Türkenfeld:Neuer Glanz im Saal des alten Fugger-Schlosses

Die Gemeinde Türkenfeld hat den Sitzungsraum frisch renovieren lassen. Künftig soll dort nicht nur Platz für die Kommunalpolitik sein, sondern es sollen auch Konzerte und Lesungen stattfinden

Von Peter Bierl, Türkenfeld

Der Saal des Rathauses von Türkenfeld strahlt in neuem Glanz. Der Boden ist komplett neu, die Fenster ausgetauscht, die Wände frisch gestrichen und die Möbel restauriert. Künftig sollen sich dort nicht nur die Gemeinderäte versammeln, sondern Lesungen und Konzerte stattfinden und Trauungen abgehalten werden. Die Renovierung kostet bis zu 200 000 Euro und wurde im Rahmen der Dorferneuerung abgewickelt. Das Gebäude ist ein Fuggerschloss von anno 1725, das unter Denkmalschutz steht.

Im Lauf der Jahrhunderte wurde an dem Gemäuer immer wieder etwas ausgebessert, weggerissen, hinzugefügt und umgebaut, um verschiedenen Nutzungen gerecht zu werden. 1970 forderten manche Gemeinderäte und Einwohner, das "alte Glump" abzureißen und durch einen Betonklotz zu ersetzen. Der damalige Bürgermeister Peter Ofer bekam am Ende doch eine knappe Mehrheit im Gemeinderat, um das Schloss renovieren zu lassen. Und so können seine Nachfolger bis heute in fürstlichen Gemächern residieren statt in einem schnöden Funktionsbau. Weil der "Zahn der Zeit" aber an dem Gebäude nagte, wie Bürgermeister Emanuel Staffler (CSU) es formuliert, musste nach rund 50 Jahren wieder etwas getan werden.

Der prächtige Saal im ersten Stock diente bislang zugleich als Gemeindebibliothek, die Wände waren reich bestückt mit allerlei Gemälden, das Ensemble wirkte eher etwas überladen. Ein Fachbüro erarbeitete ein energetisches Konzept für das gesamte Rathaus, dabei kam auch der Boden des Saales zur Sprache. Ein Statiker untersuchte die Konstruktion und empfahl, die tragenden Balken zu verstärken. Vorher hätten eigentlich nicht mehr als 20 Personen gleichzeitig den Raum gleichzeitig betreten dürfen. Für Kulturveranstaltungen nicht die beste Voraussetzung. Die Handwerker entfernten den alten Filzteppich und brachen den Estrich aus Beton Stück für Stück raus. Es zeigte sich, dass die hölzernen Querbalken auch nach Jahrhunderten noch in gutem Zustand sind, jedoch im hinteren Teil des Raumes weiter auseinanderliegen als vorne. Zur Isolierung war Schilf verwendet worden. Zunächst wurden die Balken durch eine Stahlkonstruktion ergänzt, dann der Boden neu aufgebaut, mit einer Dämmung, Schutz vor Trittschall, Sperrholz und zuletzt ein neues Parkett verlegt. Wer sich früher im Rathaussaal bewegte, verspürte immer ein leichtes Schwingen, das ist jetzt verschwunden.

Die Fenster mussten komplett ausgetauscht werden, ihre Rahmen waren zum Teil verfault und energetisch indiskutabel. Mit Ausnahme der Rundbogenfenster passten sie historisch nicht zum Stil des denkmalgeschützten Hauses.

Von den Wänden mussten zwei Farbschichten mit Spachteln abgekratzt werden, berichtet Gemeinderätin Sabeeka Gangjee-Well (Grüne). Der Stuck an der Decke und der umlaufende Sims an der Wand wurden erneuert. Eigentlich sind es zwei Simse, die in unterschiedlicher Höhe in zwei Hälften des Raumes umlaufen, wo sie zusammentreffen, klafft eine Lücke. Dort stand früher eine Trennwand, die aber schon um 1900 entfernt worden sei, wie der Bürgermeister berichtet.

Die Bücherei wurde ins Schulhaus verlegt, wo sie ebenerdig zugänglich ist. Ansonsten ist das Interieur geblieben. Von den großen Deckenlampen wurden bloß die Schirme entfernt, die Stühle wurden neu gepolstert, die Ratstische abgeschliffen. Von den Gemälden an den Wänden wurden die vier Bilder von Franz Xaver Wölfle wieder aufgehängt, allerdings ergänzt um eine Tafel, die über die Nazivergangenheit des Malers aus dem Ortsteil Zankenhausen aufklärt.

