Süddeutsche Zeitung

Vergangenheitsbewältigung:CSU und AfD tolerieren NS-Straßennamen

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Landtags-Fachausschuss weist Petition ab. Somit muss Fürstenfeldbruck das Schild von Emil Zenetti nicht abmontieren

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Mit einer Mehrheit aus CSU, Freien Wählern sowie AfD hat der Ausschuss für kommunale Fragen des bayerischen Landtags unlängst zwei Petitionen zu Nazi-Straßennamen in Bruck für erledigt erklärt. Die Antragsteller aus Kaufbeuren und München, Jakob Knab und Michael Wendl, hatten sich beschwert, weil die Stadt die Zenettistraße nicht umbenennt. Der Name verweist auf einen Freikorps- und Wehrmachtsoffizier. Dessen Ehrung verstoße gegen die Grundnormen der Verfassung und die Etikettierung als geschichtspolitisch "umstritten" durch den Stadtrat sei bedenklich, hatten sie argumentiert.

Die Abgeordneten der Regierungskoalition und der AfD folgten stattdessen einer Bewertung des bayerischen Innenministeriums, das sich wiederum auf eine Stellungnahme aus dem Landratsamt Fürstenfeldbruck stützt. Demnach ist die Benennung von Straßen eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Kommunen, denen dabei ein weiter Gestaltungs- und Ermessensspielraum zustehe. Den Hinweis von Knab auf einen Kommentar zum bayerischen Straßen- und Wegenetz lassen Kommunalaufsicht und Ministerium nicht gelten. Darin heißt es, bei der Namensgebung seien verfassungsrechtliche Normen zu beachten. Ein Name, der Gestalten aus der Zeit des NS-Regimes verherrliche, könne dem widersprechen. Die Kreisbehörde weist darauf hin, dass es sich lediglich um eine Kann-Bestimmung handelt. Gemeint ist: Die Wahl eines NS-Namenspatrons kann der demokratischen Grundordnung widersprechen, sie muss es aber nicht.

Der Straßenname Zenetti "mag zwar aus heutiger Sicht bedenklich sein, überschreitet aber unseres Erachtens nach nicht den Gestaltungsspielraum der Stadt", heißt es weiter in der Stellungnahme. Eine verherrlichende Wirkung sei nicht zu erkennen, zumal künftig auf einem Zusatzschild darauf hingewiesen werde, dass die Benennung heute umstritten sei. Ein rechtliches Fehlverhalten der Stadt sei darum nicht festzustellen.

In der Ausschusssitzung hatten FDP, Grüne und SPD dafür gestimmt, die Petitionen zu würdigen, also den Kritikern recht zu geben. "Es ist völlig unverständlich, eine Straße so zu benennen", sagte Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag und Berichterstatterin im Ausschuss. "Arg schwach" findet sie deshalb das Brucker Zusatzschild. "Was heißt umstritten? Zenetti war ein Nazi und beteiligt am Massaker an der Räterepublik."

Eine Mehrheit aus BBV, CSU, FW und FDP im Brucker Stadtrat hatte Ende April nach jahrelanger Debatte beschlossen, die belasteten Straßennamen zu belassen, aber mit kleinen Zusatzschildern auszustatten. Zu den 17 umstrittenen Namen, die zu Beginn der Debatte moniert worden waren, gehören neben Zenetti der Antisemit Julius Langbehn, Reichspräsident Paul von Hindenburg, der Adolf Hitler zum Kanzler ernannte, Wehrwirtschaftsführer Willy Messerschmidt und der SS-Mann und Raketenbauer Wernher von Braun.

Der Religionslehrer Jakob Knab aus Kaufbeuren beschäftigt sich seit Jahren kritisch mit der Traditionspflege der Bundeswehr. Seine Kritik an Dutzenden von belasteten Straßennamen auf dem damaligen Fliegerhorst, darunter Piloten der Legion Condor, die während des spanischen Bürgerkriegs Guernica verwüsteten, führte dazu, dass der Kommandant 2006 die Schilder abmontieren ließ. Geblieben sind sechs Straßennamen in der Fliegerhorstsiedlung, die nicht mehr zum militärischen Bereich gehörten, darunter der Name Zenetti.

Zenetti kommandierte das Luftgaukommando VII in München von Juli 1938 an. Er verlangte von den Offizieren folgende Haltung: "Eiserner Widerstandswille, fester Glaube an unsere gute Sache und das unbedingte Vertrauen zur Führung und zum Führer." Auf einer Tagung von NS-Führungsoffizieren wurde Zenetti gelobt für die "auf dem Gebiet der nationalsozialistischen Führung geleisteten Arbeit". Die Ehrung eines Mannes, der als Gerichtsherr für Todesurteile der Wehrmachtsjustiz zuständig gewesen ist, sei "zunehmend unerträglich", schrieb die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz in einem Brief an den Oberbürgermeister.

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SZ vom 26.07.2019
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