Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Pro Woche 40 Autos mehr

Die Zulassungszahlen im Landkreis steigen ungebrochen. Fast 121 000 Personenwagen tragen inzwischen das FFB-Kennzeichen. Ein Boom, den auch die Klimadebatte nicht zu bremsen vermag

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Ein eigener Personenwagen ist im Landkreis so beliebt wie noch nie. Die Zulassungszahlen steigen trotz der Diskussionen über eine Verkehrswende zur Verhinderung des Klimawandels, trotz der "Fridays for Future"-Demonstrationen und trotz überlasteter Straßen und täglicher Staus im Berufsverkehr konstant an. Laut Statistik der Zulassungsstelle des Landratsamts nimmt die Zahl der hier registrierten Autos von Woche zu Woche um etwa 40 zu. Dieser Boom hält nun schon im fünften Jahr ungebrochen an. Seit Anfang 2015, dem Jahr des Beginns der Dieselkrise, bis Ende 2018 erhöhte sich der Bestand der hier zugelassenen Personenwagen um insgesamt 8242 auf 120 978. Das sind pro Jahr 2060 zusätzliche Fahrzeuge auf den Straßen im Landkreis. Einen Boom mit einer vergleichbaren Zunahme des Fahrzeugbestands gab es zuletzt in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrtausends.

Der damals amtierende Landrat Gottfried Grimm hatte die rapide steigende Zahl der Fahrzeuge noch regelmäßig mit Erfolgsmeldungen gewürdigt. Galt doch ein hoher Autobestand als Indiz für einen prosperierenden Landkreis und den Wohlstand der Bevölkerung. Die schon damals mit dem Boom verbundenen Verkehrsprobleme sollten mit dem Bau von Umgehungsstraßen gelöst werden. Inzwischen ist vielerorts auch der ruhende Verkehr, also mit Autos zugeparkte Straßen, zum Problem geworden. Beansprucht doch jeder zusätzliche Personenwagen eine Abstellfläche von etwa zwölf Quadratmetern.

Manfred Strahlheim, der Leiter der Zulassungsstelle des Landratsamts in der Hasenheide in Fürstenfeldbruck, überlässt es anderen, Schlussfolgerungen aus seinen Statistiken zu ziehen. In einem Punkt zeigt er sich trotzdem überrascht. Das ist die Tatsache, dass der mit dem Dieselskandal 2015 in Verruf geraten Selbstzünder trotz des Erlasses von ersten Fahrverboten in Städten in den Folgejahren im Landkreis von dem allgemeinen Trend profitiert. So erhöhte sich vom 1. Januar bis Ende Juni dieses Jahres die Zahl der Dieselfahrzeuge um 1037 auf nunmehr insgesamt 54 050. Einen Einbruch im Bestand hatte es nie gegeben. Noch im ersten Diesel-Krisenjahr 2015 war der Anteil dieses Fahrzeugtyps um einen Prozentpunkt auf 36 Prozent gestiegen. Seither stagnierte er auf diesem Niveau, was sich nun ändern könnte.

Einzelne Autohändler reden ungern über ihre Absatzzahlen, wegen der Konkurrenz und auch weil Autohersteller das nicht gern sehen. Eine Ausnahme machte die Auto Rasch GmbH in Fürstenfeldbruck auf SZ-Anfrage. Davon, dass der Verkauf sowohl von Neuwagen als auch von Gebrauchten anhaltend gut läuft, zeigen sich dessen Geschäftsführer Wilhelm Brugglehner und Firmenchef August Rasch überrascht. "Das verwundert uns sehr", lautet der Kommentar von Brugglehner zum anhaltenden "unwahrscheinlichen" Autoboom. Seine Worte, dass man sich als Autohändler bei den Kunden für diese Treue bedanken müsste, lassen erkennen, dass das für ihn außergewöhnliche Zeiten sind.