Während der Saal im ersten Stock ein halbes Jahr lang renoviert wurde, arbeitete die Verwaltung im Haus bei Dreck, Staub und Lärm weiter. Die Mitarbeiter in den Büros im Erdgeschoss erblickten über sich handtellergroße Löcher in der Decke. Weil die breite hölzerne Treppe zum Originalbestand des Schlosses gehört, sollten Abfall und Material einen anderen Weg nehmen, um die Stufen nicht zu beschädigen. Vor dem Rathaus wurde ein großer Kran aufgestellt, der die Materialien über das Dach hievte, auf der Rückseite ein Baugerüst aufgebaut.

Weil die Renovierung des Saales als Teil der Dorferneuerung ausgewiesen ist, bekommt die Kommune einen Zuschuss von 83 000 Euro. Der Vorplatz des Rathauses sowie der Weg zur Kirche und bis vor zur Hauptstraße sind derzeit Baustelle. Das historische Zentrum von Türkenfeld soll aufgehübscht und belebt werden.

Die Gemeinde gehört mit zu den ersten bis heute bestehenden Siedlungen, die nach dem Abzug der Römer im frühen Mittelalter im Landkreis entstanden. Die älteste bekannte Urkunde verweist auf das Jahr 749, der Ort wird darin als Duringveldt bezeichnet, nach einem Ortsadeligen. Mit den Türken, wie manchmal gemutmaßt wird, hat der Name nichts zu tun. Der Ort war feudaler Besitz, die Menschen dem Grundherren untertan, der anscheinend häufig wechselte. Im 16. Jahrhundert ging Türkenfeld an die Fugger.

Diese ließen um 1725 das heutige Schloss errichten, einen stattlichen Walmdachbau mit Dreiecksgiebel über dem Mittelteil der Vorderseite. Vorher stand wohl ein großes zweistöckiges Gebäude, umgeben von einer Mauer, an dieser Stelle, das auf einem Stich von Michael Wening um 1700 noch zu sehen ist. Der Neubau diente den Fuggern aber nicht als Sitz, sondern dort residierte ein Verwalter ihrer Güter.

1852 erwarb der Pfarrer das Schloss samt Nebengebäuden und Grundstücken, um ein Schul- und Armenhaus einzurichten. Anscheinend gab es darüber einigen Streit. Jedenfalls überließ der Pfarrer das Anwesen schon bald der Gemeinde. Er hatte bereits begonnen, den Pferdestall in ein Schulhaus umbauen zu lassen. Als solches diente es bis nach dem Zweiten Weltkrieg, als aus Sankt Ottilien deutsche Verwundete dorthin verlegt wurden. Das Schloss fungierte als Lazarett, anschließend wurden Flüchtlinge dort untergebracht. Die Behörden ließen Zwischenwände in einigen großen Räumen einziehen, darunter im Saal. Manche Flüchtlinge blieben im Schloss, bis sich der Gemeinderat zur Restaurierung des gesamten Hauses durchrang, die Anfang der 1970er-Jahre umgerechnet etwa 220 000 Euro kostete.

Das Gebäude war zu diesem Zeitpunkt ziemlich heruntergekommen, der Putz abgeplatzt, wie man auf alten Fotos erkennt. Sehr schön anzusehen waren dagegen die Spalierbäume an der Vorderfront. Neu errichtet wurden damals die beiden Gebäude, die das Schloss flankieren. Auf der Ostseite steht das Feuerwehrhaus anstelle eines alten Stalles, auf der Westseite musste das alte Schulhaus dem Pfarrzentrum weichen. Beide Neubauten wurden stilistisch dem Schloss angeglichen.

Das Ensemble wird komplettiert durch das Linsenmann-Haus, dessen Kauf und Renovierung der frühere Bürgermeister Georg Klaß (FW) in einem zähen Kampf durchsetzte. So besitzt Türkenfeld, das sich infolge des Booms in der Region München, zu einer typischen Reihen- und Doppelhaussiedlung wandelt, immerhin noch einen intakten Ortskern, einen Platz zum Feiern vor ansprechender Kulisse. Bloß die Fassade des alten Schlosses muss noch renoviert werden.

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