Fürstenfeldbruck:Wie ukrainische Geflüchtete künftig Grundsicherung erhalten

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Geflüchtete aus der Ukraine werden registriert. Momentan leben 2297 ukrainische Flüchtlinge im Landkreis. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Jobcenter ist von Juni an für die Auszahlung der Leistungen zuständig. In einer digitalen Informationsveranstaltung erklärt es Helferinnen und Helfern, was zu tun ist.

Von Carim Soliman, Fürstenfeldbruck

"Wir sind in Deutschland", scherzt Andrea Gummert von der Caritas Fürstenfeldbruck einmal, "ein bisschen Bürokratie muss schon sein". Die Pointe sorgt bei den zugeschalteten Helferinnen und Helfern im Videochat für Erheiterung. Claudia Baubkus, die im Lifestudio FFB leibhaftig neben Gummert sitzt, kann sich hingegen nur zu einem höflichen Lächeln durchringen.

Die Geschäftsführerin des Jobcenters Fürstenfeldbruck weiß, welche Herausforderung da auf sie und ihre Mitarbeitenden zukommt. Baubkus rechnet im kommenden Monat mit "50 bis 70 Prozent mehr Bedarfsgemeinschaften". Am 1. Juni übernehmen die Jobcenter die Zuständigkeit für Sozialleistungen erwerbsfähiger Geflüchteter aus der Ukraine. Dann sind sie Leistungsträger und Ansprechpartner für Deutschkurse, Arbeitsvermittlung und Grundsicherung. Bisher war es im Sinne des sogenannten Asylbewerberleistungsgesetzes Aufgabe der Sozialämter, registrierte Ukrainerinnen und Ukrainer abzusichern.

Die Verschiebung der Zuständigkeiten geht auf einen Beschluss des Bundeskabinetts im April zurück. Anlässlich dieses "Rechtskreiswechsels" haben Caritas und die Stadt Fürstenfeldbruck am Montagabend zu einer digitalen Informationsveranstaltung geladen. Expertin Baubkus hält eine Präsentation und beantwortet anschließend Fragen der rund 45 zugeschalteten Helferinnen und Helfer. Sie begleiten ukrainische Geflüchtete bei Behördengängen, schlagen für sie eine "Brücke" zur deutschen Verwaltung, wie Andrea Gummert es beschreibt.

Viele Geflüchtete und ihre Helfer klagen über bürokratische Hürden und lange Wartezeiten

Die Brücke führte nicht immer ans andere Ufer in den vergangenen Wochen. Viele Geflüchtete und Freiwillige klagten über bürokratische Hürden, lange Wartezeiten und unbeantwortete Schreiben an Ämter. Zum Teil dauerte es Wochen, bis Ukrainerinnen und Ukrainer Leistungen erhielten. Auch, weil einigen nicht klar war, welcher Landkreis für sie zuständig ist. Den Prozess zu vereinheitlichen, sei einer der Gründe, weshalb künftig das Jobcenter die Leistungszahlungen übernimmt, sagt Baubkus: "Alles soll aus einer Hand geleistet werden."

Um die Grundsicherung und andere Leistungen durch das Jobcenter in Anspruch zu nehmen, benötigen ukrainische Geflüchtete eine Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise eine sogenannte "Fiktionsbescheinigung". Während der Bearbeitung des Antrags durch die Ausländerbehörde dient sie als vorläufige Aufenthaltserlaubnis. Anders als für Leistungen durch das Sozialamt müssen Antragstellende ein deutsches Girokonto nachweisen. Außerdem sind Kopien der Meldebescheinigung und der Reisepässe aller Familienmitglieder nötig, für die sie Unterstützung beantragen.

Das letzte einzureichende Dokument ist der eigens für die ukrainischen Geflüchteten entwickelte Kurzantrag, der aus sieben Seiten besteht. Er soll es ihnen "so einfach wie möglich" machen, eine Grundsicherung zu beantragen. Je nach Familiengröße umfasse ein regulärer Antrag 16 bis 18 Seiten, erklärt Baubkus: "Das wollten wir dringendst vermeiden." Außerdem ist es möglich, den Antrag online auszufüllen. Zu finden ist er auf einer Webseite des Jobcenters, neben einer Check-Liste und einem Fragebogen zur Arbeitsvermittlung. Alle Informationen und Dokumente stehen auch in ukrainischer Übersetzung zur Verfügung. Die Seite ist regulär über den Link erreichbar oder einen scanbaren QR-Code.

Der Wechsel ins Regelsystem bedeutet höhere Leistungen für Ukrainerinnen und Ukrainer

Durch die Überführung vom Asyl- ins Regelsystem erhalten Ukrainerinnen und Ukrainer künftig höhere Leistungen. Der Regelsatz für Alleinstehende und Alleinerziehende beläuft sich auf monatlich 449 Euro. Partnerin und Partner erhalten jeweils 404 Euro und Kinder, je nach Alter, 285 bis 360 Euro. Zudem übernimmt das Jobcenter bestimmte Kosten, unter anderen für Unterkunft und Bildung.

Aber wie war das noch mit Deutschland und der Bürokratie? Ganz unkompliziert ist auch die Abwicklung des Jobcenters nicht, stellt sich auf Nachfragen der Helferinnen und Helfer heraus. Der Antrag ist zwar übersetzt worden, einzureichen ist er aber unbedingt auf Deutsch. Und er lässt sich zwar online ausfüllen, eine händische Unterschrift der Antragsstellenden ist aber weiterhin nötig. Zumindest die letzte Seite des Dokuments muss also ausgedruckt und unterschrieben wieder digitalisiert werden. Andere Dokumente, zum Beispiel das Kontaktformular zur Arbeitsvermittlung, können auch weiterhin nicht digital eingereicht werden. Geflüchtete sollen durch das Jobcenter früher Leistungen erhalten können als bisher. "Wenn der Antrag vollständig vorliegt", sagt Baubkus, "ist das schnell passiert." Aber eine konkrete Zeitspanne will sie nicht nennen.

Andrea Gummert von der Caritas nimmt es mit Humor - und Zuversicht. "Ich weiß", sagt sie zum Schluss zu Claudia Baubkus, "dass es für Sie ein großer Kraftakt ist im Jobcenter". Aber schließlich habe man diesmal etwas Zeit gehabt, sich vorzubereiten, und sei sich der Aufgabe bewusst. Gummert drückt im Namen der Helferinnen und Helfer die Daumen, dass sich das Postfach des Jobcenters mit Anträgen füllt. "Toi, toi, toi."

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