Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Fahrgäste Fehlanzeige

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Die Taxifahrer stehen vor einem Dilemma: Einerseits gilt für sie eine Beförderungspflicht - und wer arbeitet, hat kaum Anspruch auf Staatshilfen. Andererseits ist die Nachfrage wegen der Corona-Auflagen sehr gering

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Auch Taxifahrer haben es während des Lockdowns schwer. Sie bekommen keine finanziellen Hilfen, weil sie ihre Fahrten weiter anbieten müssen. Doch das Geschäft geht schlechter denn je. Jetzt fordert der Allinger Freie Wähler-Landtagsabgeordnete Hans Friedl, dass sie "immobile" Impfkandidaten auf Staatskosten zum Brucker Impfzentrum in die Buchenau fahren sollen. Doch Taxifahrten zum Landkreis-Impfzentrum sind bisher sehr überschaubar gewesen. "Jede einzelne Fahrt hilft", sagt Taxiunternehmer Florian Drechsler aus Fürstenfeldbruck, der sehr angetan ist von diesem Vorschlag.

"Ja, zum Impfzentrum, das läuft bisher sehr mager", bestätigt auch Taxiunternehmer Alfredo Salerno aus Germering. Eine einzige Frau durfte er bisher dorthin fahren, erinnert er sich. Bei Peter Bota aus Puchheim waren es bisher zwei Impffahrten. Falls im Frühjahr irgendwann mehr geimpft werden sollte, könnte sich die Frequenz erhöhen. Doch davon haben die Taxiunternehmer im Landkreis bisher noch nichts. Drechsler hat sich mit seinem eigenem Taxi seit 2007 selbständig gemacht und hatte unter 30 Taxen in Fürstenfeldbruck, bis Corona kam, sein Auskommen. "Momentan ist die Situation ganz schwierig", sagt Drechsler, als sein Telefon klingelt. Er hat heute Dienst beim Brucker "Taxifunk", der die Fahrten zentral vermittelt. Kurz darauf klingelt das Telefon noch einmal, aber danach zehn Minuten lang nicht mehr.

Alle Taxifahrer können schnell aufzählen, was zurzeit fehlt oder nicht geht. Gasthäuser geschlossen, Hotels im Notbetrieb, keine Messen in München, keine Touristen, keine Veranstaltungen in den größeren Hallen in Bruck, Germering oder Puchheim. Dazu kaum Betrieb an den S-Bahnhöfen und bis Anfang der Woche die Ausgangssperre von 21 Uhr an. Aber auch private Feiern und Hochzeiten fehlen, genauso wie Fahrten zum Münchner Flughafen. Es bleiben vor allem Taxifahrten zum Krankenhaus oder zum Arzt. "Das war's", sagt Peter Bota, der seit elf Jahren in Puchheim Taxifahrten anbietet. "Die jungen Leute fehlen ganz." Deren Freizeitangebot falle vollkommen flach. Bota hat seinen Stand am S-Bahnhof Puchheim-Bahnhof. "Da ist auch so gut wie nichts los", klagt er. Spontane Fahrten erlebt Drechsler in Bruck ebenfalls nicht mehr: "Die Leute sind zuhause, unterwegs ist niemand mehr."

Drechsler fährt nachts oder an den Wochenenden kaum noch, weil es sich nicht lohnt. "Die Nachfahrer sind jetzt auch tagsüber unterwegs", berichtet er. Folge: Die Fahrgäste verteilen sich auf mehr Taxen, dadurch reduziert sich der einzelne Umsatz entsprechend. Die Krankenfahrten, auch von Dialyse-Patienten, halten Drechsler noch halbwegs über Wasser. Das ist auch bei Alfredo Salerno so. "Die sind meine Rettung", bekräftigt er. Er fährt gerade eine Stammkundin nach Martinsried. "Ich habe treue Kunden", sagt Salerno, und seine gute Laune hört man durchs Telefon. Trotzdem hat der Germeringer Taxiunternehmer zwei seiner fünf Fahrzeuge still gelegt. Er spart dadurch allein 1100 Euro an Versicherungskosten. Salerno betreibt sein Unternehmen mit seiner Ehefrau und seinem Sohn quasi als Familienbetrieb und kommt dadurch einigermaßen über die Runden. Im Vergleich zum Frühjahrs-Lockdown geht es den Taxiunternehmen umsatzmäßig jetzt etwas besser. "Im April 2020 waren es 80 Prozent minus", erzählt Salerno. Bei Drechsler und Bota war es kaum anders.

Auf staatliche Unterstützung, also die sogenannte November- oder Dezemberhilfe, können Taxifahrer, wie es jetzt aussieht, nicht hoffen, weil sie ja arbeiten dürfen. "Da fallen wir total durchs Raster", klagt der Puchheimer Peter Bota - obwohl er ein Umsatzminus von etwa 50 Prozent verkraften muss. Er hatte kürzlich noch mal mit seinem Steuerberater telefoniert und eine negative Auskunft bekommen. "Sie lassen uns fahren", meint Drechsler und beschreibt das Dilemma der Beförderungspflicht, "sie nehmen uns aber die Fahrgäste weg." Also dann doch die staatliche Kostenübernahme bei Fahrten zum Impfzentrum? Florian Drechsler weiß von Berlin zu berichten, wo die Stadt die Impffahrten bezahlt. "Kostenübernahme wie in Berlin, das wäre super", sagt er. Doch beschlossen ist noch nichts. Die Freien Wähler haben die Übernahme der Kosten für "immobile Personen" im Landtag beantragt. Bezahlen soll das jedoch nicht der Freistaat, sondern die Bundesregierung. Das sieht nicht nach einer schnellen Lösung aus.

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SZ vom 16.02.2021
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