Unterwegs mit dem Männerballett:Glitzercreme auf Glatzen

Das Olchinger Männerballett ist die Attraktion beim Weiberfasching. Im Tourbus fährt die Truppe zu ihren nächtlichen Auftritten. Und überall kreischen die Frauen.

Anna Günther

Schrill schreien sie. Und ausdauernd. Sehr ausdauernd. Bei Geräuschen in dieser Lautstärke hätte die ein oder andere ausgelassen johlende Dame ihren Nachbarn wohl längst die Polizei auf den Hals gehetzt. Aber es ist Weiberfasching, die Stimmung kocht - die Frauen in ihren Kostümen auch. Und die Polizei? Ist schon da. Aber nicht, um den Spaß zu bremsen, sondern um die maskierte Damenwelt in Olching, Puchheim und Unterpfaffenhofen so richtig auf Trab zu bringen. Zwölf Männer in schwarzen Anzügen mit grün-glitzernden Pailletten-Applikationen schwingen in dieser Nacht bei fünf Auftritten ihre Hüften zu dröhnender Partymusik, flirten und gleiten in Formationen über die Bühne. Doch dort tanzen nicht etwa ausgebildete Profis. Inmitten von kreischenden Hexen, sexy Cops, Kühen und Marienkäfern schäkern und sliden Polizisten, Handwerker, ein Anwalt und der Geschäftsführer der Therme Bad Wörishofen.

Männerballett

Treibt die Partystimmung auf die Spitze: das Olchinger Männerballett.

(Foto: Günther Reger)

15 Jahre lang trainiert das Männerballett der Olchinger Tanzfreunde schon jeden Montag im örtlichen Rathaus und übt mit seiner Choreografin und "Chefin" Petra Schüler die Schrittfolgen ein. Mögen Freunde und Kollegen auch schmunzeln, die Truppe hält zusammen. Seit zwei Jahren herrscht Aufnahmestopp, mehr als zwölf Tänzer können nicht mitmachen - die Bühnen im Landkreis sind einfach zu klein. Und das Männerballett ist gefragt: Mehr als 40 Auftritte absolvierte die Gruppe im vergangenen Jahr, 2013 dürften es noch mehr werden. Der Weiberfasching ist ein Highlight, allein 15 Mal tanzen sie noch bis Aschermittwoch. Im Tourbus fahren die Männer durch die eisige Nacht, um alle fünf Partys in Olching, Puchheim und Unterpfaffenhofen pünktlich zu erreichen. Selbst wenn die Zeit zum nächsten Auftritt wieder drängt, weil's gar so schön war - drei Ehrenrunden im Kreisverkehr müssen sein. Wenn die Busse der Olchinger Tanzfreunde zufällig zwischen zwei Shows aufeinandertreffen, gibt es kein Halten mehr. Also grölt es in den Fahrzeugen vergnügt "Kreisverkehr, Kreisverkehr", bevor beide ihrer Wege ziehen und zum nächsten Termin fahren.

Doch zurück zum Beginn des Abends, in einer Umkleide des Sportclubs Unterpfaffenhofen-Germering. Oben tanzen die Damen des Frauenbundes Germering, unten sitzen einige Männer still auf den Bänken. Die flotten Sprüche der Hinfahrt scheinen vergessen. Wehrten sie sich zwei Minuten zuvor noch flachsend gegen die Glitzercreme, die Chefin Petra Schüler beinahe mütterlich über Arme, Gesichter und Glatzen strich, treibt die Nervosität nun auch die größten Kerle unter dem Spott der Verbliebenen in Richtung Toilette. Die Nervosität steht den Zwölfen in die Gesichter geschrieben. Besonders Reiner, ein Hüne mit tellergroßen Händen sitzt mit gesenktem Kopf still auf der Bank, die stichelnden Kommentare versucht er wegzulächeln. "Klack, klack, klack" klappern die Absätze der Chefin auf dem Gang - prompt bleiben auch den Vorlautesten die Frotzeleien im Hals stecken. "Noch ein Lied, dann geht's los", sagt Schüler vergnügt, rückt ihren Pailletten-Hut zurecht und treibt "ihre Männer" vor sich her, hin zu den feiernden Frauen.

Mit schwarzen Kapuzen auf den Köpfen marschiert das Männerballett ein, Leopardinnen, Schlümpfe und Putzfrauen weichen beiseite und drängen sich um die Bühne. Schon zu den ersten Akkorden jubelt die Menge, die Tänzer drehen Pirouetten, auch Reiner wirft breit grinsend Arme und Beine in die Luft - alle Nervosität ist vergessen. It's Show-Time. Die innere Rampensau scheint losgelassen, besonders in der ersten Reihe. Sempre und Wolfgang geben alles: Körperspannung, Strahlegrinsen, Musicalgesten. Als dann noch die Jacken fallen, tobt der dürftig geschmückte Saal. Viel Haut ist nicht zu sehen, die gut 100 Frauen kreischen trotzdem. Ausziehen kommt für die Tänzer nicht in Frage. Spaß stehe im Vordergrund, nicht Sexyness. "Wenn die Chippendales auf der Bühne stehen, denken die Frauen, mit wem begnüge ich mich denn? Und wenn wir tanzen, denken sie, hey, gar nicht so schlecht, was ich daheim habe", sagt Adalbert "Atschie" Heim vergnügt. Zehn Jahre tanzt der 53-Jährige schon mit, tagsüber arbeitet er bei der Fürstenfeldbrucker Kriminalpolizei.

Wie sein Kollege Thomas "Sempre" Remlein. Seit fünf Jahren ist er Mitglied des Männerballetts, seine Frau Marika näht die Kostüme. Die Kommentare der Kollegen seien ihm egal, sagt er, "aber es gehört schon was dazu, sich vor allen zum Affen zu machen. Dabei sind wir gut und die Kommentare völlig Banane."

Wenn selbige in der Show um seine Hüften baumeln und er zu "Zwei Apfelsinen im Haar und an der Hüfte Bananen" ein Josephine-Baker-Solo aufs Parkett legt, gibt es im Saal kein Halten mehr. Egal ob Unterpfaffenhofen, Puchheim oder Olching, die Frauen frohlocken und die Männer tanzen mit jedem Auftritt geschmeidiger. Vor dem Heimspiel kurz vor Mitternacht in der Olchinger Bar Cantina tigern sie dann doch wieder nervös hinter der Bühne auf und ab, dieses Publikum hier ist besonders kritisch. Sie mobilisieren die letzten Kräfte und tanzen, bis auch die eigenen Frauen, Freundinnen und Bekannten jubeln. Erleichtert und euphorisch stürmen die Tänzer von der Bühne und beschließen den Weiberfasching 2013 an der Bar.

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