Süddeutsche Zeitung

Urteil:Aufrufe zum Mord an Juden

Amtsgericht verhängt wegen volksverhetzender Posts zehnmonatige Bewährungsstrafe gegen 35-Jährige

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Blutrünstige und menschenverachtende Aufrufe zum Mord an Juden, Hakenkreuze und ein eisernes Kreuz hat eine 35 Jahre alte Fürstenfeldbruckerin in den sozialen Medien veröffentlicht. Das ist zwar schon sechs Jahre her, und die Mutter dreier Kinder hat sich inzwischen von der rechten Szene distanziert, wie sie jüngst am Amtsgericht Fürstenfeldbruck versichert. Aber die verfassungsfeindlichen, volksverhetzenden Aussagen stehen weiterhin im Netz und rufen immer noch zu Gewalttaten auf. Deshalb, weil diese Posts inhaltlich widerwärtig sind, sowie wegen einer Vielzahl von Vorstrafen hat der Richter gegen die Fürstenfeldbruckerin eine zehnmonatige Bewährungsstrafe verhängt.

Einer Sonderkommission der Kriminalpolizei waren die gesetzeswidrigen Aufrufe zur Gewalt - tatsächlich waren es mehrere rechtsradikale Lieder - im Internet aufgefallen. Wie ein Kriminalbeamter in der Verhandlung berichtet, fanden Kollegen die Inhalte auf einer russischen Social-Media-Plattform, einer Art russischem Facebook, für das die Angeklagte einen eigenen Account hat. Diese räumt die Vorwürfe von Anfang an ein. "Das ist mir superpeinlich", betont die Frau mit den roten Haaren und den tätowierten Fingern.

"Wenn man sich das anhört, dann wird einem übel, speiübel", kommentiert der Vorsitzende Richter Johann Steigmayer den Inhalt. Die Angeklagte versichert, dass sie mit ihren damaligen Freunden, vor allem ihrem langjährigen Freund und Vater ihrer drei Kinder, nichts mehr zu tun habe. An den Post selbst habe sie praktisch keine Erinnerung: "Ich war damals dauerbreit", oft habe sie schon "um neun in der Früh mit einer Flasche Whisky angefangen". Vom Alkohol habe sie sich distanziert, ebenso von ihrem Ex-Freund, der in der rechten Szene sehr aktiv war.

Steigmayer weiß das, kennt ihren Ex-Freund, aber auch sie von mehreren Verhandlungen. Die strafrechtliche Vergangenheit der 35-Jährigen wiegt schwer bei einer weiteren Verurteilung. Sie hat nicht nur mehrere Vorstrafen, sondern auch noch eine offene Bewährung. Allerdings: Einschlägige, also ähnlich gelagerte Taten, sind in ihrem Strafregister nicht dabei. Außerdem beschreibt ihre Betreuerin sie als "sehr zuverlässig" und lobt die junge Frau in höchsten Tönen; sie ist nach einer Obdachlosigkeit jetzt in einem sozialen Wohnprojekt untergekommen. "Alkoholisiert habe ich sie nie gesehen", sagt die Betreuerin. Und berichtet von einer ambulanten Psychotherapie, die die Angeklagte seit zwei Jahren engagiert mitmacht

"Seit 2013 war sie nicht mehr aktiv", berichtet ein Kriminalbeamter von dem Account, auf dem die Posts entdeckt worden waren. Allerdings hatte die Fürstenfeldbruckerin das eiserne Kreuz - ein in rechten Kreisen oft genutztes, nicht verbotenes Symbol - damals nicht nur als schlichte Abbildung eines Ordens hochgeladen, sondern ihre Brüste dafür entblößt.

Denn an dieser Stelle hat sie das Zeichen tätowiert. "Das gibt es selten", unterstreicht der Zeuge. Auf Nachfrage des Staatsanwaltes versichert die Angeklagte, dass sie sich um eine Löschung ihres Accounts bemühen werde. Bislang habe sie den einfach vergessen gehabt.

"In meinen Augen hat die Angeklagte die Tragweite ihres Handelns nicht voll umfänglich begriffen", spielt der Staatsanwalt auf die gewaltverherrlichenden Inhalte mit appellativem Charakter an. Sie selbst habe sich zwar schon vor Jahren von der Szene distanziert, aber die "widerwärtigen" Texte stünden nach wie vor im Netz. Er beantragt "als allerletzten Schuss vor den Bug" eine zehnmonatige Bewährungsstrafe. Seinem Antrag folgen der Verteidiger wie der Richter. Der verhängt als Auflage 100 Stunden gemeinnützige Arbeit. Und verweist noch einmal eindringlich auf die Macht von Texten, die online verbreitet werden: "Man sieht ja, dass es zu Anschlägen kommt."

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SZ vom 02.12.2021
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