Umstrittenes Material:Kunststoff als Kunststoff

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Die Jahresausstellung der Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck widmet sich dem Thema Plastik. Dabei geht es nicht nur um Umweltverschmutzung und Gefahren des Materials, sondern um einen differenzierten Blick

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Die Diskussion darüber, wie politisch Kunst sein muss, darf, soll oder kann, ist so alt wie die Kunst selbst. Es gibt so viele Standpunkte wie Künstler. Gerade im Landkreis spielt die politische Dimension gegenüber der reinen Ästhetik oft eine eher untergeordnete Rolle. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck in ihrer Jahresausstellung im Haus 10 mit dem Thema Plastik beschäftigt - und das auch noch ziemlich interessant und ohne einfach plumpe Anklagen vorzutragen.

Stephan Juttner zeigt ein magersüchtiges Mädchen, ganz deutlich beeinflusst durch ihre Barbie. (Foto: Johannes Simon)

Im Gegenteil, es gelingt sogar, das Thema mit seinen positiven und negativen Seiten differenziert darzustellen und das Bewusstsein dafür zu stärken, wie problematisch der alltägliche Umgang mit dem robusten, kaum abbaubaren Allround-Stoff ist. So hat die 1978 geborene Künstlerin Alica Henry im hinteren Raum ein typisches Künstleratelier aufgebaut. Es ist erschreckend zu sehen, wie viel Plastik sich dort tummelt: Farbflaschen, Eimer, verschiedene Behälter, eine Kelle mit Schwamm. Und sogleich stellt sich beim Anblick die Frage, ob der Künstler überhaupt auf etwas davon und damit den zwangsläufig entstehenden Müll verzichten könnte. An der Wand neben der Atelierszene prangt ein schimmernder Schriftzug: "Plastic is fantastic". Er bringt das Problem auf den Punkt. Ja, Kunststoffe sind umweltschädlich, aber eben auch unglaublich praktisch und vielseitig, günstig und verfügbar - ein Dilemma. Ebenso geht es mit Helga Conings Installation, die deutlich von Damian Hirsts "Waste" inspiriert ist. Dessen zwei mit medizinischen Abfällen gefüllten Vitrinen sind im Münchner Brandhorst-Museum zu sehen. Auch Conings hat auf dem Boden allerlei Medizin-Müll drapiert, dazwischen auf einer Stehle ein menschliches Gesicht, geformt aus Plastik.

Bettina Elsässer-Max präsentiert einen Tierschädel auf einem Holzbrett, eingehüllt in Verpackung. (Foto: Johannes Simon)

Freilich findet sich auch eine Darstellung des offensichtlich größten Problems: der Plastikmüll in den Meeren. Von der Decke im Eingangsbereich hängt eine Installation, die Meeresoberfläche aus Spülschwämmen wird nach oben und unten mit einem Netz aus zerfetzten Duschschwämmen durchbrochen, darin hängt ein kleiner Plastikfisch. Zu welch absurden Blüten der Plastikeinsatz führen kann, führt Friedo Niepmann vor Augen, wenn er in einen Schaukasten 135 gebrauchte Zahnbürsten in unzähligen Formen und allen Farben feinsäuberlich sortiert nebeneinander aufstellt.

Die zu einer Art Gardine zusammengefügten Plastikfäden stammen von Hans Fuchs. (Foto: Johannes Simon)

Dass Plastik nicht zwingend Kurzlebigkeit bedeutet, zeigt Christine Helmerich. Ein Kunststoff-Parkhaus für Modellautos, das sie bei einem Händler gefunden hat und das aus den Siebziger- oder Achtzigerjahren stammt, wirkt, als ob es nur darauf wartet, dass gleich eine Gruppe Kinder zum Spielen kommt. Eine ähnliche Botschaft geht von einem Siebzigerjahre-Picknickset aus. In den Farben Orange und Braun freilich nicht mehr ganz modern und dennoch von einer besonderen Ästhetik, ist es optimiert, kein Teil, keine Wand ist zuviel. Ja, das zeigen Helmerichs Exponate, Plastikmüll ist nicht abbaubar, aber ebenso sind Dinge aus Kunststoff jahrzehntelang nutzbar.

Wirklich düster dagegen wirkt ein Gemälde von Helmerich. In dunklen Tönen gehalten, zeigt es einen Fluss, der unter einer Brücke hindurch führt. Im Wasser schwimmen unzählige Plastikteile wie Leichen Richtung Meer. Die Atmosphäre ist gespenstisch und brutal zugleich. Auf der Brücke steht, wie ein Aufsteher, ein grellrosafarbiger Legostein. Es wirkt als überprüfe er, dass der Strom der tödlichen Fracht auch ja nicht abreißt.

Auch sonst gibt es noch einige Verbindungen von Plastik und Umwelt zu entdecken, sei in Fotografien, Gemälden oder Installationen. Die Aussagen, die die Werke transportieren, sind nicht aufdringlich und gerade deshalb so eindringlich. Überhaupt ist die Ausstellung trotz der vielen Farben, Materialien und so konträren Sichtweisen auf das Thema, auffällig unaufgeregt - und damit unbedingt einen Besuch wert.

Ausstellung "Plastic World", Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck, Haus 10 auf dem Klostergelände, Vernissage am Freitag, 23. März, 19.30 Uhr; bis 8. April, freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags, sonntags und Ostermontag von 10 bis 18 Uhr.

© SZ vom 22.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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