Ukraine-Krieg:Eichenau nimmt Flüchtlinge auf

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Gut 70 Teilnehmer zählt die Mahnwache am Freitagabend auf dem Hauptplatz in Fürstenfeldbruck. (Foto: Leonhard Simon/Leonhard Simon)
  • Helfer in Eichenau stehen bereit
  • Friedensgebet an der Edigna-Linde in Puch
  • Mahnwache am Hauptplatz Fürstenfeldbruck
  • Landratsamt bereitet sich auf die Aufnahme von Geflüchteten vor
  • Bürgermeister meldet sich aus umkämpftem Gebiet

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

In Eichenau ist am Freitag mit den Vorbereitungen für die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen begonnen worden. Geplant ist, zunächst in einer Turnhalle eine Notunterkunft einzurichten. Darüber haben sich Bürgermeister Peter Münster (FDP) und ein enger Kreis von 15 Unterstützerinnen und Unterstützern aus Eichenau am Freitagmittag abgestimmt. Münster ruft alle Eichenauer zur Mithilfe auf und hat die Adressen von Ansprechpartnern sowie eine zentrale Handynummer auf der Gemeindehomepage www.eichenau.org veröffentlicht. Nachdem Münster am Freitagmorgen seinem Amtskollegen Aleksej Momot in Eichenaus Partnerstadt Wischgorod zugesichert hatte, Flüchtlinge aufzunehmen, hätten sich bis zum Nachmittag bereits sieben Personen gemeldet. Münster erwartet sie nicht vor Montag.

"Sie stehen an der polnischen Grenze oder bewegen sich auf sie zu", erklärte Peter Münster am Freitagnachmittag. Ob nun die bereits bekannten sieben Flüchtlinge aus Wischgorod kommen oder mehr, das kann Münster noch nicht sagen. Viele machten sich einfach auf, ohne sich anzumelden, meinte er. Dankbar ist er für die Unterstützung der Eichenauerinnen und Eichenauer, die sich bereits am Donnerstag bei ihm gemeldet und ihre Unterstützung angeboten haben.

In Abstimmung mit dem Landratsamt möchte die Gemeinde zunächst nur Betten in einer Turnhalle aufstellen. Laut Münster wird das für den Übergang reichen. Er würde die Ausstattung dafür aus den Beständen des Notfalllagers des Landkreises nehmen, das praktischerweise in Eichenau ist.

Da zumindest bis Freitagabend alle Kommunikationswege nach Wischgorod hielten, war es weiter möglich, Informationen aus der Partnerstadt zu bekommen. Die Betroffenheit über die Situation der Freunde ist in Eichenau aber zu spüren.

Musikverein ist erschüttert

So hat sich der Musikverein Eichenau in einer Solidaritätsadresse an die Freunde in der Partnerstadt Wischgorod erschüttert und fassungslos gezeigt. Auf Facebook erinnerten die Mitglieder an den warmherzigen Empfang vor gut zweieinhalb Jahren in Wischgorod: "Unsere Gedanken sind bei unseren ukrainischen Freunden - wir hoffen, dass dieses schreckliche Kapitel schnellstmöglich ein Ende findet!"

Eine Welle der Solidarität erreicht die Wischgoroder auch von ihrer weiteren deutschen Partnerstadt Lörrach und aus Budrio, der italienischen Partnerstadt Eichenaus. Bürgermeister Maurizio Mazzanti traf Momot bei einem gemeinsamen Besuch in Eichenau 2018. Die Badische Zeitung berichtete davon, dass Momot dem Lörracher Bürgermeister über Angriffe auf die Stadt berichtet habe. In Wischgorod gibt es eine Kaserne, auch im Rayon sind militärische Einrichtungen. Videos, deren Authentizität nicht überprüfbar sind, zeigen Angriffe mutmaßlich russischer Kampfflugzeuge und Hubschrauber, die vermutlich über dem Dnjepr-Stausee von Wischgorod fliegen.

Wie es ist, Unbeteiligter in einem Krieg zu sein, schilderte Fedir Balandin live aus dem Keller seiner Wohnung in Kiew am frühen Freitagabend während einer Mahnwache auf dem Hauptplatz in Fürstenfeldbruck. Organisiert von der Grünen Jugend und zusammen mit Jungsozialisten, der Jungen Union sowie den Parteien Volt und Die Partei kamen etwa 70 Menschen zusammen. Sie hörten Balandins Bericht, nachdem CSU-Stadtrat Andreas Lohde eine Telefonverbindung nach Kiew hergestellt hatte. Balandin rief seine "Freunde im schönen Bayern" auf Englisch auf, "diesen verrückten Mann Putin zu stoppen" und berichtete von den Fliegerangriffen und den Schüssen auf Kiews Straßen. Lohde berichtete darüber hinaus aus einem vorangegangenen Telefonat, wonach Balandin beobachtet hätte, wie russische Soldaten in der Stadt ihre Uniformen wechselten und in ukrainischen Uniformen auf die Suche nach Regierungsmitgliedern gingen.

