Vegetarier:Gemüse für München

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Aurelia Fellbrich ist im Kartoffelkombinat für die Gewächshäuser zuständig und erntet derzeit viele Auberginen. (Foto: Günther Reger)

Das Kartoffelkombinat hat in Spielberg eine neue Heimat gefunden und verzeichnet seine erste erfolgreiche Ernte

Von Erich C. Setzwein, Egenhofen

Anderswo haben sie Rindfleischberge und Milchseen, in Spielberg ist derzeit "Gurkenschwemme". So nennt Daniel Überall, Sprecher des Münchner Kartoffelkombinats, die derzeitige üppige Ernte im Gewächshaus Nummer 2. 2000 Stück Schlangengurken werden jede Woche geerntet in dem sonnendurchfluteten und dampfigen Glashaus. So bekomme jedes der 1000 Mitglieder der vegetarischen Gemeinschaft zwei Gurken pro Woche. Auch im Gewächshaus Nummer 1 reifen die Früchte prachtvoll heran, dort sind es Tomaten, die in all ihren Farbstadien an den Sträuchern hängen sowie pralle, dunkel-lila glänzende Auberginen. Das sind keine Überproduktionen, weil die Mitglieder der vegetarischen Gemeinschaft das alles auch aufessen. Für Daniel Überall stellt es überdies den überraschenden Erfolg des ersten Jahres in Spielberg dar.

Im vergangenen Jahr hat das als Genossenschaft organisierte Kartoffelkombinat die ehemalige Baumschule Würstle zwischen Oberschweinbach und Egenhofen erworben. Was die Mitglieder vorfanden, passte durchaus zu ihrem Konzept. Neben vielen eigenen Anbauflächen mit einer Gesamtgröße von etwa sieben Hektar konnten landwirtschaftliche Grundstücke in der Größenordnung von elf Hektar gepachtet werden, um dem Ziel einer möglichst großen Eigenversorgung der Genossen näher zu kommen. Die Mitglieder, die zum allergrößten Teil in München leben, bekommen jede Woche eine Gemüsekiste mit den saisonal verfügbaren Produkten. Jetzt, da das Gemüse auf den Feldern und in den Glashäusern gedeiht, ist der Anteil der Eigenproduktion laut Überall schon bei etwa der Hälfte angekommen. Andere Gemüsesorten in der wöchentlichen Kiste kommen von Zulieferbetrieben.

Acht feste Arbeitsplätze bietet das Kartoffelkombinat, aber die Mitarbeiter bekommen beim Packen von Dienstag bis Freitag freiwillige Unterstützung von den Mitgliedern. Auf sieben Touren an vier Tagen werden die Haushalte beliefert, jedoch nicht direkt an der Haustür. Es gibt über die Stadt verteilte Stationen, an denen die grünen Gemüsekisten von den Mitgliedern abgeholt werden.

Was drin ist, bestimmt die Natur. In diesen Wochen sind Tomaten und Gurken dabei, auch Salatköpfe kommen in die Kiste und die Chinesische Keule, eine ostasiatische Spargelsalat-Spezialität, bei der nicht die Blätter, sondern der Stengel als Salat zubereitet wird. "Die einen mögen es und fragen, ob es wieder dabei ist, die anderen hoffen darauf, dass es fehlt", sagt der Kombinatssprecher.

Bis es so weit war, dass in den Gewächshäusern etwas wachsen konnte und die Felder bestellt wurden, dauerte es einige Zeit. Die Mühen müssen jedoch nervenaufreibend und teuer gewesen sein. So waren auf dem Baumschulgelände hauptsächlich Topfpflanzen gestanden, die mit ihrem Gewicht den Boden verdichtet hatten. Eine schweißtreibende Arbeit bedeutete es für viele Freiwillige, die Krume zu lockern und für einen Anbau herzurichten. Auch wurden Reste von Pflanzenschutzmitteln entdeckt, die in einem Naturlandbetrieb wie dem Kartoffelkombinat nichts zu suchen haben. Einige kleine Altlasten wurden beseitigt, so dass Überall sagen kann, es sei jetzt alles bio.

Die Genossenschaft mit Sitz in München will ihren Produktionsstandort im Landkreis Fürstenfeldbruck langsam weiter ausbauen. Bis zu 1600 Mitgliedshaushalte sollen einmal von dem Angebot profitieren. Die Pachtverträge laufen über neun Jahre, und Daniel Überall hofft, dass sie noch oft verlängert werden. Es ist ihm anzumerken, dass die Genossenschaft mit ihrer Idee von der Selbstversorgung eine Heimat gefunden hat.

Den Bezug zur Natur bekommen nicht nur die Mitglieder, wenn sie helfen. Vom neuen Schuljahr an werden Kinder aus der Montessorischule Günzlhofen in einem Projekt der der Genossenschaft angeschlossenen Bildungsinitiative lernen, wie Ökosysteme funktionieren. Dazu werden Permakulturgärten angelegt, in denen sich die Natur selbst regulieren kann, in denen aber auch geerntet werden soll. Ein anderes pädagogisches Projekt entsteht zusammen mit dem Tierpark Hellabrunn im kommenden Jahr.

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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