivistinnen von Plotho und Yvonne Herrmann, die Initiatorinnen einer Unterschriftensammlung in Gernlinden und ihre Mitstreiter, die Tempo 30-Zonen in der Merianstraße und in der Brucker Straße forderten, die Hoffnung gehabt, dass der Gemeinderat in ihrem Sinne entscheidet. Doch die Rechtslage sprach gegen sie, so dass die anwesenden Unterstützerinnen von Tempo 30 eine krachende Niederlage befürchten mussten. Doch Bürgermeister Hans Seidl (CSU) zauberte ihnen mit einem umfassenden Beschlussvorschlag, den der Gemeinderat einstimmig billigte, unerwartet ein Lächeln ins Gesicht.

426 Anwohner, davon 356 aus Gernlinden, hatten die Petition Tempo 30 an den Gemeinderat unterschrieben und Bürgermeister Seidl überreicht. Es ging den Initiatoren dabei vor allem darum, den Verkehr im Ortskern zu entschleunigen, damit die Kinder auf dem Kindergarten- und Schulweg sich sicher fühlen können. Ein zweiter Punkt in der Unterschriftenaktion war Senkung der Lärmbelästigung für die Anwohner. Patrick Ludwig von der Gemeindeverwaltung hatte in der Sitzung ausführlich über die Rechtswidrigkeit von Tempo 30-Zonen an der Merianstraße und Brucker Straße referiert. "Es gibt entlang dieser Straßen keine schutzbedürftigen Einrichtungen wie Kitas, Schulen, Alten- und Pflegeheime oder Krankenhäuser", erklärte Ludwig, dass es hier keinen Anlass für eine Tempobeschränkung gibt. Generell sind die beiden Straßen Durchgangs- und Vorfahrtsstraßen, auf denen Tempo 50 erlaubt sein muss.

Abschnitte in beiden Straßen hatte die Gemeinde eigenmächtig vor einiger Zeit mit Tempo 40-Schildern ausgestattet. Sowohl das Landratsamt als auch die Polizeiinspektion Olching hatte darauf hingewiesen, dass diese Tempobeschränkung rechtlich unzulässig sei. "Laut Polizei Olching sind im Unfallregister keine Unfälle in der Merianstraße und in der Bruckerstraße bekannt", teilte Ludwig ebenfalls mit. Die Tempo 30-Befürworter hatten in der Sitzung mit Heinrich Moser vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) einen Experten aufgeboten, der von Seidl Rederecht bekam und mit einem 17-seitigen Konzept für die Tempo 30-Zone warb. "Verkehrssicherheit muss vor Verkehrsfluss gehen", war die Kernaussage Mosers. Die Gemeindeverwaltung hatte in der schriftlichen Beschlussvorlage 16 Geschwindigkeitsmessgeräte mit Smileyfunktion in Aussicht gestellt, die auch an den beiden Straßen aufgestellt würden. Zudem sah der schriftliche Beschlussvorschlag eine Ablehnung der Tempo 30-Zone vor.

Doch dann mischte sich Rathauschef Seidl in die Debatte ein. "Wir wollen das Gleiche wie sie, aber wir suchen nicht die Konfrontation mit den Behörden, sondern die Zusammenarbeit", sagte er eingangs. Dann überraschte Seidl die Versammlung mit einem neuen fünfteiligen Beschlussvorschlag. Er stellte die Ausschreibung eines Verkehrskonzeptes für Gernlinden und zeitgleich für Maisach in Aussicht, sowie später auch für die anderen Ortsteile. Zudem kündigte er neue beidseitige Geschwindigkeitsmessungen in der Merianstraße und Brucker Straße an. Die "Smileys" sollen auf Tempo 30 eingestellt und mit einem Schild "Tempo 30 - freiwillig den Kindern zuliebe" ergänzt werden. Für den 2. Juli kündigte Seidl auch noch eine Bürgerversammlung zum Thema Verkehr in Gernlinden an. Dort soll es um "alle Straßen mit allen Bürgern" gehen. Dem schloss sich der Gemeinderat nach einer kurzen Debatte, in der Gottfried Obermair (Freie Wähler) oder Norman Dombo (SPD) davor warnten, den Tempo 30-Befürwortern große Hoffnungen zu machen, einhellig an. "Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung", kommentierten von Plotho und Herrmann zufrieden.

© SZ vom 25.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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