Verdacht des Missbrauchs in 54 Fällen:Das Martyrium einer Achtjährigen

Olchinger Rentner muss vor dem Landgericht München verantworten. Der bereits vorbestrafte 67-Jährige soll sich an einem Nachbarmädchen vergangen haben

Von Christian Rost

Ein Rentner aus Olching soll bei mindestens 54 Gelegenheiten ein achtjähriges Mädchen missbraucht haben, während die alleinerziehende Mutter des Kindes arbeitete. Der einschlägig vorbestrafte 67-Jährige muss sich wegen dieser Taten seit Dienstag am Landgericht München II verantworten. Zum Prozessauftakt räumte er vor der Jugendkammer einzelne Übergriffe ein, bestritt aber eine sexuelle Motivation.

Frank S. ist bereits 2008 vom Münchner Amtsgericht wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer Elfjährigen verurteilt worden. Er hatte dem Kind in die Unterhose gefasst, was das Gericht zwar als Vergewaltigung wertete, die gegen den Mann verhängte zweijährige Freiheitsstrafe wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Als Auflage musste er ein Jahr in Therapie, wo ihm klargemacht wurde, dass er sich von Kindern künftig fernzuhalten hat. Die Therapie schlug bei ihm offenbar nicht an. Vor dem Landgericht sagte er, er habe dem Mädchen damals "nur aus Neugier in die Hose gefasst". Diese Aussage löste beim psychiatrischen Sachverständigen Karl-Heinz Crumbach blankes Entsetzen aus.

Nach der ersten Verurteilung musste Frank S. mit seiner Frau umziehen. Seit 2011 lebt er in dem Mehrfamilienhaus in Olching, in dem auch die achtjährige Michaela (Name geändert) mit ihrer Mutter wohnt. Laut Anklage machte sich der Mann als vermeintlich hilfsbereiter Nachbar sogleich an die Schülerin heran. Sobald seine Frau in der Arbeit war, die stets zu verhindern suchte, dass ihr Mann sich Kindern nähert, lud er das Mädchen in seine Wohnung ein. Dort soll er es vorgeblich im Spiel immer wieder geküsst, im Genitalbereich und am Po angefasst und auf der Toilette beobachtet haben. Michaelas Mutter, die von alledem nichts wusste, war S. für die Betreuung dankbar, weil sie tagsüber arbeitete.

Um Michaela an sich zu binden, machte der Rentner ihr oft Geschenke. Von Flohmärkten brachte er Playmobilfiguren mit, ging mit ihr zum Baden und auf Volksfeste. Am zweiten Weihnachtsfeiertag 2012 lud er das Mädchen in ein Fast-Food-Lokal ein. Dort küsste er das Kind auf den Mund und steckte ihm seine Zunge ins Ohr. Michaela fand das so "eklig", dass sie ihrer Mutter davon erzählte. Auf Nachfragen kamen dann auch die anderen mutmaßlichen Übergriffe ans Licht. Frank S. wurde am 15. Januar festgenommen und befindet sich seither in Untersuchungshaft.

Selbst auf hartnäckiges Nachfragen des Vorsitzenden Richters Thomas Bott leugnete der Rentner eine sexuelle Motivation. Er habe das Kind "nur aus Blödsinn" auf den Mund geküsst. Die Zunge im Ohr sei ein Necken gewesen. Dass er dem Mädchen eigenen Angaben zufolge eine Minute lang den nackten Po massierte, sei ebenfalls nur als Spaß zu verstehen. "Es war Zuneigung ohne Hintergedanken", sagte S. Psychiater Crumbach attestierte dem Mann, aus seiner Vergangenheit nichts gelernt zu haben. "Was hat man Ihnen in der Therapie beigebracht?", fragte Crumbach. Der Angeklagte: "Die Finger von Kindern zu lassen. Aber was soll ich machen: Die Kinder lieben mich halt." Der Prozess wird fortgesetzt.

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