Umwelt:Auch Allerweltsarten werden selten

Feldlerche, Goldammer und Star, Laubfrosch, Wechselkröte und Bläulinge: Im Landkreis macht sich das Tiersterben deutlich bemerkbar. Es fehlen Lebensräume und Nahrung

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Das Artensterben ist längst auch im Landkreis angekommen. "Das ist Fakt. Und es geht durch alle Arten", sagt Gerald Fuchs. Der 58-Jährige beschäftigt sich als Insektenforscher seit Jahrzehnten vor allem mit Schmetterlingen und Kleinschmetterlingen. Gut kennt er beispielsweise die Lebensräume entlang der Bahnlinie von Buchenau nach Schöngeising und weiter nach Grafrath, die der Landesbund für Vogelschutz pflegt.

Fuchs berichtet von zwei Schmetterlingsarten, beide Bläulinge. Sie werden zu Forschungszwecken gefangen und markiert. "Früher haben wir bei 500 aufgehört zu zählen." Es seien Tausende Tiere da gewesen. "Heute sind wir froh, wenn wir 30 oder 40 sehen", berichtet er. "Der Bestand ist extrem zusammengebrochen." Fuchs macht dafür den viel zu hohen Stickstoffeintrag verantwortlich, durch Düngung der Felder, aber auch durch die Luft.

Dadurch verschwinden die mageren Wiesen, stickstoffliebende Arten wie Brennnesseln oder das indische Springkraut breiten sich aus. Mit den Pflanzen verschwinden die Insekten, die von ihnen leben, und in der Folge all die Tiere, die von den Insekten leben: Igel, Spitzmäuse, Fledermäuse, Vögel wie der Neuntöter und der Bienenfresser, die große Insekten wie Maulwurfsgrillen oder Libellen brauchen.

Der Insektenschwund, ausgelöst auch durch den Einsatz von Giften, macht den Vögeln zu schaffen, die ihre Jungen mit Insekten groß ziehen, das sind praktisch alle Singvögel. Gerhard Wendl kennt die Folgen aus eigener Anschauung. Er betreibt die Vogelauffangstation in Olching. Der 74-Jährige, als Ornithologe ein Autodidakt, beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Vögeln. "Statt drei oder vier Junge bekommen die Eltern vielleicht nur noch eines groß, wenn die Insekten fehlen", erklärt er. Und von den Jungvögeln überlebten viele den ersten Winter nicht. Wendl erinnert sich an riesige Vogelschwärme, die im Landkreis zu sehen waren - verschwunden. Er bekommt auch immer weniger Vögel in seine Auffangstation. "Der Artenschwund ist ein Riesending", sagt Wendl.

Ernte

Die Flurbereinigung hat zu großen Ackerflächen geführt. Fehlen Gehölze und Tümpel, haben Tiere keinen Lebensraum mehr. Wird zudem von außen nach innen gemäht, können die Tiere den großen Maschinen nicht entkommen.

(Foto: Günther Reger)

Einstige "Allerweltsvögel" seien selten geworden, wie die Feldlerche und die Goldammer. Die Lerche, die beim Fliegen singt, höre man kaum noch. Die Grauammer sei praktisch verschwunden, ebenso die Wachtel, das Rebhuhn und beinahe der Kiebitz. Die letzten Brutpaare werden im Frühjahr aufwendig beschützt. 70 bis 80 Prozent der Vögel seien weg. "Das merkt man auch als Laie", sagt Wendl. Er versteht deshalb die Leute nicht, die Vorbehalte gegen das Volksbegehren zum Artenschutz haben.

Den Vögeln im Landkreis macht Wendl zufolge nicht nur der Mangel an Insekten zu schaffen, sondern auch, dass ihre Lebensräume verschwinden. So gebe es etwa keine Raubwürger mehr im Fußbergmoos. Weil das Feuchtgebiet austrockne, verbusche es, es wüchsen dort vermehrt Faulbäume. Der Raubwürger aber brauche die offenen Feuchtflächen, auf denen er Mäuse, Insekten und kleine Vögel jagen könne. Die Vögel, die auf Äckern brüten

Der Star wiederum habe zwei Probleme: Im immer stärker verdichteten Boden finde er kaum noch Würmer, mit denen er seine Jungen füttern könne. Und in den Überwinterungsgebieten in Nordafrika würden die Vögel gefangen, weil sie als Schädlinge gälten. "Da werden die massenhaft vernichtet." Wendl weiß auch von einigen Arten, deren Zahlen zunehmen, der Grünspecht zum Beispiel. Er profitiert davon, dass an Böschungen immer öfter kiesige Flächen angelegt werden, in denen viele Ameisen leben. Sein naher Verwandter, der Grauspecht, braucht alte Laubmischwälder mit viel Totholz. Er ist Wendl zufolge im Landkreis kurz vor dem Aussterben.

Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) bemerkt deutliche Rückgänge auch bei den Amphibien, die im Frühling bei ihrer Laichwanderung zum Beispiel bei Wenigmünchen und Poigern (Gemeinde Egenhofen) eingesammelt werden. Simon Weigl vom LBV zufolge werden dort gar keine Wechselkröten und Laubfrösche mehr gefunden. Erdkröten, Grasfrösche, Teich- und Bergmolche gibt es noch, aber in Poigern nicht mehr 4000 Tiere wie vor 30 Jahren, sondern nur noch etwa 450.

In Poigern sei die Wiese um den Teich der Amphibien zu einem Acker geworden, erklärt Weigl. Zur Paarungs- und Wanderzeit werde dort geodelt, das hielten die Amphibien nicht aus. Doch hier bestehe Hoffnung: Der Landkreis wolle die Fläche pachten und als ökologische Ausgleichsfläche nutzen, erklärt Weigl.

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