Im April wurden mehr als 8500 Fahrgäste mit den MVV-Ruftaxen befördert, so viele wie nie zuvor. Zwei Jahre nach dem Start hat das Ruftaxi-System damit das Vierfache der angenommen Beförderungszahlen erreicht und ist an der Leistungsgrenze angelangt, erklärte Hermann Seifert, der ÖPNV-Koordinator im Landratsamt. Das Ruftaxi-System sorgt obendrein dafür, dass mehr Landkreis-Bewohner mit den Bussen fahren. Seifert rechnet damit, dass deren Zahl heuer von acht Millionen auf neun Millionen steigen könnte. Im Rahmen eines EU-Projekts tüfteln die Mitarbeiter derweil an einem ÖPNV 4.0, einer Ausweitung und Vernetzung des regionalen Angebots.
Das Ruftaxi ging im Landkreis am 1. April 2015 an den Start und löste die Anrufsammeltaxen ab. Inzwischen gibt es sieben Linien, die alle 23 Kommunen des Landkreises abdecken. Die Taxen stehen am Abend im 20-Minuten-Takt und von 0.30 bis 6 Uhr morgens im Stundentakt zur Verfügung. An Sonn- und Feiertagen fahren die Ruftaxen abgestimmt mit den Bussen den ganzen Tag über. Das System kombiniert die Vorzüge eines Linienbetriebes und eines individuellen Taxis. Die Fahrer sind bereit, um im regelmäßigen Takt Menschen zu befördern, fahren aber nur los, wenn sich tatsächlich jemand telefonisch anmeldet. Im Unterschied zum Anrufsammeltaxi werden nicht nur Schnittstellen wie etwa Bahnhöfe angefahren.
Im ersten Betriebsjahr wurden fast 40 000 Personen transportiert, 2016 stieg die Zahl auf mehr als 75 000 Personen an. Im ersten Quartal 2017 waren es mehr als 30 000 Fahrgäste, umgerechnet auf das ganze Jahr könnten es mehr als 120 000 werden. "Das hätten wir nie für möglich gehalten", sagte Seifert.
Das Ruftaxi lockte so viele an, dass es auf einigen Strecken zu Stoßzeiten durch Linienbusse ersetzt wurde. Die Linien 838 und 839 von Bruck nach Mammendorf verkehren in den Abendstunden bis um 22.30 Uhr. Das hatten sich die Planer vorher nicht getraut, weil sie fürchteten, dass nur Geisterbusse fahren würden. "Sobald der Bedarf vorhanden ist, schichten wir von Ruftaxen auf Busse um", erklärte Seifert. Das ehrgeizige Ziel der ÖPNV-Planer sind zehn Millionen Busfahrer im Jahr.
Bei den Ruftaxen verzeichnet die Linie 8300 die meisten Fahrgäste. Sie bedient Gröbenzell, Olching und Puchheim. Diese Strecke wurde erst im Dezember neu eingerichtet und hatte im April mehr als 1700 Nutzer. An zweiter Stelle liegt die Linie 8200, die Adelshofen, Jesenwang, Landsberied und Moorenweis im Westen ansteuert. Die Kosten für das System werden zu etwa einem Drittel durch die Tickets gedeckt, der Landkreis trägt ein Defizit von rund einer Million Euro.
Das MVV-Ruftaxi des Landkreises ist ein solcher Erfolg, dass es als vorbildlich in das EU-Projekt Alpine Smart Transport and Urbanism Project (ASTUS) aufgenommen wurde. Das übergeordnete Ziel von ASTUS ist, den Ausstoß von Kohlendioxid zu verringern, indem man Menschen animiert, auf private Pkw-Fahrten zu verzichten. ASTUS ist ein Netzwerk von Kommunen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und Slowenien. Die Teilnehmer sollen Ideen austauschen, miteinander diskutieren und weiterentwickeln, so dass das Rad nicht überall immer wieder neu erfunden werden muss. Ein bisschen Geld fließt auch aus Brüssel, so wird die EU eine Befragung der Ruftaxi-Gäste im Landkreis finanzieren. Der Landkreis ist inzwischen gleich dreifach bei ASTUS vertreten: Alleine mit dem Ruftaxi, mit den Expressbussen zusammen mit dem Landkreis Starnberg und mit dem Landkreis München mit Tangentialbussen, die zwischen den S-Bahnlinien pendeln.
Zusammen basteln die Landkreise an einem ÖPNV 4.0, wie Seifert es nennt. Das gesamte Angebot in der Region soll vernetzt und nicht nur das Bussystem weiter ausgebaut werden: Bis 2019 sollen die Fahrgäste an Knotenpunkten auch Leihräder und Autos ausleihen können. Dazu wünschen sich die Planer eine Mobilitätskarte für das gesamte MVV-System. Damit könnten Fahrgäste in Zukunft mit allen Bahnen, Bussen und Ruftaxen fahren und sich Autos oder Fahrräder ausleihen.