Judith Schacherl, Sprecherin der Grünen Jugend, sagte sichtlich bewegt, dass alle jungen Menschen in ein vereinigtes Deutschland und ein vereintes Europa geboren wurden, nie Grenzen kennengelernt und nie an einen Krieg in Europa gedacht hätten. "Das ist schwer, wenn es einem bewusst wird", sagte Schacherl. Andreas Lohde kündigte an, dass auf diese Mahnwache weitere folgen müssten, und bat schon einmal alle Fürstenfeldbrucker darum, sich Gedanken zu machen und vielleicht zusammenzurücken, um Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen.

Gebet für den Frieden

Neben der politischen und praktischen Solidarität mit der Ukraine gibt es jene, die sich der Religion manifestiert. Deshalb will der Edigna-Verein im Fürstenfeldbrucker Ortsteil Puch am Samstag an der Edigna-Linde beten. "In großer Sorge denken wir an die Menschen in der Ukraine und beten zur seligen Edigna um Hilfe, Segen und Beistand für die Ukraine", kündigt Edigna Kellermann, die Vorsitzende des Edigna-Vereins Puch, das Friedensgebet an, das am Samstag, 26. Februar, um 16 Uhr geplant ist.

Die Tochter des Kiewer Fürsten Jaroslaw soll die Einsiedlerin Edigna gewesen sein. Gezeigt wird sie im Deckengemälde der Kirche St. Sebastian in Puch. (Foto: Carmen Voxbrunner)

In Puch zeigt sich eine andere, besondere Beziehung zwischen dem Landkreis und der Ukraine. Denn das Schicksal der seligen Edigna, die vor 900 Jahren in der Linde gelebt haben soll und wo ihre sterblichen Überreste verwahrt werden, spielt in der ukrainischen Geschichte eine wichtige Rolle. Deshalb ist Puch auch Pilgerstätte für Angehörige der ukrainisch-orthodoxen Kirche. Unter anderem hat der damalige ukrainische Staatspräsident Wiktor Juschtschenko die Linde besucht. Der Legende nach war Edigna eine Tochter des Königs Heinrichs I. von Frankreich und seiner Frau Anna. Die wiederum war eine Tochter des Fürsten Jaroslav von Kiew. Auf dem Weg von Frankreich in das Reich der Kiewer Rus, die heutige Ukraine, blieb sie im heutigen Puch und lebte dort angeblich jahrzehntelang als Einsiedlerin in der Linde. Über Edigna, und darauf wies Andreas Lohde bei der Mahnwache hin, habe der Künstler Fedir Balandin ein Theaterstück geschrieben.

Landratsamt prüft Unterkünfte

Der Landkreis Fürstenfeldbruck bereitet sich ebenfalls darauf vor, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Die Regierung von Oberbayern habe nicht nur Fürstenfeldbruck, sondern alle Kreise in Oberbayern gebeten, sich auf die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge vorzubereiten, sagte die Sprecherin der Behörde, Ines Roellecke, am Freitag. Eine Aufgabe des Landratsamtes wird es sein, Liegenschaften des Freistaats und des Bundes zu prüfen, ob sie für die Unterbringung geeignet sind. Gefragt nach den vom Landkreis betriebenen Unterkünften für Asylbewerber, sagte Roellecke, dies werde natürlich angeboten. "Einen Leerstand in größerem Umfang gibt es aber nicht."

Bürgermeister Momot sendet aus dem Rathaus

In Eichenaus Partnerstadt Wischgorod meldet sich deren Bürgermeister Aleksej Momot regelmäßig per Videobotschaften aus dem Rathaus. Das sind die Wischgoroder gewöhnt. Und auch während der laufenden Invasion der Westukraine sendet Momot weiter seine Informationen.

Wischgorod liegt nördlich von Kiew und grenzt direkt an die ukrainische Hauptstadt an. Die Stadt mit etwa 28 000 Einwohnern ist Sitz der Rayonsverwaltung, vergleichbar mit einem Landratsamt. Eichenau ist Partner sowohl der Stadt als auch des Rayons, in dem auch das Atomkraftwerk Tschernobyl liegt. Das wurde von den russischen Truppen, die aus Belarus vordrangen und nach Beobachtungen der Ukrainer keine Hoheitszeichen auf ihren Uniformen tragen, bereits eingenommen. Am Aufmarschweg der Invasoren von Norden Richtung Kiew liegt auch Nowi Petriwzi, ein Ort in der Nähe von Wischgorod, in dem mit Eichenauer Hilfe ein Kinderheim errichtet wurde. Über das Schicksal der dort lebenden Kinder und Jugendlichen ist derzeit noch nichts bekannt.

Wischgorod Bürgermeister Aleksej Momot beim Besuch in Eichenau 2017. (Foto: Günther Reger)

Wischgorods Bürgermeister Momot scheint zumindest am zweiten Tag des Krieges in seinem Land weiter stoisch und unbeugsam zu bleiben und hat einen Videobeitrag mit den Worten kommentiert: "Wir geraten nicht in Panik, wir halten durch! Ehre der Ukraine!"

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