Ukraine-Flüchtlinge:Kommunen am Rande der Leistungsfähigkeit

Ukraine-Flüchtlinge: Ukrainische Flüchtlinge werden im Landkreis Fürstenfeldbruck auch in Turnhallen untergebracht.

Ukrainische Flüchtlinge werden im Landkreis Fürstenfeldbruck auch in Turnhallen untergebracht.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Bayerische Städtetag warnt vor einer Überforderung der Landkreise, Städte und Gemeinden durch eine Änderung der staatlichen Hilfen für Flüchtlinge.

Von Erich C. Setzwein, Olching

Landkreise, Städte und Gemeinden in Oberbayern sehen sich vor neue Herausforderungen gestellt bei der Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen. Es fehlt nach Einschätzung der Bürgermeister nicht nur Personal in den Schulen und Kindertagesstätten, um die vor dem Krieg geflüchteten Kinder betreuen zu können, sondern es fehle vor allem Wohnraum. Bei einer Tagung der oberbayerischen Mitglieder des Bayerischen Städtetags am Dienstag in Olching warnte der geschäftsführende Vorstand Bernd Buckenhofer vor einer Überforderung der Kommunen. Der Freistaat müsse seine Verpflichtungen wahrnehmen und die Kommunen finanziell besser ausstatten, forderte Buckenhofer.

"Wir brauchen mehr Beinfreiheit, um schneller und flexibler auf die Probleme reagieren zu können", sagte der gastgebende Olchinger Bürgermeister Andreas Magg (SPD). Er meint damit unter anderem die Ausstattung der Schulen und Kindertagesstätten. Magg hat in der Versammlung ein "erhebliches Unbehagen festgestellt", wie er bei einer Pressekonferenz sagte. Gerade jetzt wäre es wichtig, so Magg, ausreichend Fachkräfte in der Verwaltung und in den Bildungseinrichtungen zu haben, doch wie andere Städte und Gemeinden habe auch Olching Personalprobleme. Magg sieht als einen Lösungsansatz, den Betreuungsschlüssel zu verändern, um mehr Kinder in den Gruppen unterbringen zu können. Dass auch Kitas wegen fehlenden Personals geschlossen werden müssten, hält er für möglich.

Obwohl für die aktuellen Fragestellungen noch keine für die Städte und Gemeinden wirklich zufriedenstellenden Lösungen vorliegen, tut sich womöglich ein noch viel größeres Problem auf. Der so harmlos klingende "Rechtskreiswechsel" zum 1. Juni würde den Landkreisen und Kommunen erhebliche Mehrarbeit bescheren. So sollen zu diesem Stichtag die Flüchtlinge nicht mehr unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, nach dem der Staat verpflichtet ist, unter anderem für die Unterbringung zu sorgen, sondern es soll dann das Sozialgesetzbuch II, also Hartz IV gelten.

Bislang sei es so, sagte Städtetagsvorsitzender Bernd Buckenhofer, dass den Kommunen die durch die Unterbringung von Geflüchteten entstehenden Kosten erstattet würden. Dieses Unterstützungssystem werde aber wegfallen. Flüchtlinge, die dann Hartz-IV-Bezieher werden, müssten eine Wohnung nachweisen. Buckenhofer verwies darauf, dass für die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten in erster Linie Bund und Länder verantwortlich seien. Er hält es deshalb für erforderlich, dass es weiter dezentrale Unterkünfte geben müsse und neue Gemeinschaftsunterkünfte geschaffen werden sollten. "Wir müssen einen Weg finden, dass das System erhalten bleibt", sagte Buckenhofer.

Wie Magg, verwies Bernd Buckenhofer darauf, dass viele ukrainische Kriegsflüchtlinge privat Unterschlupf gefunden hätten. "Das war aber nur Erste Hilfe", sagte Magg. Jetzt gelte es, für diese Menschen Wohnraum zu finden. Magg sagte, dass Städte wie Olching zwar dabei seien, geförderte Wohnungen zu bauen, aber dieser Wohnraum nicht für Flüchtlinge gedacht gewesen sei. Der Bürgermeister sieht jetzt schon voraus, dass es Fragen der Einheimischen geben werde, die "teils seit Jahrzehnten auf eine bezahlbare Wohnung warten".

Krisenvorsorge muss neu gedacht werden

Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März (CSU), Sprecher der kreisfreien Städte im Bayerischen Städtetag, lenkte den Blick auf die Leistungsfähigkeit der Kommunen, die bereits in der Corona-Pandemie an ihre Grenzen gekommen seien. Durch den Krieg in der Ukraine mit all seinen Folgen sei dies umso sichtbarer geworden. "Wir haben gedacht, dass die drei großen Geißeln der Menschheit, Hunger, Krankheit und Krieg nicht mehr existent sind", stellte März fest, um klarzumachen, dass dies eine Ursache habe: "Wir haben seit dem Ende des Kalten Krieges die Erfahrung verloren, mit existentiellen Krisen umzugehen." Er hält deshalb die Sensibilisierung der Bevölkerung für den Umgang mit Krisen und Katastrophen für unabdingbar. Als Beispiele nannte er die Flutkatastrophe in Ahrweiler, den Krieg in der Ukraine, aber auch die Pandemie in den vergangenen beiden Jahren. "Es geht um Sicherheit und Reserven, das kostet etwas", sagte der Rosenheimer OB. Welche finanziellen Folgen da entstehen können, versuchte Olchings Bürgermeister Andreas Magg mit Verweis auf das Hochwasser von 1999 zu belegen. Als es danach um neue erforderliche Schutzmaßnahmen ging, sei Protest laut geworden. Magg: "Die Menschen vergessen sehr schnell."

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