Süddeutsche Zeitung

Umgang mit Asylbewerbern:Mit einem "Zuckerl" abgespeist

Lesezeit: 2 min

Die Asylhelfer in Mittelstetten bemühen sich um eine Arbeitsstelle für einen Flüchtling. Deshalb fragen sie das Landratsamt um Rat. Über die Antwort sind alle Helferkreise im Landkreis empört

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Obwohl es im täglichen Politikbetrieb kaum ein wichtigeres Thema als "Asyl" zu geben scheint, fühlen sich die ehrenamtlichen Asylhelfer nicht mehr ernst genommen. Gleichzeitig klagen Mitarbeiter der Ausländerbehörde im Landratsamt über Arbeitsüberlastung. Das führt, wie jüngst im Fall eines Asylbewerbers aus Mittelstetten zu Spannungen zwischen den Ehrenamtlichen und der Verwaltung. Landrat Thomas Karmasin (CSU) und sein Amt sehen sich dem Vorwurf mangelhafter Kommunikation ausgesetzt. Wie schwierig das Verhältnis zwischen Helfern und Behörde inzwischen ist, zeigt ein Schriftverkehr, der der SZ vorliegt.

Wochenlang hat Ulrich Waldbach, Vorsitzender des Asylhelferkreises Mittelstetten, auf Antworten aus dem Landratsamt warten müssen. Der Helferkreis hatte für einen Schützling eine Arbeitsstelle gefunden, so Waldbach, und es sei um die Bestätigung aus der Ausländerbehörde gegangen. Doch auf die E-Mail, die Waldbach von Mittelstetten nach Fürstenfeldbruck schickte, wurde automatisch mit einer Abwesenheitsnotiz beantwortet. Drei Wochen lang hörte Waldbach, wie er der SZ sagte, nichts, dann schickte er eine neue E-Mail, und schon wieder kam die Mitteilung, der Mitarbeiter sei abwesend. Waldbach war verärgert, weil sich seine Anfrage so lange hinzog. Er musste sich mit der Mail des Sachbearbeiters begnügen, der ihm erklärte, warum der Fall des Asylbewerbers aus Mittelstetten noch nicht bearbeitet worden sei. "Durch derzeitigen Personalausfall sowie erhöhte Anfragen unterschiedlicher Behörden (BAMF, Regierung von Oberbayern, Polizei, Justiz, etc.) mussten wir leider die Bearbeitung priorisieren." Priorität hätte demnach die Bearbeitung der reinen Asylverfahren. Das hätte Waldbach noch akzeptiert, doch störte ihn der Satz: "Da die Erwerbstätigkeit im Asylverfahren ein 'Zuckerl' durch die aktuelle Gesetzgebung ist (siehe Österreich, absolutes Arbeitsverbot für Flüchtlinge), bedeutet dies eine Mehrarbeit für die Sachbearbeitung (§ 61 AslyG, sowie die Weisung vom 01.09.2016 des Bayerischen Staatsministerium des Inneren, Bau und Verkehr." Sobald es "Zeit und Raum zulassen", so der Mitarbeiter des Landratsamtes, werde der Vorgang bearbeitet. Da die Helferkreise untereinander immer noch rege kommunizieren, machte die Antwort bald die Runde, so dass Waldbach zurückschrieb: "Ihr Hinweis, dass eine Erwerbstätigkeit ein Zucker für Asylbewerber sein soll, stößt im gesamten Helferkreis des Landkreises auf absolutes Unverständnis." Hans Sautmann, Sprecher des Asylhelferkreises Eichenau, bestätigt dies.

Die Wochen, in denen nichts passierte, waren die, die bei Asylhelfer Waldbach Sorgen auslösten und er sich fragte: "Wie kann ich Asylbewerbern noch helfen, wenn ich keine Informationen bekomme?" Dass sich in der Zwischenzeit schon etwas Gravierendes getan hatte, bekam Waldbach nicht mit. Erst Ende Juni erfuhr er, dass die Akte des Asylbewerbers aus Mittelstetten nicht mehr beim Landratsamt bearbeitet, sondern bereits am 12. Juni an die Regierung von Oberbayern abgegeben worden war.

Eine Woche drauf bekam Waldbach Post vom Landrat, in der Thomas Karmasin (CSU) diesen Vorgang bestätigte. Ob der Asylbewerber davon erfuhr, dass seine Akte bei der zentralen Ausländerbehörde von Oberbayern abgegeben wurde, "ist von unserer Seite leider nicht mehr nachvollziehbar". Die Verzögerungen erklärt Karmasin unter anderem damit, dass trotz sinkender Flüchtlingszahlen eine Entlastung der Behörde unter anderem deshalb nicht eingetreten sei, "weil die Rückführung von Menschen ohne Aufenthaltsrecht durch vielfältige Handlungen (Rechtsmittel, Probleme mit dem zurücknehmenden Land, Probleme mit dem Identitätsnachweis, Vorlage von Attesten, etc.) verzögert wird, so dass noch immer nahezu die gleiche Anzahl von Zuwanderern zu betreuen sind".

Enquetekommission Integration

Auf 319 Seiten der Landtagsdrucksache 17/22800 hat die Enquetekommission des bayerischen Landtags mit dem Titel "Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben" ihren Abschlussbericht nach zweijähriger Arbeit zusammengefasst. Im elften von elf besprochenen Themenfeldern sind Handlungsempfehlungen für die Kommunalpolitik formuliert worden, die bei ernsthafter Würdigung der Kommissionsarbeit auch umgesetzt werden könnten. Es ist davon die Rede, Integrationscenter auf Kreisebene als erste Anlaufstelle und zur Koordination einzuführen. Das würde, auch aus Sicht der Asylhelfer vieles vereinfachen.

Dass die Empfehlungen zur Integration nicht nur der Minderheit der Migranten dienen, sondern der großen Mehrheit der Bevölkerung zugute kommen, zeigt sich schon in Punkt 3: Da Zuwanderer stark auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen seien, sollten die Kommunen zusammen mit der Staatsregierung Lösungen entwickeln, "um die allgemeine Mobilität zu optimieren". Selbst die "Ausübung einer regelmäßigen Tätigkeit" sei von großer Bedeutung, wenn es um die Akzeptanz von Geflüchteten in den Kommunen gehe. Ein Satz, der ein Mehrheitsvotum von CSU, Freien Wählern und Experten in der Kommission bekommen hat. Der Experte für das Thema Kommunales war in den vergangenen zwei Jahren der Landrat des Landkreises Fürstenfeldbruck, Thomas Karmasin (CSU). ecs

Damit Asylhelfern auch dann geholfen werden könne, wenn Mitarbeiter im Urlaub oder aus anderen Gründen abwesend seien, so der Landrat in seiner Antwort , sei eine zentrale E-Mailadresse eingerichtet worden. Damit sei eine "adäquate Abarbeitung der eingehenden Anfragen gewährleistet".

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Quelle:
SZ vom 19.07.2018
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