1907 sind es fünf Fahrzeuge

Seit 1907, das ist das erste Jahr, für das die Zulassungsstelle des Landratsamts den Fahrzeugbestand erfasst, kennt die Statistik nur eine Richtung. Es geht kontinuierlich nach oben, mal in kleineren, mal in großen Sprüngen. Das gilt selbst für die Nachkriegszeit, also für die Jahre zwischen 1946 und 1949. 1907 waren im Landkreis zwei Personenwagen und drei Motorräder registriert. Bis 1925 wuchs die Zahl aller Fahrzeuge auf 88 an. In den zehn Jahren bis 1935 erhöhte sich der Bestand um das Fünfzehnfache auf 1325, wobei der Löwenanteil mit zwei Dritteln aus Motorrädern bestand. Erst in den Wirtschaftswunderjahren zwischen 1950 und 1960 begann der Siegeszug von Personenautos, dessen Anteil am Gesamtbestand 1960 mit 8369 Fahrzeugen etwas mehr als die Hälfte ausmachte. Zwischen 1960 und 1970 stieg die Zahl der Personenautos um etwas mehr als das Vierfache an, 1980 lag sie bei 66 130 und 1990 bei 90 392 Fahrzeugen, um 1999 zum Ende des Jahrhunderts die Zahl von 100 000 zu überspringen. In den 19 Jahren danach kamen weitere 20 000 Personenwagen dazu. Ende 2018 waren im Landkreis insgesamt 165 611 Fahrzeuge zugelassen, davon entfielen 120 978 auf Personenwagen. eis

Wie die Zulassungsstelle kann auch Brugglehner mit Statistiken aufwarten. In seinem Haus wurden im ersten Halbjahr 2019 genau 423 neue Personenwagen und Nutzfahrzeuge der Marken VW und Audi verkauft. Im ersten Halbjahr 2018 hatten bei Auto-Rasch 388 Neuwagen den Besitzer gewechselt. Den Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr beziffert der Geschäftsführer mit 9,02 Prozent. Ähnlich gut läuft bei ihm der Handel mit Gebrauchtwagen. In diesem Segment rechnet der Autohändler für dieses Jahr mit insgesamt 900 Kunden, die bei ihm einen Gebrauchten erwerben.

Autohändler Brugglehner besitzt selbst eines der 418 bis Ende Juni im Landkreis zugelassenen Elektrofahrzeuge. Wie er sagt, fahre er seit vier Jahren aus Überzeugung ein E-Mobil. Bei Fahren gefällt ihm die Stille besonders. Seit 2015 stagnierte der Anteil des Diesels am Gesamtfahrzeugbestand bei 36 Prozent. Wie die Zulassungsstelle registriert auch der Autohändler in diesem Jahr beim Diesel eine Trendwende. Dessen Anteil am Bestand steigt wieder an. Laut Strahlheims Statistik erhöhte sich die Zahl der Dieselfahrzeuge vom 1. Januar bis zum 30. Juni um 1037 auf nunmehr 54 050. Brugglehner beziffert den Zuwachs der verkauften Dieselfahrzeuge mit drei bis fünf Prozent. Deren Käufer achteten auf saubere Motoren und einen niedrigen Verbrauch. Als Grund für die hohen Verkaufszahlen aller Modelle bei Rasch werden Aktionen mit besonderen Angeboten und Nachlässen genannt. Auf niedrigem Niveau ist für Elektroautos zurzeit ebenfalls ein kleiner Boom zu verzeichnen. In den eineinhalb Jahren seit Januar 2018 verdoppelte sich deren Zahl fast auf 418. Der Leiter der Zulassungsstelle beziffert den Zuwachs an E-Mobilen nur im ersten Halbjahr dieses Jahres mit 25 Prozent. Eine ähnliche Tendenz zeichnet sich für Hybrid-Fahrzeuge ab, deren Zahl im gleichen Zeitraum um 196 auf 962 anwuchs. Anfang 2016 gab es nur 83 Elektro- und 336 Hybridfahrzeuge. Die Zulassungsstelle führt keine Statistik darüber, welche Fahrzeuge mit welcher Motorisierung im Landkreis besonders beliebt sind.

Zulassungsstellenleiter Strahlheim schätzt, dass etwas mehr als die Hälfte des Zuwachses Menschen mitbringen, die in den Landkreis zuziehen. Bei jährlich etwa 7500 Neufahrzeugen und 1600 Umschreibungen von bisher nicht im Landkreis zugelassenen Fahrzeugen wird nicht danach unterschieden, ob deren Besitzer erst kürzlich zugezogen sind oder nicht.

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Quelle:
SZ vom 27.08.2019
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