Vereine bleiben einer der wichtigsten gesellschaftlichen Faktoren im Landkreis. Welche Rolle sie spielen, wird erst bewusst, wenn man sich fragt, was es ohne sie nicht gäbe. Beispielsweise das Veranstaltungsforum Fürstenfeld, das ursprünglich Kulturvereinen Raum für Aktivitäten bieten sollte, das Bauernhofmuseum Jexhof, dessen Gründung auf einen Förderverein zurückgeht, oder die Wiederherstellung des völlig zerstörten barocken Churfürstensaales im Kloster Fürstenfeld mit Asamfresken, dessen Renovierung ein Verein gegen massiven Widerstand von Behörden durchgesetzt hat und dazu sogar noch eine Riesensumme beisteuerte. Auch die Gemeinde Gröbenzell gäbe es ohne einen Verein nicht. Setzte sich doch der Interessenverein Gröbenzell dafür ein, dass 1952 aus einer Siedlung mit vier Ortsteilen von Olching, Geißelbullach, Puchheim und München eine selbständige Kommune wurde. Die Liste solcher Erfolge des Engagements von Vereinen im Landkreis ließe sich endlos fortsetzen, und zwar für alle Gesellschaftsbereiche.
Die meisten der großen und kleinen Feste im Landkreis und die meisten der Veranstaltungen im täglichen SZ-Terminkalender gibt es nur, weil Vereine sie organisieren oder deren Mitglieder ehrenamtlich mitwirken. Vieles von dem, was bestimmend für die Lebensqualität und das Lebensgefühl der Landkreisbewohner ist und was für die Identifikation mit dem eigenen Umfeld steht, hat mit dem zu tun, was Vereine leisten. Meist ohne dass es die Besucher registrieren, die einfach nur ein interessantes Angebot wahrnehmen.
Das bestätigt eine Aussage des Soziologen Max Weber: "Der Mensch ist ja unzweifelhaft neben vielem anderen ein Vereinsmensch in einem fürchterlichen, nie geahnten Maße." Wie sehr das zutrifft, belegt die Statistik des Amtsgerichts München, das das Vereinsregister für den Landkreis führt. In der Zeit von 2006 bis 2016 sind fast 270 Vereine neu gegründet worden. Das sind im Durchschnitt 27 pro Jahr. Deren Schwerpunkte sind Soziales, Kultur und Kinder, also die Bereiche, die die Menschen zurzeit beschäftigen. Dem stehen jährlich fünf bis sechs Löschungen gegenüber. Es nahmen also fast fünfmal so viele Vereine ihre Arbeit auf, wie gelöscht wurden. Allein Germering bringt es in der vergangenen Dekade bei insgesamt 200 Vereinen auf 32 Neugründungen. Die Stadt wäre ohne Vereine arm dran, bekennt denn auch OB Andreas Haas.
Für Kreisheimatpfleger Toni Drexler besteht die wertvollste Leistung der Vereine darin, das Zusammengehörigkeitsgefühl in einem Ort zu stärken. Vereine stehen auch in einer postmodernen Gesellschaft für bürgerliches Engagement und Miteinander. So vermittelt Drexler die Mitarbeit in Vereinen die Erfahrung, das eigene Umfeld mitzugestalten und verbessern zu können. Geht es ums Gemeinwohl, übernehmen Vereine immer wieder Aufgaben, für die ihre Kommunen zuständig wären. Funktionierende Vereine sind für Drexler das, was ein Dorf ausmacht und dörfliches Leben ermöglicht.
Ein Paradebeispiel hierfür ist Adelshofen, von dessen 1620 Einwohnern 830, also bereits die Hälfte, dem Sportverein angehört, der Gartenbauverein bringt es auf 250 Mitglieder. Dazu kommen weitere zwölf Vereine mit ebenfalls stattlichen Mitgliederzahlen. Statistisch gehört jeder Adelshofener mindestens einem Verein an. Bürgermeister Michael Raith ist bei allen dabei. Er spricht von einem intakten Miteinander und bezeichnet die Vereine als "Säule und Stärke unserer Gemeinde". Viele Politiker finden sogar über Vereine den Weg in den Stadt- oder Gemeinderat.
Neue, zeitgemäße Vereinsformen wie Agendagruppen, Frauen-, Friedens- und Umweltschutzbewegungen stehen für das Abrücken von der verpönten Vereinsmeierei, mit staatstragenden, traditionell ausgerichteten Vereinen und Vorsitzenden, die sich in der Bedeutung und im Glanz ihres Ehrenamtes sonnen. Inzwischen, das ist die Schattenseite des Vereinslebens, besteht das Hauptproblem oft darin, überhaupt jemanden zu finden, der sich im einem Vorstand für längere Zeit in die Pflicht nehmen lässt. Spricht man mit Vorsitzenden, wird gerne und viel geklagt. Schließlich hängen das Wohl und der Bestand vieler Vereine vom Engagement Einzelner ab. Und viele Vereine sind wegen ihrer Größe gezwungen, Organisationsaufgaben von ehrenamtlichen Vorständen auf einen hauptamtliche Geschäftsführer zu übertragen. Vor dieser Entscheidung steht Dirk Flechsig, Vorsitzender der Nachbarschaftshilfe Eichenau. Hier führen noch drei ehrenamtliche Vorstandsmitglieder an je drei Vormittagen pro Woche die Sozialorganisation mit einem Jahresetat von 1,4 Millionen Euro sowie mit 43 Festangestellten, 60 weiteren Mitarbeitern, die ein Entgelt bekommen, und 40 ehrenamtlichen Helfern. Flechsig spricht vom Zwang, sich an die Gegebenheiten anzupassen und trotzdem die Grundidee, "Nachbarn helfen Nachbarn", zu bewahren.
Vor ähnlichen Herausforderungen stehen großen Sportvereine, wie der größte unter ihnen, der TSV Unterpfaffenhofen, der 5658 Mitglieder hat. Den 132 Sportvereinen im Landkreis gehören 61 967 Mitglieder an. Das ist fast jeder dritte Landkreisbewohner. Steffen Enzmann, Kreisvorsitzender des Bayerischen Landessportverbands (BLSV), spricht von einem Mitgliederzuwachs von zwei Prozent pro Jahr. Vor allem Kinder und Jugendliche sowie Menschen, die älter als 45 sind, treten Sportvereinen bei. Die Älteren, weil ihnen bewusst werde, wie wichtig es sei, Sport zumachen. Die Kinder, weil sie einen Ausgleich zur Schule bräuchten. Zudem entwickeln Kinder im Verein Gemeinsinn. Wer Sport macht, bringt in der Schule bessere Leistungen und ist auch im Leben erfolgreich, beteuert Enzmann. Laut Landrat Thomas Karmasin bieten Vereine noch etwas Wichtiges: "Verwurzelung und ein Stück Heimat." Auch deshalb seien sie lebensnotwendig, aber auch stark.